„Ukrajina“: Abhilfe oder Anreiz zum Lohndumping?
Seit zwei Jahren läuft das Programm „Ukrajina“ der Regierung. Vordergründig soll es ukrainischen Arbeitern den Zugang zum tschechischen Arbeitsmarkt erleichtern. Die Wirtschaftskammer hat nun Bilanz gezogen, doch von anderer Seite gibt es Kritik. Mehr von Strahinja Bućan.
„Ohne Arbeiter aus dem Ausland könnte ich mir nicht vorstellen, dass wir in der heutigen Zeit konkurrenzfähig bleiben könnten. Die Industrie ist im Aufschwung und wir wollen keine Aufträge ablehnen müssen. Die 13 Ukrainer, die bei uns tätig sind, haben sich gut eingelebt. Sie haben bei uns gelernt und arbeiten gut.“
Alle 13 sind über das Programm „Ukrajina“ nach Tschechien gekommen. Bisher sind es mehr als 13.000 Ukrainer, die das Regierungsprojekt genutzt haben und hierzulande arbeiten. Sie genießen einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt, müssen nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages jedoch wieder gehen. Tschechien will mit der Maßnahme gegen den hiesigen Arbeitskräftemangel vorgehen, immerhin warten derzeit knapp 300.000 offene Stellen auf einen passenden Bewerber. Laut dem Vorsitzenden der Wirtschaftskammer, Vladimír Dlouhý, ist das Programm „Ukrajina“ in diesem Sinne ein Erfolg. Doch es gebe noch Luft nach oben:
„Das Programm Ukrajina ist nur eine kurzfristige Lösung für den Mangel an Arbeitskräften. Eine langfristige Lösung wäre die Erfüllung unserer Hausaufgaben. Und das bedeutet Reformen im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt sowie viele weitere Dinge.“Die Wirtschaftskammer hat Anfang dieser Woche Bilanz gezogen zum Programm „Ukrajina“. Man ist zufrieden, aber nicht nur weil man Löcher im Arbeitsmarkt stopfen kann. Die Ukrainer haben laut Dlouhý noch einen besonderen Mehrwert: Sie spülen Milliarden von Kronen in die Staats- und Rentenkasse, ohne jedoch davon etwas zurückzufordern:
„Wir können sagen, dass jeder Ukrainer in diesem Programm den tschechischen Rentner jeweils mit 440 Kronen im Jahr bezuschusst. Ukrajina hat also eine weitreichende Bedeutung für das Land. Die Menschen zahlen ins Rentensystem ein, machen üblicherweise aber keine Ansprüche geltend.“
Einerseits kommt viel Lob aus der Wirtschaft an dem Programm. Andererseits aber sind die Chefs dann doch nicht wirklich zufrieden. Viele bemängeln die immer noch hohen bürokratischen Hürden. So auch Robert Kuchar, er leitet ein Logistik-Unternehmen:„Das Programm nutzen wir in unserer Firma seit 2016. Bis ein gesuchter Arbeiter aus der Ukraine aber tatsächlich bei uns anfangen kann, dauert es sehr lange. Im Schnitt sind es sieben Monate.“
Wer die Begeisterung der Wirtschaft gar nicht teilen kann, sind die Gewerkschaften. Und sie haben auch berechtigte Gründe dafür. Josef Středula ist Vorsitzender des tschechischen Gewerkschaftsdachverbandes und erklärt, worum es geht:
„Es ist einfach nicht wahr, dass die Ukrainer das gleiche Geld für die gleiche Arbeit bekommen. Das behauptet die Wirtschaftskammer ja immer. Etwas Anderes sagen da die Zahlen des Statistikamtes: Tatsächlich geht es um einen Unterschied von mehreren Tausend Kronen.“Středula kann das auch mit einem konkreten Beispiel belegen. Denn Zeitungen und Internet sind voll von Stellenanzeigen, die direkt auf Arbeitnehmer aus der Ukraine abzielen:
„Unlängst hatte ich das Inserat einer großen IT-Firma in der Hand. Es suchte einen ukrainischen Netzverwalter. Das Lohnangebot lag bei 20.000 Kronen brutto, und das in Schichtarbeit.“
Umgerechnet sind das 780 Euro. Normalerweise liegt der Lohn für diese Position aber bei durchschnittlich 35.000 Kronen (1400 Euro) brutto im Monat.