Umbruch der tschechischen Fußball-Nationalmannschaft weiter holprig

Foto: ČTK / Luboš Pavlíček

In zehn Tagen beginnt in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft. Die tschechische Nationalmannschaft konnte sich nicht für das Turnier qualifizieren. Deshalb bereitet sie sich schon jetzt auf die Nations League der Uefa vor, die im Herbst ihre Premiere feiert. Bisher geschieht das mit mäßigem Erfolg, doch die stabilen Leistungen einiger Spieler machen Hoffnung für die Zukunft.

Karel Jarolím  (Foto: ČTK / David Šváb)
„Ich hoffe, dass meine Spieler auch um die Stammplätze im Team kämpfen werden.“

Diese Aussage machte Tschechiens Fußball-Nationaltrainer Karel Jarolím unmittelbar vor dem ersten von zwei Länderspielen, die er mit seiner Mannschaft dieser Tage in Österreich bestreitet. Die Vergleiche mit zwei WM-Teilnehmern sind die Höhepunkte eines Trainingslagers, das Jarolím dazu nutzt, um seine Auserwählten auf den neu geschaffenen Nationencup im Herbst dieses Jahres vorzubereiten. Die erste Begegnung, das Duell mit Australien, wurde am Freitag in St. Pölten ausgetragen. Das tschechische Team verlor deutlich mit 0:4, sehr zum Unmut von Trainer Jarolím:

„Für mich war das eine eiskalte Dusche. Dabei haben wir das Spiel ganz gut begonnen und hatten auch einige dicke Chancen, die wir aber nicht genutzt haben. In der zweiten Halbzeit haben wir dem Gegner die Tore quasi selbst aufgelegt. Mit dem zweiten Gegentor war das Spiel entschieden. Bis dahin sind wir ziemlich kompakt aufgetreten, doch danach war unser Spiel nur noch chaotisch.“

Karel Jarolím: „Für mich war das eine eiskalte Dusche. Mit dem zweiten Gegentor war das Spiel entschieden. Bis dahin sind wir ziemlich kompakt aufgetreten, doch danach war unser Spiel nur noch chaotisch.“

Und mit solch einem Abfall habe er wirklich nicht gerechnet, gestand Jarolím. Er habe gedacht, dass er bei der Formierung einer spielstarken Truppe schon weiter sei, doch dieses Spiel habe ihm die Augen geöffnet, ergänzte der enttäuschte Trainer.

Der neue Kapitän der Mannschaft, Vladimír Darida, sah hingegen nicht ganz so schwarz:

„Meiner Ansicht nach gibt das Ergebnis den Spielverlauf nicht annähernd wieder. Wir hatten viele Chancen und hätten getrost auch drei bis vier Tore erzielen können. Es ist schade, dass wir einfache Tore kassiert und im Angriff unsere Chancen nicht genutzt haben.“

Tschechien - Australien  (Foto: ČTK / Luboš Pavlíček)
Damit redete der 27-Jährige das Geschehen auf dem Platz aber auch etwas schön. Denn im Fußball heißt es nun mal: Chancen nutzen, Tore schießen und keine gravierenden Fehler machen. Nichts davon haben die Schützlinge von Jarolím an ihrem „schwarzen Freitag“ beherzigt. Das 0:4 war die höchste Niederlage eines tschechischen Teams. Zuletzt unterlag die tschechoslowakische Mannschaft vor 33 Jahren mit vier Toren Unterschied.

Solche und ähnliche Vorstellungen haben letztlich dazu geführt, dass die tschechische Auswahl das dritte WM-Turnier in Folge verpasst hat. Dennoch will Trainer Jarolím den Weg konsequent fortsetzen, auf den er sich nach der EM 2014 begeben hat. Er will den Umbruch meistern, den er damals begonnen hat, und die Mannschaft für die kommenden Aufgaben rüsten.

