Umsturz in Syrien: Tschechiens Außenminister rät zu Vorsicht – Botschaftsmitarbeiter abgezogen
Nach dem Sturz der Assad-Regierung in Syrien befasst man sich auch in Prag mit der Lage in dem Nahost-Land. Denn Tschechien ist einer der wenigen westlichen Staaten, der in Damaskus eine Botschaft unterhält.
Wegen der Lage in Syrien kam am Sonntag der tschechische Sicherheitsrat zusammen. Es ging um die Frage, was nach dem Einmarsch der islamistischen Kämpfer in die Hauptstadt Damaskus und der Flucht von Machthaber Baschar al-Assad für die tschechische Botschaft und die tschechischen Bürger in dem Nahost-Land folgt und wie die Situation einzuschätzen ist. Außenminister Jan Lipavský (parteilos) trat nach der Sitzung vor die Mikrofone und sagte unter anderem:
„Das Regime von Assad hat sich auf die Unterstützung durch Russland und den Iran verlassen. Jetzt sehen wir, dass sich das als schlechte Strategie erwiesen hat. Die Aufständischen, die das Regime gestürzt haben, bewerten wir wegen ihrer Vergangenheit nur mit Vorsicht. Sicher wird die Zusammensetzung der geplanten Übergangsregierung weitere Erklärungen liefern.“
Denn es sind Kämpfer der islamistischen Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS), die jetzt kurz vor der Machtübernahme in Damaskus stehen. Sie haben vor rund zwei Wochen ihren Vormarsch vom Norden und Süden des Landes in Richtung der Hauptstadt begonnen.
„Es gilt weiter, dass die islamistische HTS von der EU und der Uno als Terrororganisation eingestuft wird. Die tschechische Regierung hat keinen Kontakt zu der Gruppe und plant dies in diesem Moment auch nicht“, so Lipavský.
Allerdings unterhält Prag eine der wenigen westlichen Botschaften in Damaskus. Die tschechischen diplomatischen Vertreter und Beschäftigten sind jedoch in großer Eile in Sicherheit gebracht worden. Sie befinden sich nun im Libanon. Petr Hladík leitet die Abteilung Naher Osten und Nordafrika am Außenministerium und schilderte am Montagmorgen die Umstände der Evakuierung:
„Der Abzug erfolgte in zwei Wellen am Samstag und Sonntag unter relativ dramatischen Umständen – und das nicht nur wegen der Plünderungen in Damaskus und der Lage dort, sondern auch wegen des Wegs in den Libanon und der Situation am Grenzübergang. In diesem Zusammenhang muss ich den Schnellen Reaktionskräften der tschechischen Polizei großen Dank aussprechen. Sie sind dauerhaft sowohl in der Botschaft in Damaskus, als auch in Beirut für die Sicherheit zuständig. Sie haben den Abzug organisiert und absolut professionell durchgeführt.“
Die Ortskräfte seien indes an der Botschaft in Damaskus geblieben, fügte Hladík an.
Die kommunistische Tschechoslowakei unterhielt früher gute Beziehungen zu Syrien. Relativ gute Kontakte zur Regierung Assad bestanden selbst nach der Gründung des eigenständigen tschechischen Staates. Deswegen wurde nach Ausbruch des Bürgerkriegs in dem Nahost-Land auch die Botschaft nicht geschlossen. Schließlich blieben die tschechischen Diplomaten als einzige aus der EU in Damaskus. Zunächst übernahmen sie die Betreuung von US-Bürgern in Syrien, dann auch die aller EU-Bürger. Ab 2016 koordinierten sie die humanitäre Hilfe aus der Europäischen Union. Und jetzt?
„Wir fungieren immer noch als Schutzmacht der USA in Syrien. Das heißt, dass sich weiter US-Bürger an uns wenden. Wir haben aber nicht nur ihnen konsularische Hilfe zukommen lassen, sondern auch allen EU-Bürgern. Jetzt werden wir zum Beispiel mit der italienischen Botschaft zusammenarbeiten“, schildert Hladík.
Italien hat seit diesem Sommer wieder einen Botschafter in Damaskus. Prag und Rom wollen den Worten nach nun kooperieren, um eventuell EU-Bürger zu evakuieren. Auch zahlreiche Menschen mit tschechischer Staatsbürgerschaft leben in Syrien…
„Wir wissen von mehreren Hundert tschechischen Bürgern, die langfristig in Syrien sind. Vor allem handelt es sich um Frauen, die dorthin eingeheiratet haben und seit mehreren Jahrzehnten dort leben. Wir haben einige Bitten um Evakuierung erhalten“, so der Abteilungsleiter.
Derzeit sei es jedoch schwierig, Menschen auszufliegen, informierte das Außenministerium in einer Stellungnahme. Das Ressort empfiehlt aber Tschechen, Syrien zu verlassen, und warnt vor Reisen in das Land.