EU-Antibetrugsbehörde ermittelt gegen Agrofert-Konzern von Finanzminister Babiš

Foto: ČT24

Bezieht der Großkonzern von Finanzminister Andrej Babiš europäische Fördermittel im Übermaß? Mit diesem Vorwurf setzt sich derzeit die EU-Antibetrugsbehörde (OLAF) auseinander. Während der Finanzminister am Dienstag auf seinen vorbildlichen Staatshaushalt verwies, ist sein milliardenschwerer Konzern Agrofert einmal mehr unter Beschuss.

Foto: ČT24
Agrofert ist das viertgrößte Unternehmen in Tschechien mit einem Jahresgewinn von 6,14 Milliarden Kronen (ca. 227 Millionen Euro) im Jahr 2014. Seit Besitzer Andrej Babiš zum Finanzminister und Vizepremier aufgestiegen ist, steht sein Konsortium unter Beobachtung. Immer wieder gibt es Vorwürfe, die Firmen des gebürtigen Slowaken würden von der politischen Macht ihres Besitzers profitieren. Nun interessiert sich auch die EU dafür, ob Babiš sauber trennt zwischen Politik und Unternehmertätigkeit. Zuerst berichtet über die Ermittlungen der EU-Antibetrugsbehörde hat am Dienstag das Nachrichtenportal neovlivni.cz. Sabina Slonková ist die Chefredakteurin:

Petr Cingr  (Foto: Archiv des tschechischen Industrieverbandes)
„Die Gefahr, auf die ein anonymer Hinweis bei OLAF eingegangen ist, ist folgende: Agrofert-Manager Cingr hat unter dem Schutzmantel des Verbands für chemische Industrie die staatliche Verwaltung dazu gebracht, die Rechtsvorschriften für den Bezug von Fördermitteln für große Firmen – einschließlich Agrofert – zu ändern.“

Petr Cingr ist im Vorstand von Agrofert – und zugleich Präsident des tschechischen Verbandes für chemische Industrie. Ein Brief von Cingr an einen Staatssekretär im Industrieministerium liegt nun offenbar bei den Ermittlern in Brüssel – als Beweis für unzulässige Lobbyarbeit Cingrs für Agrofert. Konkret geht es um das Förderprogramm Oppik für den Zeitraum 2014 bis 2020, die Gesamt-Fördersumme liegt bei 120 Milliarden Kronen (ca. 4,4 Milliarden Euro). Während sich die Antibetrugsbehörde nicht zu den laufenden Ermittlungen äußern will, wies Agrofert die Vorwürfe zurück.

Jan Mládek  (Foto: Archiv des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik)
Es sei nichts Ungesetzliches geschehen, sagte Unternehmenssprecher Karel Hanzelka gegenüber dem Tschechischen Rundfunk. Babiš selbst sprach von Lügen zum Schaden seiner Person. Wie es in einer offiziellen Stellungnahme auf der Website von Agrofert heißt, habe Cingr bei einer Sitzung im vergangenen Mai als Vertreter des Industrieverbandes und damit im Namen von 86, hauptsächlich größeren Firmen verhandelt. Auch Industrieminister Jan Mládek (Sozialdemokraten) sprang für Agrofert in die Bresche:

„Ich verstehe, dass Agrofert für die Medien der interessanteste Profiteur dieser Mittel ist. Aber es waren ja zweifellos mehr. Wir müssen uns ansehen, wie viele Firmen davon betroffen waren. Ein Problem wäre es, wenn nur eine Firma profitiert hätte.“

Der verantwortliche Staatssekretär Tomáš Novotny vom Industrieministerium bestätigte am Dienstag, dass im Förderprogramm Oppik tatsächlich mehr Gelder für Großunternehmen bereitgestellt werden. Die ursprüngliche Zuteilungsobergrenze bei Fördermitteln für große Firmen wurde von 20 Prozent auf 40 Prozent erhöht. Damit würden jedoch keine EU-Vorschriften verletzt, so Novotný. Oppositionspolitiker verwiesen unterdessen auf den permanenten Konflikt zwischen Babišs politischen und unternehmerischen Interessen. Andernorts sei kaum vorstellbar, dass sich ein Großunternehmer wie Babiš auch indirekt am Regelwerk für Fördermittel beteilige, sagte etwa Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek von der konservativen Top 09. Babišs Agrofert-Konzern sei der größte Profiteuer von EU-Fördermitteln in Tschechien:

Andrej Babiš  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Auch wenn das vielleicht die Koalitionspartner und die Wähler nicht stört, so stört es doch langsam die europäischen Steuerzahler und auch die Institutionen, die dies überwachen.“

Wer hinter der Anzeige gegen Agrofert steht, ist unklar. Eingegangen ist sie zu Jahresende gleich bei mehreren europäischen Institutionen. Laut neovlivni.cz hat die EU-Kommission daraufhin das Amt für Betrugsbekämpfung eingeschaltet – die Ermittlungen dürften mehrere Monate in Anspruch nehmen.