EU-Antibetrugsbehörde ermittelt gegen Agrofert-Konzern von Finanzminister Babiš
Bezieht der Großkonzern von Finanzminister Andrej Babiš europäische Fördermittel im Übermaß? Mit diesem Vorwurf setzt sich derzeit die EU-Antibetrugsbehörde (OLAF) auseinander. Während der Finanzminister am Dienstag auf seinen vorbildlichen Staatshaushalt verwies, ist sein milliardenschwerer Konzern Agrofert einmal mehr unter Beschuss.
Petr Cingr ist im Vorstand von Agrofert – und zugleich Präsident des tschechischen Verbandes für chemische Industrie. Ein Brief von Cingr an einen Staatssekretär im Industrieministerium liegt nun offenbar bei den Ermittlern in Brüssel – als Beweis für unzulässige Lobbyarbeit Cingrs für Agrofert. Konkret geht es um das Förderprogramm Oppik für den Zeitraum 2014 bis 2020, die Gesamt-Fördersumme liegt bei 120 Milliarden Kronen (ca. 4,4 Milliarden Euro). Während sich die Antibetrugsbehörde nicht zu den laufenden Ermittlungen äußern will, wies Agrofert die Vorwürfe zurück.
Es sei nichts Ungesetzliches geschehen, sagte Unternehmenssprecher Karel Hanzelka gegenüber dem Tschechischen Rundfunk. Babiš selbst sprach von Lügen zum Schaden seiner Person. Wie es in einer offiziellen Stellungnahme auf der Website von Agrofert heißt, habe Cingr bei einer Sitzung im vergangenen Mai als Vertreter des Industrieverbandes und damit im Namen von 86, hauptsächlich größeren Firmen verhandelt. Auch Industrieminister Jan Mládek (Sozialdemokraten) sprang für Agrofert in die Bresche:„Ich verstehe, dass Agrofert für die Medien der interessanteste Profiteur dieser Mittel ist. Aber es waren ja zweifellos mehr. Wir müssen uns ansehen, wie viele Firmen davon betroffen waren. Ein Problem wäre es, wenn nur eine Firma profitiert hätte.“
Der verantwortliche Staatssekretär Tomáš Novotny vom Industrieministerium bestätigte am Dienstag, dass im Förderprogramm Oppik tatsächlich mehr Gelder für Großunternehmen bereitgestellt werden. Die ursprüngliche Zuteilungsobergrenze bei Fördermitteln für große Firmen wurde von 20 Prozent auf 40 Prozent erhöht. Damit würden jedoch keine EU-Vorschriften verletzt, so Novotný. Oppositionspolitiker verwiesen unterdessen auf den permanenten Konflikt zwischen Babišs politischen und unternehmerischen Interessen. Andernorts sei kaum vorstellbar, dass sich ein Großunternehmer wie Babiš auch indirekt am Regelwerk für Fördermittel beteilige, sagte etwa Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek von der konservativen Top 09. Babišs Agrofert-Konzern sei der größte Profiteuer von EU-Fördermitteln in Tschechien:
„Auch wenn das vielleicht die Koalitionspartner und die Wähler nicht stört, so stört es doch langsam die europäischen Steuerzahler und auch die Institutionen, die dies überwachen.“Wer hinter der Anzeige gegen Agrofert steht, ist unklar. Eingegangen ist sie zu Jahresende gleich bei mehreren europäischen Institutionen. Laut neovlivni.cz hat die EU-Kommission daraufhin das Amt für Betrugsbekämpfung eingeschaltet – die Ermittlungen dürften mehrere Monate in Anspruch nehmen.