Unwillen und Sicherheitsbedenken: Tschechien entzieht sich den Flüchtlingsquoten
Stößt Tschechien die EU vor den Kopf? Das könnte man meinen bei der jüngsten Entscheidung der Regierung in Prag zu den europäischen Flüchtlingsquoten. Man wolle bis zum Ende des Programms im September keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, hieß es von der Mitte-Links-Koalition am Montag.
„Die Regierung hat auf Antrag des Innenministeriums für eine Aussetzung des EU-Systems zur Flüchtlings-Umverteilung gestimmt. Und das aufgrund der schlechteren Sicherheitslage und weil das Umverteilungssystem schlicht nicht funktioniert. Tschechien wird bis September, wenn das Quotensystem offiziell ausläuft, in diesem Bereich nicht mehr aktiv sein.“
Insgesamt sollte Tschechien fast 2700 Flüchtlinge aus Lagern in Italien und Griechenland aufnehmen. Darauf hatte man sich in der EU ursprünglich geeinigt. Bisher sind jedoch nur zwölf Menschen hier angekommen. Der Rest war teils vor Abflug nicht mehr auffindbar, oder aber eine Sicherheitsüberprüfung des Innenministeriums machte die Aufnahme im konkreten Fall unmöglich. Gerade wegen der Sicherheitsbedenken scheint Tschechien jedoch endgültig den Willen zur Aufnahme von Flüchtlingen verloren zu haben. Und das vor allem nach den zahlreichen Terroranschlägen der letzten Zeit in Westeuropa.
So sehr man sich sonst in den Haaren liegt im Abgeordnetenhaus in Prag, bei der Flüchtlingsfrage scheint zwischen Regierung und Opposition Einigkeit zu herrschen. Kritik kommt nicht an der Sache selbst, sondern lediglich am Modus. So wittert der parteilose Jiří Pospišil, der für die konservative Top 09 im Europaparlament sitzt, hinter der resoluten Entscheidung der Regierung etwas andere Gründe:„Der Innenminister handelt im Lichte der anstehenden Wahlen. Er sollte lieber in Brüssel gegen die Quoten kämpfen. Seine Aussagen scheinen ansonsten nur an seine Wählerklientel gerichtet zu sein.“
Anders als die Politik ist die Zivilgesellschaft wenig begeistert vom Vorstoß der Koalition. Magda Faltová arbeitet beim Verein für Integration und Migration. Sie glaubt Innenminister Chovanec kein Wort:
„Auf die Auswahlverfahren des Innenministeriums hatten die Flüchtlingsquoten allgemein keinen Einfluss. Denn diese Auswahlverfahren hatte es sowieso nie gegeben. Jetzt hat die Regierung dies auch zugegeben.“Dem stimmt in gewisser Weise auch Luděk Niedermayer zu, der Europaparlamentarier für die Top 09 ist:
„Tatsächlich liegt der Ball bei der tschechischen Regierung, wenn es darum geht, geeignete Flüchtlinge für eine Umverteilung nach Tschechien zu finden. In Griechenland und Italien sitzen Zehntausende fest, und da ist es unglaubwürdig, wenn man keine paar Dutzend Flüchtlinge findet, die den Sicherheitsauflagen entsprechen. Diese könnte man durchaus aufnehmen und so die Vorgaben der EU erfüllen.“
Die Regierung in Prag pokert hoch mit ihrer nun offiziellen Ablehnung der Flüchtlingsquoten. Die maltesische EU-Ratspräsidentschaft hat bereits angekündigt, dies als Vertragsbruch zu ahnden. Dadurch drohen Tschechien nun ein Verfahren und gegebenenfalls handfeste Konsequenzen. Innenminister Chovanec lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken:„Das Innenministerium wurde damit beauftragt, in dieser Sache mit den europäischen Institutionen zu kommunizieren. Das Innenministerium wurde zudem dazu bestimmt, sich einem Vertragsverletzungsverfahren entgegenzustellen, das von Seiten der EU-Kommission zu erwarten ist.“