„US-State of Böhmerwald“ und andere unverwirklichte Projekte – Landesausstellung in Krumau (II)

Foto: Martina Schneibergová

Unter dem Motto „Alte Spuren, neue Wege“ läuft noch bis Anfang November die Landesausstellung von Oberösterreich und Südböhmen. Sie wird an vier Orten präsentiert. In Südböhmen findet sie in der Zisterzienserabtei Vyšší Brod / Hohenfurth und in Český Krumlov / Krumau statt. Vor zwei Wochen haben wir Sie in den Teil der Landesausstellung geführt, der im Regionalmuseum in Krumau zu sehen ist. Sie trägt den Titel „Was wäre, wenn“ und zeigt unverwirklichte Projekte aus dem tschechisch-österreichischen Grenzraum. Einige dieser kuriosen Vorhaben haben wir Ihnen bereits vorgestellt und dabei versprochen, die Führung durch die Landesausstellung fortzusetzen. In der folgenden Ausgabe der Sendereihe „Reiseland Tschechien“ nun der zweite Teil des Gesprächs mit dem Kurator der Ausstellung in Krumau, Ivan Slavík.

Foto: Martina Schneibergová
Herr Slavík, in der Ausstellung lässt sich auch eine Kopie des Briefes finden, mit der sich damals die Bewohner des Böhmerwaldes an US-Präsident Harry Truman gewandt haben. Die Bewohner baten darum, den Wald an die Vereinigten Staaten anzugliedern. Das klingt eher komisch, aber entspricht das der Realität?

„Das ist eine interessante Geschichte. Wir wissen, dass die Amerikaner am 8. Mai 1945 nach Krumlov gekommen sind und die Stadt befreit haben. Der Brief aber wurde erst am 12. Juni in das Weiße Haus nach Washington geschickt. In diesem Brief bitten die deutschstämmigen Krumauer den US-Präsidenten Truman darum, den Böhmerwald unter seine Obhut zu nehmen und aus ihm einen neuen Staat der USA zu bilden. Das hätte dann einen weiteren Stern auf der blauweißroten US-Flagge bedeutet, für den sogenannten ´State of Böhmerwald´.“

Gab es eine amerikanische Reaktion auf den Brief, oder ist er verloren gegangen?

„Es existiert ein Durchschlag dieses Briefes, und höchstwahrscheinlich wurde das Schreiben auch abgeschickt. Ob der Brief letztlich im Weißen Haus angekommen ist, das wissen wir nicht. Damit fehlen uns auch Informationen über eine Reaktion auf den Brief.“

Ivan Slavík  (Foto: Martina Schneibergová)
Es gibt ja auch einige nicht-verwirklichte architektonische Projekte. Über eines davon kann man wirklich froh sein, dass es nicht umgesetzt worden ist...

„Als Beispiel der vielen unrealisierten architektonischen Projekte zeigen wir das berühmte Kloster Vyšší Brod / Hohenfurth. Es gilt heutzutage als Perle sakraler Gotik in Böhmen. Mit dem Kloster ist aber auch eine eher unbekannte Geschichte verbunden: Der vorletzte deutsche Abt dort, Bruno Pammer, wollte die gesamte Anlage im Jugendstil umbauen lassen. Die Pläne dafür waren bereits vorhanden, unterzeichnet und somit genehmigt. In diesem Einzelfall bin ich froh, dass der Erste Weltkrieg dazwischenkam. Die Pläne wurden nicht realisiert, denn das hätte Ende dieses wunderbaren Klosters und der gotischen Anlage bedeutet.“

Auch der Schriftsteller Adalbert Stifter hat Pläne für solche Projekte vorgelegt, die nicht realisiert wurden. Worum handelte es sich bei ihm?

