Audit aus Brüssel setzt Premier Babiš unter Druck
Politiker, die Medien und die breitere Öffentlichkeit diskutieren bereits seit Monaten über etwas, das sie nicht kennen. Es sind die Nachforschungen der Europäischen Union zu Premier Andrej Babiš. Konkret geht es um die Frage, ob der tschechische Regierungschef wegen seiner unternehmerischen Vergangenheit in einem Interessenkonflikt steckt. Vergangene Woche hat Brüssel einen ausführlichen Bericht geschickt. Die Opposition behauptet, dieser sei das endgültige Urteil der Kommission, für Regierungspolitiker ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen.
„Denken Sie, dass die Europäische Kommission die Weisheit erfunden hat? Sie hat es nicht. Und die Kommission hat kein Recht, tschechische Gesetze auszulegen. Und schon gar keine, die gegen Babiš gerichtet sind. Sie soll europäisches Recht auslegen. Sie ist sicher keine Autorität.“
Streng vertraulich
Doch der Rechnungsprüfungsbericht ist lang geworden. Es sind 238 Seiten. Laut einem Beitrag des Nachrichtenmagazins „Respekt“ konstatieren die Prüfer darin, dass Babiš sowohl nach europäischem als auch nach tschechischem Recht in einem Interessenkonflikt steht. Die Journalisten berufen sich dabei auf zwei ungenannte Quellen, die den Inhalt des Dokumentes und das Verfahren als solches kennen würden.
Das Ministerium für Regionalentwicklung wehrt jedoch gleich zweifach ab. Am Dienstag trat Ressortchefin Klára Dostálová vor die Presse. Die parteilose, aber von Babišs Partei Ano nominierte Politikerin betonte zunächst, der Inhalt des Audits sei vertraulich und könne nicht veröffentlicht werden:„Ich halte es für wichtig zu sagen und damit weitere Spekulationen in den Medien zu verhindern, dass der Bericht zusammen mit einem Begleitbrief geschickt wurde. Und in diesem hat die Europäische Kommission das Audit als vertraulich bezeichnet, wobei das Wort sogar unterstrichen wurde. Auch die Sprecherin der Kommission hat dies noch einmal ausdrücklich bestätigt. Im Begleitbrief wird zudem gesagt, dass die Vertraulichkeit erhalten bleiben muss, bis alle sich anschließenden Prozeduren abgeschlossen sind.“
Und das kann noch viele Monate dauern, wie Dostálová andeutete. Deswegen, und das ist der zweite Einwand der Ministerin, könne man den Bericht auch nicht als endgültig bezeichnen. Fast dieselben Worte verwendete am Montag zudem Premier Babiš:
„Die Europäische Kommission hatte zuvor ein vorläufiges Audit geschickt. Jetzt behauptet sie, dies sei der endgültige Rechnungsprüfungsbericht. Das heißt aber nicht, dass sie Recht hat. Sondern es gibt noch die Möglichkeit, sich innerhalb gewisser Fristen dazu zu äußern. Und das werden wir auch tun. Sollte das Audit nicht mit dem übereinstimmen, was Tschechien behauptet, dann wird Prag dieses ablehnen.“Denn im Begleitbrief stellt Brüssel auch die Frage, ob Prag den Bericht akzeptiert oder nicht. Kommissionssprecher Eric Mamer widerspricht jedoch der Auslegung von Babiš und Dostálová:
„Der Bericht ist abschließend. Die Fakten sind dort ausgeführt. Der nächste Schritt im Verfahren ist, dass wir den tschechischen Behörden noch eine Version in tschechischer Sprache zukommen lassen.“
Denn bisher liegen die Ergebnisse nur im englischen Original vor. Wenn die Übersetzung in der Landessprache dann zugestellt wurde, hat Tschechien zwei Monate Zeit, um auf den Bericht zu reagieren.
