Tschechischer Skiverband ist mit 110 Jahren ältester der Welt
Am vergangenen Sonntag sind die tschechischen Biathleten mit einem großartigen Erfolg in die olympische Saison gestartet: Im schwedischen Östersund gewannen sie das Weltcuprennen in der Mixed-Staffel. Biathlon wird jedoch erst seit knapp 50 Jahren als eigenständiger Sport geführt und zählt so auch nicht zu jenem Skiverband, der als ältester der Welt gilt: der Verband der Skiläufer der Tschechischen Republik. Er wurde jüngst 110 Jahre alt.
Mit Rössler-Ořovský eng verknüpft ist auch eine der drei Legenden darüber, welchen Hügel im heutigen Tschechien zum ersten Mal ein Mensch auf Skiern hinab fuhr. Der Tscheche hatte sich aus Norwegen ein Paar Ski bestellt, die er am 5. Januar 1887 auf dem Prager Hauptpostamt abholte. Der Historiker František Kolář schildert die anschließende Episode:
„Nachdem Rössler-Ořovský die Ski auf der Post entgegengenommen hatte, wollte er sie gleich ausprobieren. Weil an jenem Tag der nur wenige Meter entfernte Wenzelsplatz verschneit war, ging er mit den Ski den Platz bis zum damals im Bau befindlichen Nationalmuseum hinauf. Dort half ihm sein Bruder Karel beim Anschnallen der Skier, und Josef soll dann mit ihnen vom Denkmal des heiligen Wenzel bis zur Mitte des Platzes herabgefahren sein.“
Die zweite Version geht auf das Riesengebirge zurück, einer Region, die sich seit jeher als Wiege des tschechischen Skisports versteht. František Kolář:„Die zweite Legende besagt, dass Graf Johann Nepomuk von Harrach die ersten Skier nach Böhmen brachte. Er soll sie seinen Förstern gegeben haben. Das ist die im Riesengebirge verbreitete Anekdote, denn die dort lebenden Leute gehören fraglos zu denjenigen, die das Skilaufen in Böhmen salonfähig gemacht haben.“
Mit dem Riesengebirge verknüpft sei jedoch auch die dritte Legende über den Beginn des Skisports in Böhmen, ergänzt Kolář:
„Das ist die Legende der Deutschen. Sie besagt, dass eines Tages Holzfäller aus dem Gebirge herunter nach Spindlermühle kamen. In einer Kneipe erzählten sie, oben auf dem Berg würde ein Ungeheuer wüten. Sie hätten nämlich zwei nebeneinander liegende Spuren im Schnee entdeckt, könnten sich aber nicht erklären, wie diese dort hingekommen seien. Also begannen die Holzfäller darüber zu grübeln, bis sie eines Tages bei ihren Arbeiten im Riesengebirge dem Hauptmann Vorwegh aus dem schlesischen Schreiberhau (Szklarska Poreba) begegneten. Der Hauptmann hatte früher Soldaten in Norwegen ausgebildet und hatte dort gelernt, Ski zu fahren. Er brachte ein Paar davon mit nach Schlesien und machte mit ihnen Ausflüge auf den Kämmen des Riesengebirges.“
Die Holzfäller baten den Hauptmann daraufhin, mit ihnen nach Spindlermühle zu kommen, wo er den Einheimischen seine neue Anschaffung, den Ski, erklären musste. Allerdings weiß heute niemand mehr, wann das war, bemerkt Kolář:„Das soll angeblich zur Jahreswende 1886/1887 gewesen sein, doch in den Überlieferungen konnte sich niemand mehr daran erinnern, ob es nun vor oder nach Weihnachten gewesen sei. Das aber ist insofern wichtig, da der Hauptmann aus Schreiberhau damit schon etwas eher als Rössler-Ořovský die Skier in Böhmen eingeführt haben könnte.“
Historie hin, Historie her, unumstößlich ist die Tatsache, dass sich der tschechische Skiverband in den 110 Jahren seit seiner Gründung zu einer festen Größe im Sport- und Freizeitbereich der Tschechen entwickelt hat. Der heute über 10.000 Mitglieder zählende Verband ist zudem auch sportlich erfolgreich. Auch wenn Siege und Pokale bei ihm nicht so üppig gesät sind wie in den typischen Wintersportnationen Skandinaviens, so haben auch tschechische Skisportler schon mehrfach für Furore gesorgt. Allein aus dem nach Graf Harrach benannten Riesengebirgsort Harrachov / Harrachsdorf haben insgesamt 19 Bürger an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen teilgenommen und von dort 11 Medaillen mitgebracht. Die uneingeschränkten Glanzlichter des tschechischen Skisports sind jedoch die drei Olympiasiege, die in drei verschiedenen Sportarten gewonnen wurden.
