Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beschleunigt Deregulierung der Mietpreise in Tschechien
Dem tschechischen Wohnungsmarkt stehen bewegte Zeiten bevor. Wie die tschechische Presse am Mittwoch berichtete, haben sich Regierung und Opposition auf ein gemeinsames Modell zur Deregulierung der Mietpreise geeinigt. Dass ausgerechnet jetzt ein Einvernehmen in dieser seit langem diskutierten Frage in Sicht zu sein scheint, ist alles andere als Zufall. Silja Schultheis berichtet.
"Die Situation in Tschechien ist sogar schlimmer als in Polen, denn die Höhe der regulierten Mieten hier ist noch niedriger als sie in Polen bislang war. Dem Europäischen Gerichtshof liegt bereits eine Reihe von Klagen unserer Mitglieder vor. Um deren Bearbeitung zu beschleunigen, wollen wir jetzt eine Sammelklage einreichen."
Dabei berufen sich die tschechischen Vermieter auf einen Entscheid des tschechischen Verfassungsgerichts vom November 2002. Darin war die staatliche Bemessensgrundlage für regulierte Wohnmieten für verfassungswidrig erklärt worden. Das Kabinett reagierte auf das Urteil mit der Einfrierung der Mietpreise und stellte einen Gesetzentwurf für ein neues Mietengesetzes in Aussicht. Dieser soll jetzt - nach über zwei Jahren - binnen zwei Wochen vorgelegt werden. Unklar ist bislang vor allem, wie schnell und in welchem Maße die regulierten Mietpreise frei gegeben werden sollen. Über die Erwartungen der Vermieter an das neue Gesetz sagt Tomislav Simecek:
Das neue Gesetz muss eine augenblickliche Erhöhung der Mieten festlegen, die es den Vermietern ermöglicht, wenigstens die laufenden Ausgaben für die Wohnungen durch die Mieteinnahmen zu begleichen. Bislang mussten die Vermieter dafür aus eigener Tasche draufzahlen. Danach sollte dann eine Übergangszeit einsetzen, während derer sich die regulierten Mieten allmählich den Marktpreisen annähern.
Diese Annäherung würde nach einer Studie der Gesellschaft Patria so aussehen, dass infolge einer Deregulierung der Mietpreise die gegenwärtigen Marktmieten für private Mietwohnungen um durchschnittlich 30 Prozent sinken und die bislang regulierten Mieten staatlicher Wohnungen um ca.160 Prozent steigen würden. An einem konkreten Beispiel veranschaulicht: Eine 70 Quadratmeter große private Mietwohnung in Prag würde in Zukunft monatlich statt umgerechnet rund 320 Euro nur noch 247 Euro Miete kosten. Eine gleichgroße Wohnung, die sich in Gemeindebesitz befindet, kostet gegenwärtig - dank Mietpreisregulierung - nur um die 80 Euro. Im Zuge einer Deregulierung der Mietpreise würde diese Miete auf das Dreifache ansteigen. Die gegenwärtige Gesetzeslage beschert rund einem Fünftel aller tschechischen Mieter Wohnungsmieten, die deutlich unter den Marktpreisen liegen. Mieter privater Wohnungen hingegen haben das Nachsehen und zahlen um ein Vielfaches höhere Mieten.