Vladimír Darida  (rechts). Foto: ČTK / Luboš Pavlíček
Eine der Stützen des neuen Teams soll Vladimír Darida sein, Mittelfeldspieler beim deutschen Bundesligisten Hertha BSC. Der gebürtige Pilsener spielt schon seit fünf Jahren in der Bundesliga und hat sich seit seiner Zeit in Freiburg inzwischen zu einem der laufstärksten Spieler der Liga entwickelt. Seine starke letzte Saison bei den Berlinern hat ihm schließlich auch die Auszeichnung „Tschechischer Fußballer des Jahres 2017“ eingebracht. Nun will er auch im Nationalteam dafür Sorge tragen, dass es wieder aufwärts geht. Zum Trainingslager sagte er:

„Ich denke, es ist für uns eine Abwechslung, auch wenn der Termin für einige Spieler etwas undankbar ist. Bei einigen endete die Liga recht früh, andere werden nur einen verkürzten Urlaub haben. Aber wir wissen, weshalb wir hier sind: Es ist der letzte Trainingstermin vor dem Beginn des Nationencups.“

Pavel Kadeřábek  (Foto: Ralf Roletschek,  CC BY-SA 3.0)
Der Test gegen Australien ging zwar gründlich schief, doch schon am Mittwoch haben die Männer um Kapitän Darida die Chance auf Wiedergutmachung. Dann treffen sie nämlich in Schwechat auf WM-Teilnehmer Nigeria.

Vielleicht wurde die tschechische Mannschaft aber auch deswegen unter Wert geschlagen, weil einige ihrer Leistungsträger verletzungsbedingt fehlten. Dazu gehören zweifellos zwei weitere Bundesligaprofis: die Außenverteidiger Pavel Kadeřábek und Theodor Gebre Selassie, die in Hoffenheim beziehungsweise Bremen unter Vertrag stehen. Von diesem Duo kann vor allem Kadeřábek auf eine exzellente Saison zurückblicken. Im Team der TSG 1899 Hoffenheim kam der 26-Jährige regelmäßig zum Einsatz, er schoss zwei Tore und bereitete drei weitere vor. Das Schönste für ihn aber ist: Mit dem Erreichen des dritten Platzes in der Bundesliga haben sich die Kraichgauer direkt für die Champions League qualifiziert.

„Im Club herrscht eine Rieseneuphorie, sowohl in der Mannschaft und im Trainerstab als auch unter den Verantwortlichen und den Fans. Unseren Erfolg wollen wir jetzt auch ausgiebig genießen“, sagte Kadeřábek unmittelbar nach dem letzten Bundesliga-Spieltag Mitte Mai in einem Interview für die Agentur SportInvest.

Pavel Kadeřábek: „Champions League in Hoffenheim, das hört sich wirklich gut an. In der vergangenen Saison standen wir schon dicht davor, doch in der Qualifikation sind wir mit dem FC Liverpool auf einen äußerst starken Gegner getroffen.“

Mit dem Erfolg steigt auch ebenso die Aufmerksamkeit in der Fußballbranche. Kadeřábek hat in Hoffenheim zwar noch einen Vertrag bis 2021, Zeitungsberichten zufolge haben aber auch die italienischen Top-Vereine Juventus Turin und Inter Mailand sowie der englische Ex-Champion Leicester City Interesse an einer Verpflichtung des gebürtigen Pragers. Er selbst sieht es so:

„Das Interesse an meiner Person kann ich nicht völlig ausblenden. Man merkt schon, wenn über einen gesprochen und geschrieben wird. Doch ich habe schon vorher gesagt, dass ich mich in der Saison ganz auf meine Aufgabe in Hoffenheim konzentriere und mit dem Team versuchen werde, eine gute Platzierung zu erreichen. Das ist uns gelungen, und nun gehe ich erst einmal in den Urlaub. Danach wird man sehen, welche Angebote es möglicherweise gibt. Von daher kann ich weder sagen, dass ich in Hoffenheim bleibe noch ob ich zu einem anderen Verein wechsle.“