Premier im Interessenkonflikt
Die Meinung von Babiš zur Frage des Interessenkonflikts ist klar. Immer wieder betont der tschechische Regierungschef, dass er die Leitung von Agrofert im Februar 2017 an zwei Treuhandfonds übertragen hat. Damit habe er den tschechischen Gesetzen über Interessenkonflikte entsprochen, so Babiš.In dem Bericht der EU geht es jedoch darum, ob der aus der Slowakei stammende Ex-Unternehmer auch wirklich keinen Einfluss mehr auf seinen Konzern hat. Von den tschechischen Parteien äußern die Piraten am lautesten Zweifel. Sie haben die restlichen Oppositionsparteien sowie die mitregierenden Sozialdemokraten deshalb zu einem Beratungstreffen aufgerufen. Am Montag bereits sagte Piratenchef Ivan Bartoš in einem Interview für das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen:
„Hier geht es nicht um eine Lex Babiš, wie der Premier das immer wieder nennt. Vielmehr ist es das tschechische Gesetz über Interessenkonflikte. Und auch laut dem slowakischen Handelsregister und der Meinung von Rechtsexperten aus dem Ausland lenkt der Premier immer noch die Geschicke von Agrofert. Außerdem behauptet Babiš, dass die Europäische Kommission nicht das Recht habe, tschechische Gesetze auszulegen. Dabei stellt Brüssel seine Fördergelder nur unter bestimmten Voraussetzungen bereit. Dazu gehören rechtliche Hürden dafür, dass hochgestellte Politiker – und erst recht der Regierungschef – die Politik nicht so gestalten, dass EU-Gelder in ihre Firmen fließen. Genau das aber geschieht hier schon seit Längerem, wobei die Ministerien einfach zuschauen und die Behörden die Mittel freigeben. Nicht zuletzt betrifft dies öffentliche Ausschreibungen.“
Wie Bartoš weiter ausführte, könnte Babiš auch problemlos nach dem Ende seiner politischen Karriere wieder die Leitung bei Agrofert übernehmen. Deswegen fordert der Piratenchef:„Entweder bleibt Babiš weiterhin Premier. Dann aber dürfen die Firmen der Agrofert-Holding keine staatlichen Aufträge mehr erhalten und auch keine EU-Fördergelder. Oder er kann einfach nicht mehr den Posten des Regierungschefs bekleiden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass er seinen Konzern an Leute verkauft, die nicht an ihn angebunden sind. Genau dieses Prinzip ist bei den bisherigen beiden Treuhandfonds verletzt worden. So sitzt Babišs Frau Monika dort in der Führung sowie seine früheren engeren Mitarbeiter. Damit wird aber sowohl gegen tschechische Gesetze verstoßen als auch gegen die europäische Richtlinie zu Interessenkonflikten.“
Entweder Politiker oder Unternehmer
Die Oppositionsparteien drängen aber noch auf etwas Weiteres – dass der Rechnungsprüfungsbericht der Europäischen Kommission veröffentlicht wird. Sie wollen zum Beispiel wissen, ob Agrofert laut den Prüfern frühere Fördergelder zurückzahlen muss. Oder ob Tschechien droht, dass Zahlungen auch für andere Projekte gestoppt werden. Am Dienstag berichtete die Tageszeitung Deník N, sie habe Einblick erhalten in den Bericht. Demnach müsse Prag mehrere Hundert Millionen Kronen an Fördergeldern zurücküberweisen.Auch deswegen fordert die Opposition, über die Inhalte des Berichts unterrichtet zu werden.
„Es gibt eine sehr einfache Lösung. Laut Paragraph 56 seiner Sitzungsordnung kann das tschechische Abgeordnetenhaus auf Vorschlag der Regierung oder von Abgeordneten beschließen, dass eine Sitzung oder Teile von ihr nicht-öffentlich sind. Dies betrifft besonders Fälle, in denen vertrauliche Fragen oder weitere vertrauliche Umstände auf der Tagesordnung stehen“, so Vít Rakušan, der Vorsitzende der Bürgermeisterpartei Stan, am Dienstag bei einer Pressekonferenz im tschechischen Abgeordnetenhaus.
Stan und die Christdemokraten wollen bereits am Donnerstag im Abgeordnetenhaus einen entsprechenden Antrag stellen. Die liberal-konservativen Bürgerdemokraten schlagen wiederum vor, eine parlamentarische Kommission einzurichten. Sie solle alle Schritte überwachen, die die Regierung in Sachen des Audits unternehme, hieß es.Die Antikorruptionsorganisation Transparency International geht allerdings noch weiter. Sie versteht nicht so recht, warum die Europäische Kommission den Bericht überhaupt als vertraulich behandelt:
„Ich denke, jeder hat das Recht zu wissen, ob der Premier dieses Landes in einem Interessenkonflikt steht und ob die Fördergelder an ihn berechtigt waren. Uns liegt auch eine Stellungnahme der europäischen Ombudsfrau vor. Sie hat empfohlen, das ganze Audit publik zu machen, gerade weil dies im öffentlichen Interesse sei“, sagte der Leiter des tschechischen Büros von Transparency International, David Ondráčka.
Den Bericht der Kommission hat im Übrigen auch der Prager Magistrat erhalten. Oberbürgermeister Zdeněk Hřib von den Piraten ließ wissen, er prüfe derzeit zusammen mit Juristen, welche Sanktionen drohten, würde das Dokument entgegen dem Verbot veröffentlicht.