Tschechisches Olympiateam bringt aus Peking zwei Medaillen mit
Das große Sporthighlight des Jahres, die Olympischen Winterspiele in Peking, ist am Sonntag zu Ende gegangen. Das tschechische Olympiateam war zahlenmäßig so stark wie noch nie, die Medaillenausbeute indes eher bescheiden. Das Team kehrt mit einmal Gold und einmal Bronze nach Hause zurück.
Gold für Ledecká – Sáblíková holt noch einmal Bronze
Die Goldmedaille holte die zweifellos schillerndste Persönlichkeit in der tschechischen Mannschaft, die 26-jährige Ester Ledecká. Das Multitalent, das vor vier Jahren in Pyeongchang mit zwei Olympiasiegen in zwei verschiedenen Sportarten für Aufsehen gesorgt hatte, wollte beide Titel in Peking verteidigen. Im Parallel-Riesenslalom der Snowboarderinnen ist ihr dies in beeindruckender Manier gelungen. Und in der Disziplin Super-G des Alpinen Skisports schrammte sie nur knapp an einer weiteren Medaille vorbei: Ledecká belegte einen sehr guten fünften Platz. Danach hatte die Pragerin indes noch zwei weitere Eisen im Feuer – sie startete im Abfahrtslauf und in der Alpinen Kombination. In der Abfahrt rechnete sie sich gute Chancen aus, schließlich stieg sie im Weltcup schon viermal auf das Siegerpodest und hat die Abfahrt 2019 in Lake Louise sogar gewonnen. Doch Ledecká wusste: Um in Peking ganz vorn dabei zu sein, muss man viel riskieren. Das tat sie dann auch, doch im unteren Drittel der Strecke wurde ihr die wilde Fahrt zum Verhängnis. Die Tschechin kam von der Ideallinie ab, verfehlte ein Tor und musste sich danach mit Platz 27 begnügen. Zu ihrem Rennen sagte sie:
„Vermutlich war ich nicht in der besten Position, als ich von der Bahn abgekommen bin. Ich muss mir anschauen, was ich an der Stelle hätte besser machen können, damit mir dies nicht noch einmal passiert. Nach dem Fahrfehler habe ich bis ins Ziel noch alles gegeben, obwohl die Aussicht auf eine gute Platzierung dahin war. Doch ich wollte bis zum Schluss kämpfen.“
Das tat Ledecká auch in der Kombination, in der sie als Zweitbeste in der Abfahrt auf Medaillenkurs lag. Im Slalom musste sie sich dann allerdings drei Kontrahentinnen geschlagen geben, die in dieser Disziplin einfach besser sind – allen voran die Schweizerin Michelle Gisin, die ihren Titel von Pyeongchang verteidigte. Ledecká hielt tapfer dagegen, ließ kein Tor aus, musste am Ende jedoch mit dem undankbaren vierten Platz vorliebnehmen. Ihre Leistung aber nötigte Respekt ab, zumal sie sich mit einer schmerzhaften Muskelzerrung zwischen den Stangen bewegte.
Der medaillenlose vierte Platz, diese Ernüchterung musste auch Eischnellläuferin Martina Sáblíková im Rennen über 3000 Meter einstecken. Doch wer die unverwüstliche Athletin aus Žďár nad Sázavou / Saar kennt, der wusste: In ihrer Paradedisziplin, den 5000 Metern, wird sie noch einmal all ihr Können in die Waagschale werfen. Und genauso war es. Sáblíková durchlief die Strecke in etwas über 6:50 Minuten und wurde dafür mit Bronze belohnt. Die 34-Jährige hat so bei ihren fünften Spielen die insgesamt siebte Medaille geholt, davon allein vier über 5000 Meter. Martina Sáblíková ist damit die erfolgreichste tschechische Wintersportlerin bei Olympia.
Tschechiens Biathleten enttäuschen – Davidová zweimal im Pech
Doch wo blieben die anderen Medaillenhoffnungen aus Tschechien? Zur Wahrheit gehört, dass mit Eva Samková ein ganz heißes Eisen auf die Goldmedaille im Snowboardcross verletzungsbedingt passen musste. Die Olympiasiegerin von Sotschi (2014) hatte sich bei einem Sturz im Weltcup Mitte Dezember im Montafon beide Knöchel gebrochen.
