Usti nad Labem bedauert offiziell Nachkriegsmassaker an Deutschen

Petr Gandalovic (links) enthüllte die Gedenktafel für sudetendeutsche Opfer (Foto: CTK)
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60 Jahre nach Kriegsende hat die nordböhmische Stadt Usti nad Labem/Aussig am Sonntag erstmals offiziell das Massaker an deutschen Bewohnern der Stadt bedauert, zu dem es am 31. Juli 1945, gekommen war. Mehr dazu von Silja Schultheis:

Petr Gandalovic  (links) enthüllte die Gedenktafel für sudetendeutsche Opfer  (Foto: CTK)
Der Krieg war längst vorbei, als am 31. Juli 1945 in Usti nad Labem/Aussig ein Massaker an deutschen Bewohnern begann, dem mindestens 50 Menschen zum Opfer fielen. Viele Opfer wurden von der Edvard Benes Brücke in die Elbe geworfen, ihre Leichen später auf deutscher Seite geborgen. Die Täter wurden nie bestraft. Eben auf jener Edvard Benes Brücke enthüllte am Sonntag in Anwesenheit internationaler Politiker und Vertreter tschechisch-deutscher Organisationen der Aussiger Oberbürgermeister Petr Gandalovic eine Gedenktafel. Nicht die Ursache und Wirkung von Krieg und Nachkriegsereignissen solle dadurch relativiert, sondern die unnötigen Opfer gewürdigt werden.

Vor zehn Jahren wäre ein solcher Schritt, der von sudetendeutschen Verbänden in Deutschland und Österreich begrüßt wurde, bei der tschechischen Opposition jedoch auf Kritik stieß, nicht möglich gewesen, erinnert sich der Aussiger Historiker Dr. Vladimir Kaiser. Damals hätten extremistische Gruppierungen gedroht, einen Pietätsakt für sudetendeutsche Opfer zu stören. Die Mehrheit der Aussiger Bevölkerung hingegen war auch damals längst schon reif für einen solchen Schritt gewesen. Mit der vom tschechischen Kabinett geplanten humanitären Geste gegenüber sudetendeutschen Antifaschisten stehe er allerdings in keinerlei Zusammenhang, so Kaiser:

Pietätsakt für sudetendeutsche Opfer auf der Edvard Benes Brücke  (Foto: CTK)
"Die Bürger von Usti brauchen keine Versöhnung. Wir hatten schon früher, auch schon vor der Wende unter den Deutschen, auch den Sudetendeutschen sehr gute Freunde und Mitarbeiter und das brauchen wir nicht diese Versöhnungsakte."

Dass Versöhnung in Usti auch auf politischer Ebene alles andere als ein Fremdwort mehr ist, habe auch die Abstimmung des Stadtrates über die Errichtung der Gedenktafel gezeigt:

"Das waren zehn Stimmen dafür, keine dagegen."

Insbesondere die jüngere Generation hat nach Meinung des Historikers Vladimir Kaiser heute einen unbelasteten und durchaus pragmatischen Zugang zu den damaligen Ereignissen, der jenseits von symbolischen Gesten liegt: Entscheidend sei es, historische Ereignisse zu erforschen und publik zu machen. Dieses Ziel soll auch ein "Museum der Deutschen in Böhmen" verfolgen, das in Usti errichtet werden soll.

Vor allem aber sollten Ereignisse wie das Massaker in Aussig am 31. Juli 1945 ein ausdrücklicher Appell an die Zivilcourage jedes Einzelnen sein, betont der Historiker Vladimir Kaiser aus dem Stadtarchiv Usti nad Labem:

"Wenn es zu einer ähnlichen Politik, zu ähnlichen Ideologien kommt, die zu dieser Gewalt führten - und das ist z.B. Nationalsozialismus oder extremer Kommunismus oder andere Regime - dann müssen wir laut schreien dagegen."