Unternehmen fordern praxisnähere Ausbildung
Für viele Unternehmen in Tschechien wird es von Tag zu Tag schwieriger, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht vor allem in technischen Berufen ein wachsender Fachkräftemangel. Die Schulabgänger bringen oft nicht die notwendigen Praxiskenntnisse mit, weil die Berufsausbildung nur selten in Unternehmen stattfindet. Deshalb hat die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) die Ausbildung von Fachkräften zu ihrem Thema des Jahres 2012 gemacht und einen offenen Brief an die tschechische Regierung gerichtet. Radio Prag hat mit dem geschäftsführenden Vorstandsmitglied der DTIHK, Bernard Bauer, über die Initiative gesprochen.
„Wir wollen die Interessen unserer Mitgliedsunternehmen gegenüber der Politik hier vertreten und wir sprechen ganz konkret ein wichtiges Thema an, das allen sehr am Herzen liegt. Das ist die Ausbildungssituation in Tschechien im gewerblich-technischen Bereich. Wir sprechen nicht über die Hochschulausbildung, sondern über die berufliche Ausbildung im technisch-gewerblichen Bereich, die – wie wir von den Unternehmen hören – nicht mehr adäquat und nicht mehr zeitgerecht ist. Denn die Ausbildung orientiert sich nicht am Bedarf der Industrie hier in Tschechien.“
Was sind die größten Probleme in diesem Bereich? Wo genau reagiert man nicht auf den Bedarf?„Die technisch-gewerbliche Ausbildung ist zu theoretisch orientiert. Es gibt zu wenig Praxisanteil in der Ausbildung. Und gerade bei technischen Berufen ist es umso wichtiger, dass die jungen Leute mit der Technik in Berührung kommen. Und das geht nur, indem sie eben eine kombinierte Ausbildung haben, die zum einen Theorie, zum anderen aber auch Praxis im Unternehmen vermittelt. Und dieser Praxisanteil ist in der Ausbildung viel zu gering.“
Was schlagen Sei als konkrete Lösung vor? Was erwarten Sie als Reaktion auf Ihren offenen Brief?
„Wir sind schon sehr lange im Gespräch mit der Regierung, mit den einzelnen Ministerien, mit den wichtigsten Industrieverbänden. Schon seit fünf Jahren engagieren wir uns da sehr aktiv. Wir erhoffen uns, dass die Regierung zumindest die Petition der Industrie wahrnimmt und Möglichkeiten schafft, dass es eine engere Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den Berufsschulen gibt. Diese Kooperation ist noch nicht ausgereift in Tschechien. Die Unternehmen würden sich sehr wünschen, viel enger mit den Berufsschulen zusammenzuarbeiten. Und was wir uns auch erhoffen, ist natürlich, dass die Berufsschulen bedarfsgerechter ausbilden: Nämlich das, was die Industrie braucht. Man braucht natürlich immer noch Elektriker und Schweißer, aber Sie wissen, dass sich die Industrie in den letzten zwanzig Jahren weiterentwickelt hat. Die Maschinenanlagen, die heute eingesetzt werden, sind hochkompliziert und schwierig zu bedienen, und da brauchen Sie heute eine andere Ausbildung als die eines reinen Elektrikers. Also hier sind Dinge gefragt wie Mechatronik, es ist eine Ausbildung zum Industriemeister gefragt, und das wird leider nicht angeboten. Das ist das Problem.“
Die Ausbildung von technischen Fachkräften ist nun das Thema des Jahres der DTIHK. Was haben Sie in diesem Bereich bereits unternommen, nicht nur in diesem Jahr sondern auch in den vergangenen Jahren?„Also in den vergangenen Jahren hat sich die Kammer schon sehr intensiv mit einer praxisbezogenen Ausbildung beschäftigt. Wir haben vierzehn Jahre lang eine praxisnahe Ausbildung im kaufmännischen Bereich hier in Tschechien angeboten, auch eine Verzahnung von Theorie und Praxis nach dem dualen Prinzip in Deutschland. Die duale berufliche Ausbildung bedeutet fünfzig Prozent Theorie und fünfzig Prozent Praxisanteil in der Ausbildung. Wir haben 400 junge Tschechen ausgebildet, die heute zum Teil auch in Führungspositionen in größeren deutschen Unternehmen sitzen. Das zeigt also, dass man auch mit solch einer dualen oder praxisbezogenen Ausbildung Karriere in den Unternehmen machen kann und dass ein Hochschulstudium nicht immer unbedingt nötig ist. Mit dem Thema des Jahres bieten wir das ganze Jahr über Veranstaltungen an. Damit möchten wir den Dialog zwischen der Politik und den Unternehmern sowie auch den Schulen und den Bildungseinrichtungen fördern. Wir möchten Kommunikation zwischen den Parteien schaffen. Hoffentlich erreichen wir damit, dass es da ein bisschen Bewegung gibt.“