Foto: Martina Schneibergová
„Abalbert Stifter ist unser Lieblingsthema - vielleicht deswegen, weil das Regionalmuseum Krumlov auch sein Geburtshaus verwaltet, das selbst ein Museum ist. Das Geburtshaus steht in Horní Planá/ Oberplan. Aus Stifters Biografie wissen wir um seine großen Pläne und Visionen. Einige davon konnte er verwirklichen, andere wiederum nicht. Er wollte beispielweise seinen historischen Roman Witiko um eine gesamte Rosenbergsche Trilogie ergänzen. Drei von den sechs geplanten Bänden waren bereits fertig gestellt. Dem wollte er noch einen umfangreichen Johannes-Keppler-Roman beifügen. Das hat er auch seinem Verleger, Gustav Heckenast aus Budapest, bestätigt, doch hat Stifter keine Zeile davon geschrieben. Auf den Schriftsteller bezieht sich noch ein unverwirklichtes Projekt: Heutzutage pilgern viele Stifter-Freunde und Interessierte zum Plöckensteiner See, an dem ein Stifter-Denkmal in Form eines Granitobelisken steht. Hinter dem Denkmal stand noch ein anderer Gedanke, aber das ist eher unbekannt. Am Platz des Denkmals sollten ursprünglich große Lettern direkt an der Wand angebracht werden. Sie sollten so groß sein, dass man sie von seinem Geburtsort aus sehen sollte.“

Sollten diese aus Gold sein?

Foto: Martina Schneibergová
„Nein, nur vergoldet. Das Material wäre in erster Linie Kupfer, Messing oder Bronze gewesen. Die Buchstaben sollten bis zu drei Meter groß sein, im Prinzip ist das wie der Hollywood-Schriftzug in Los Angeles.“

Adalbert Stifter ist noch mit einer anderen kuriosen Sache vertreten...

„Heutzutage kann man das wirklich als reine Kuriosität bezeichnen. Vor 25 Jahren war das aber noch ernst gemeint, denn das Regionalmuseum stand damals vor einem Dilemma. Die Stadtverwaltung wollte das Museum im Stifter-Haus in der damaligen Form nicht weiter führen. Man spielte mit dem Gedanken, sein Geburtshaus in ein Museum zu verwandeln, das dem sudentendeutschen Revanchismus gewidmet sein sollte. Das Stifter-Haus galt als Dorn im Auge der Lokalpolitiker. Der Satz, man solle das Haus in Oberplan auf einen Lkw verladen und nach Österreich transportieren, fiel öfter in Horní Planá. Diese kuriose Idee verdient einen Platz in unserer Ausstellung.“

Egon Schiele  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Ausstellung erinnert auch an den österreichischen Maler Egon Schiele, der mit Krumau eng verbunden ist...

„Egon Schiele gehört zu Krumau, er hat die Stadt gut gekannt, denn seine Mutter kam von dort. Schiele, der 1890 in Tulln bei Wien geboren wurde, verstarb bereits im Alter von 28 Jahren. Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges mietete er in Krumau ein kleines Gartenhaus. Er wollte viele Jahre in der Stadt leben und dort tätig sein. Das bestätigte der Künstler auf einem Zettel, den er in einem Wirtshaus einem Freund gab. Aus Schieles Biografie kennen wir den Ausgang seines Traumes. Nach nur wenigen Monaten wurde dem Maler empfohlen, die Stadt zu verlassen, weil seine Aktbilder, sein Benehmen und das seiner Wiener Künstlerfreunde dem Image Krumaus angeblich geschädigt haben. Inzwischen gehört Schiele zu den renommiertesten und teuersten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Aber zu seiner Zeit galt er hier als ein Sorgenkind.“

Zum Abschluss zeigen Sie Fotos zum Thema „Eiserner Vorhang“...

Foto: Martina Schneibergová
„Manchen Besuchern mag sich vielleicht der Sinn zunächst nicht erschließen. Aber der Eiserne Vorhang war letztlich begrenzt, also kein ewiges Hindernis. Wir haben das deswegen thematisiert, weil wir die Landesausstellung Südböhmen-Oberösterreich nicht hätten realisieren können, wäre der Eiserne Vorhang weiter bestanden. Und genau das ist das Symbolische hinter unserer Ausstellung.“

Die Landesausstellung im Regionalmuseum von Krumau ist noch bis zum 3. November zu sehen. Das Museum ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Die Eintrittskarte für die Landesausstellung gilt auch für die Besichtigung der übrigen Dauerausstellungen in der Stadt.