Jiří Pavlenka  (Foto: ČTK / David Šváb)
Sollte Kadeřábek aber in Hoffenheim bleiben, dann würde er erstmals auch in der europäischen Champions League spielen. Das war ihm mit seinem ehemaligen Verein Sparta Prag verwehrt geblieben. Entsprechend groß ist die Vorfreude beim tschechischen Nationalspieler:

„Champions League in Hoffenheim, das hört sich wirklich gut an. In der vergangenen Saison standen wir schon dicht davor, doch in der Qualifikation sind wir mit dem FC Liverpool auf einen äußerst starken Gegner getroffen. Liverpool gelangte schließlich bis ins Finale. Wir aber haben nun bewiesen, dass unsere Europa-League-Teilnahme im Vorjahr kein Zufall war.“

Wie Kadeřábek hat noch ein weiterer Tscheche eine Top-Saison in der Bundesliga hingelegt: Torwart Jiří Pavlenka, der in Bremen spielt. In der Hansestadt ist er mit großem Vorsprung zum besten Fußballspieler der Saison bei Werder gewählt worden. Der Sieg in der Fan-Umfrage freut ihn umso mehr, da er bei seinem Wechsel an die Weser vor einem Jahr noch kein großes Vertrauen unter den Anhängern genoss. In der abgelaufenen Bundesliga-Saison aber hat Pavlenka seinen Kasten achtmal sauber gehalten. Er war damit einer der Garanten für den vorzeitigen Klassenerhalt der Werderaner. Und der 26-Jährige will weiter für Bremen spielen, obwohl er nach seiner bisher besten Saison nun auch mehrere Angebote von anderen Clubs erhalten hat. Er wolle seine Leistungen in der nächsten Saison bestätigen, nannte Pavlenka nur ein Motiv für sein Bleiben.

Jiří Pavlenka: „Das ist kein Ferienlager. Jeder muss dem Trainer vielmehr zeigen, dass er befähigt ist, für das Team in der Nations League zu spielen.“

Gekommen, um zu bleiben, ist der Bremer Torwart auch in der Nationalmannschaft. Sie absolviert dieser Tage das besagte Trainingslager im österreichischen Laa an der Thaya, unweit der Grenze zu Tschechien. Und Pavlenka wusste von Anfang an, was ihn dort erwartet:

„Das ist kein Ferienlager. Jeder muss dem Trainer vielmehr zeigen, dass er befähigt ist, für das Team in der Nations League zu spielen.“

Tomáš Koubek  (Foto: ČTK / David Šváb)
Genau mit dieser Einstellung will sich der Bremer Profi nun für die Torwartposition im Nationalteam empfehlen. Nach der eher schwachen Vorstellung von Tomáš Koubek beim 0:4 gegen Australien bekommt Pavlenka womöglich schon am Mittwoch seine Einsatzchance, wenn die tschechische Mannschaft auf Nigeria trifft. Die Afrikaner sind auch bei der WM in Russland dabei und somit ein echter Prüfstein für das sich neu formierende tschechische Team. Bis dahin wollen die Nationalspieler das Trainingscamp noch nutzen, um für die nächsten großen Aufgaben bestens gewappnet zu sein. Ein weiterer junger Hoffnungsträger ist Jakub Jankto, der beim italienischen Erstligisten Udinese Calcio unter Vertrag steht:

„Wir können uns hier miteinander einspielen und ebenso besser kennenlernen. Hier lässt sich ein echtes Team zusammenschweißen, auch wenn ich sagen muss, dass die Stimmung in der Truppe bereits sehr gut ist. Ich bin ich auch gern hierhergekommen, denn der Teamgeist ist im Nationalteam ungleich besser als der in Udine.“

Autor: Lothar Martin
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