Umso größere Hoffnungen setzte man auf den Biathlon. In dieser Sportart mischen tschechische Athleten seit 2013 in der Weltspitze mit, 2014 bei den Spielen in Sotschi gewannen sie immerhin fünf Medaillen. Die Protagonisten waren damals allerdings Gabriela Koukalová, Veronika Vítková oder Ondřej Moravec – Sportler, die nicht mehr aktiv sind. In ihre Fußstapfen sind die amtierende Weltmeisterin im Einzel, Markéta Davidová, und Michal Krčmář getreten, der bei Olympia 2018 die Silbermedaille im Sprint gewann. An seine Vorstellung in Pyeongchang konnte Krčmář indes in keiner Weise anknüpfen. Nach seinem 21. Platz im abschließenden Massenstart-Rennen sagte er:
„Ich bin nicht sehr begeistert darüber. Drei Viertel des Rennens waren gut, da hatte ich die Chance auf ein besseres Ergebnis. Von daher bin ich enttäuscht.“
Doch auch in allen anderen Einzeldisziplinen, in denen Krčmář am Start war, reichte es zu keiner Top-Ten-Platzierung. Sein bestes Resultat war der 16. Rang im Sprint. Deshalb räumte der 31-Jährige dann auch selbstkritisch ein:
„Ich muss sagen, dass ich mir für meine Leistungen bestimmt nicht auf die Schulter klopfen werde. Ich denke, dass ich in Peking durchaus bessere Resultate hätte erreichen können. Ich will nicht von einer Medaille sprechen, das wäre vermessen. Doch eine Platzierung unter den besten Zehn war in dem einen oder anderen Wettbewerb schon drin.“
Verbaut hat sich Krčmář eine bessere Ausbeute durch seine inkonstanten Schießleistungen. Im Massenstart-Rennen beispielsweise hatte er bis zum letzten Schießen im Stehendanschlag nur einen Fehlschuss, dann aber traf er dreimal nicht. Markéta Davidová musste gleich zweimal leidvoll erfahren, wie entscheidend und deprimierend ein Nachlassen in der Konzentration am Schießstand sein kann. Sowohl im Einzel als auch im Massenstart setzte sie ihren allerletzten Schuss daneben und vergab damit jeweils eine sichere Medaille. Im Einzel, wo ein Fehlschuss mit einer Strafminute geahndet wird, hätte sie vermutlich sogar Gold gewinnen können. Im Massenstart musste die 25-Jährige dadurch im Finish noch zwei Norwegerinnen den Plätze zwei und drei überlassen, sie wurde nur Vierte. Danach flossen bei der Biathletin aus Jablonec nad Nisou / Gablonz viele Tränen. Zu einem Gespräch vorm Mikrophon fühlte sie sich nicht imstande, doch Teamkamerad Krčmář tröstete sie:
„Ich habe sie umarmt und zu ihrer Leistung gratuliert, andererseits kann ich mir ziemlich gut vorstellen, welch schwere Momente sie jetzt durchmacht. Es tut mir sehr leid für sie, während ihres Rennens habe ich beim Zuschauen förmlich mitgelitten. Für ihre Leistung hätte sie eine Medaille verdient gehabt, doch es werden halt nur drei vergeben.“
Dass es in Peking für die tschechischen Biathletinnen und Biathleten zu keiner Medaille gereicht hat, lag vordergründig an den schwachen Schießleistungen. Negativer Höhepunkt war die Staffel der Männer, die nach vier Strafrunden, verursacht durch Jakub Štvrtecký und Adam Václavík, schon beim dritten Umlauf überrundet und so aus dem Rennen genommen wurde. Deswegen wurde das Quartett am Ende nur auf dem 19. Platz gewertet. Darüber war Trainer Ondřej Rybář richtig sauer:
„Natürlich gibt es Gründe für die schlechten Schießleistungen, doch sie sind völlig überflüssig. Denn solange die Jungs am Schießstand nicht das machen, was wir trainiert haben, können sie dort auch nicht bestehen. Ich bin darüber sehr unglücklich, denn auf diese Weise können wir keinen Wettkampf bestreiten. Und das meine ich ernst.“
