Tunnel durch Kapitalberge: Neuer Streit um tschechisches Strafgesetzbuch
Das illegale Abschöpfen von Unternehmenskapital durch die eigenen Manager hat in Tschechien vor allem in der unmittelbaren Nachwendezeit, also Anfang der 90er Jahre, zahlreiche Firmen in den Ruin getrieben. Als eigener Tatbestand sollte dieser Punkt nun aus dem Strafgesetzbuch verschwinden. Doch die regierenden Sozialdemokraten legen sich jetzt quer. Gerald Schubert berichtet.
Tunelovani - so die tschechische Bezeichnung für die Straftat, die momentan die parlamentarischen Gemüter erhitzt. Der "Tunnel" versteckt sich in dem Wort, und es geht dabei um die finanzielle Aushöhlung von Firmen. Klassisches Beispiel: Der Manager der Firma X gründet die Privatfirma Y und macht mit sich selbst Geschäfte. Und zwar solche, die vorteilhaft für Y sind. X geht dann irgendwann in Konkurs, Angestellte verlieren ihren Arbeitsplatz, Aktionäre ihr Geld, aber der Manager ist fein raus.
Aus dem Entwurf für eine novellierte Fassung des Strafgesetzbuches wurde das "Untertunneln" nun ohne großes Aufsehen gestrichen - auf Vorschlag des Abgeordneten Marek Benda von der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei (ODS). Bürgerinitiativen und die tschechischen Grünen protestierten heftig. Auch der sozialdemokratische Premierminister Jiri Paroubek will die Änderung nicht akzeptieren und wirft dem Justizministerium vor, zunächst zugestimmt zu haben:
"Wenn es keine Garantie dafür gibt, dass hier ordentlich gearbeitet wurde, dann wird das Strafgesetzbuch eben nicht abgesegnet. Es wird dann eines der ersten Gesetze sein, mit dem sich das nächste Abgeordnetenhaus befassen muss. Also nach den Wahlen", so Paroubek.
Benda ist jedoch der Ansicht, dass man den Straftatbestand des "Tunelovani" nicht benötigt. Man könnte solche Fälle auch einfach als Betrug abhandeln, meint er:
"Die Sozialdemokraten ahnen, dass ich Recht habe. Gleichzeitig denken sie jetzt darüber nach, auf welche Weise sie dem Druck nachgeben sollen, der hier von außerparlamentarischen Parteien erzeugt wird. Das erscheint mit absurd."
Viele sind jedoch der Ansicht, dass es sich beim "Untertunneln" um etwas anderes handelt als um einfachen Betrug. Den Paragraphen zu streichen wäre skandalös, meint Adriana Krnacova, die Prager Direktorin der Antikorruptionsplattform Transparency International:
"Dahinter steckt meiner Meinung nach absolute Unkenntnis des praktischen Lebens. Es wäre nützlich zu erfragen, welche Rechtsanwaltskanzleien hier für das Justizministerium Analysen angefertigt haben, und sich danach anzusehen, welche Klienten diese Kanzleien sonst noch haben. Das würde vielleicht eine Menge Licht in diese Causa bringen."