Ukrainische Geflüchtete in Tschechien und der Zugang zur Gesundheitsversorgung
Nach Angaben des Innenministeriums sind in Tschechien bereits etwa 220.000 Geflüchtete aus der Ukraine angekommen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl noch bis auf eine halbe Million ansteigen kann. Ist das hiesige Gesundheitssystem auf eine so große Anzahl neuer Patienten vorbereitet?
Bis Montag hatten sich knapp 153.000 Geflüchtete für eine Krankenversicherung in Tschechien registriert. Ihre Zahl erhöht sich täglich, und die Regierung verhandelt mit den Kreisverwaltungen fortlaufend die Verteilung der Ankommenden im Land. Darum haben auch die Ärzte noch keine genauen Informationen darüber, mit wie vielen neuen Patienten sie demnächst rechnen müssen. Michal Bábíček, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung der Allgemeinärzte, sagte dazu in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Selbstverständlich werden wir versuchen, die dringenden Behandlungen zu gewährleisten. Aber die klassische Grundversorgung einschließlich der Präventionsprogramme zu garantieren für demnächst 250.000 neue Patienten, dies ist eher eine Utopie.“
Knapp die Hälfte der Geflüchteten aus der Ukraine sind Kinder. Die damit zu erwartende Herausforderung für das Gesundheitssystem wirft neues Licht auf ein schon länger bestehendes Problem in Tschechien. Es gibt nämlich immer weniger Kinderärzte. In Prag sowie in den Regionen um Jihlava / Iglau oder Znojmo war es schon bisher schwierig, einen Termin zu bekommen.
Die Vorsitzende der Gesellschaft für Allgemein- und Kinderärzte, Alena Šebková, sieht kaum Möglichkeiten, den bestehenden Mangel etwa durch die Beschäftigung von Ärzten aus den Reihen der Geflüchteten zu kompensieren. Auch wenn ihre Diplome in einem Schnellverfahren anerkannt würden, müssten sich die ukrainischen Fachkräfte doch erst mit dem tschechischen Gesundheitssystem vertraut machen. Bis dahin würden die tschechischen Kinderärzte mit der Bewältigung der neu aufzunehmenden Patienten Probleme bekommen, sagt Šebková:
„Bei 100.000 Kindern und etwa 2000 bestehenden Praxen kommen etwa 50 neue Patienten auf jede Einrichtung. Das ist kaum zu leisten. Ich weiß also derzeit nicht, wie wir das lösen werden.“
Jakub Dvořáček, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, zeigt sich hingegen zuversichtlich, dass jedem Geflüchteten in Tschechien die grundlegenden ärztlichen Untersuchungen gewährleistet werden können. Es werde an Plänen gearbeitet, die Kapazitäten vor allem von Allgemein- und Kinderärzten sowie Gynäkologen zu erhöhen. Trotzdem sei eine Beschränkung der Gesundheitsversorgung unausweichlich, lenkt Dvořáček ein:
„Dies ist ein Fakt. In diesem Land erschwert sich der Zugang zu allem. Die Mittel sind beschränkt, und die Höhe des Haushalts ist bekannt. Wenn es auf einmal ein halbe Million mehr Menschen gibt, dann müssen wir alle und überall sparen.“
Ein positives Signal kommt von der tschechischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Deren Vorsitzender Vladimír Dvořák teilt mit, dass die Praxen auf die Aufnahme von 100.000 neuen Patientinnen gut vorbereitet seien.