Auf den ersten Olympiasieg musste die damalige Tschechoslowakei bis zum Jahr 1968 warten. Bei den Winterspielen in Grenoble war Jiří Raška beim Skispringen von der Normalschanze nicht zu schlagen. Der leider schon verstorbene Raška konnte damals sein Glück kaum fassen:„Nun, ich kann das Ganze noch nicht so recht glauben. Der Sieg kommt so unerwartet, dass ich völlig neben mir stehe. Aber falls ich tatsächlich gewonnen haben sollte, bin ich überglücklich.“
Nach der ersten Euphorie wusste Raška seinen Wettkampf dennoch treffend einzuordnen:
„Mein erster Sprung ist mir gut gelungen, mit dem war ich zufrieden. Mein zweiter Sprung allerdings war etwas schlechter. Aber Sie wissen ja, wie das ist: Man beginnt zu rechnen und zu überlegen, was wäre wenn. Am Ende habe ich auch den zweiten Sprung einigermaßen gemeistert, auch wenn ich ihn nicht als gelungen ansehe.“Vollkommen gelungen war indes der Sprung eines weiteren Tschechen 34 Jahre später bei den Winterspielen in Salt Lake City. Es war ein dreifacher Salto mit fünffacher Schraube, die Höchstschwierigkeit in der seinerzeit noch relativ jungen olympischen Sportart Freestyle-Springen. Der Salto wurde in Vollendung gezeigt von Aleš Valenta, der dafür mit der Goldmedaille belohnt wurde:
„Natürlich musste ich an mich glauben, doch letztlich war es ein Glückstreffer. Es war ein Sprung, der entweder gelingt oder nicht. Bei diesem Sprung konnte nicht die Rede davon sein, dass ich auf Sicherheit ging, auf keinen Fall.“Auf die dritte und vorerst letzte olympische Goldmedaille musste der tschechische Skisport dann nicht mehr so lange warten. Nur vier Jahre nach dem Sensationssprung von Aleš Valenta schickte sich in Turin die schon 33-jährige Kateřina Neumannová an, ihren Top-Leistungen im Skilanglauf endlich die Krone aufzusetzen. Im dramatischen Rennen über 30 Kilometer war es dann soweit, auch wenn Neumannová im Schlussspurt erst noch zwei Konkurrentinnen niederkämpfen musste:
„Ich habe mir gesagt, dass ich alles probieren werde. Dennoch habe ich nicht so recht an den Erfolg geglaubt, weil noch zu Beginn der letzten Runde unglaublich viele Läuferinnen an der Spitze mithielten, ich mich aber an den Anstiegen relativ müde gefühlt habe. An den letzten zwei Anstiegen aber wurde das Feld auseinander gesprengt und in der Spitzengruppe verblieben nur noch vier Läuferinnen. Dann erst habe ich geglaubt, jetzt auch um eine Medaille kämpfen zu können. Auf der Zielgeraden wusste ich, dass es zumindest Bronze wird, doch was sich dann im Finish abgespielt hat, kann ich immer noch nicht fassen.“ Kaum zu fassen ist auch, dass in zirka zweieinhalb Monaten bereits die nächsten Winterspiele ins Haus stehen. Es sind die Spiele im russischen Sotschi, für die sich jetzt alle Wintersportler so allmählich in Form bringen. Und wer weiß, vielleicht sind es dann ja gerade die eingangs erwähnten Biathleten, die das nächste olympische Wintergold für Tschechien holen. Sie haben zwar einen eigenen nationalen wie internationalen Verband, doch auch sie sind auf Ski unterwegs.