Teamchef Doktor: Enttäuschend wäre nur Heimflug ohne Medaille gewesen
Auch in den weiteren Sportarten, in denen tschechische Olympioniken an den Start gingen, gab es einiges zu kritisieren. Dennoch freuten sich einige tschechische Sportlerinnen und Sportler fernab der Medaillenränge über persönliche Bestleistungen. Eine von ihnen war die Shorttrack-Läuferin Michaela Hrůzová. Sie jubelte über den 14. Platz im 1500-Meter-Lauf:
„Das ist phantastisch, weil mein Trainer und ich das so nicht erwartet haben. Ich habe meinen persönlichen Rekord sowohl im ersten als auch im zweiten Lauf verbessert. Von daher bin ich sehr zufrieden.“
In einer völlig anderen Gemütslage war Eischnellläuferin Nikola Zdráhalová anzutreffen. In Peking startete sie in fünf Wettbewerben, doch in allen Disziplinen landete sie im geschlagenen Feld. Nach ihrem vierten Wettkampf, dem über 1000 Meter, konstatierte sie ziemlich frustriert:
„Ich werde mich an diese Spiele nicht besonders gern erinnern. Bisher ist mir hier noch kein einziger guter Wettkampf gelungen.“
Auch im abschließenden Massenstart-Rennen kam Zdráhalová nicht über das Halbfinale hinaus. So wie den beiden Schlittschuhläuferinnen erging es auch weiteren Olympiastartern aus Tschechien, Licht und Schatten hielten sich in etwa die Waage. Zu den positiven Ergebnissen zählten zweifellos der sechste Platz des Ehepaares Paul im Curling-Wettbewerb Mixed Double oder der siebte Rang von Anna Fernstädt im Skeleton. Eine große Enttäuschung war hingegen die Vorstellung der Eishockey-Nationalmannschaft der Männer. Sie schied nach einer 2:4-Niederlage gegen die Schweiz schon im Achtelfinale aus, der neunte Rang war die schlechteste Platzierung bei Olympia überhaupt.
Angesichts dieser Ausbeute kann man hierzulande mit dem Abschneiden des tschechischen Olympiateams in Peking nicht besonders zufrieden sein. Der Chef des Teams ist Martin Doktor. Er relativiert jedoch diese Ansicht:
„Eine Enttäuschung wäre es gewesen, wenn wir aus Peking ohne Medaille abgereist wären. Und um ehrlich zu sein, auch ein solches Szenario mussten wir im Hinterkopf haben. Denn jeder, der sich im Sport auskennt, weiß: Oft genügt schon ein kleiner Fehler, und man verpasst die Medaille. Und genau das ist diesmal auch passiert: Wir haben einige vierte und fünfte Ränge erreicht. In Pyeongchang ist es uns hingegen gelungen, sieben unserer Top-Resultate unter die ersten drei Plätze zu bekommen.“
In etwa die gleiche Kerbe haut auch der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Tschechiens, Jiří Kejval:
„Natürlich hatten wir diesmal keine solche Medaillenernte wie in Pyeongchang. Angesichts des Ausfalls von Eva Samková wussten wir aber, dass wir unsere Erwartungen nicht wieder so hoch schrauben konnten. Wenn wir zudem auf die ersten Plätze neben dem Podium schauen, also die Ränge vier, fünf und sechs, sowie auf das gesamte Auftreten des tschechischen Olympiateams, dann müssen wir meiner Meinung nach nicht enttäuscht sein.“
In Pyeongchang hatte Tschechien insgesamt sieben Medaillen geholt, zwei goldene, zwei silberne und drei bronzene. Im Vergleich dazu ist das Resultat von Peking das schlechteste einer tschechischen Mannschaft seit den Spielen 1994 in Lillehammer, als man kein einziges Edelmetall gewann.