Václav Havel erinnert sich gern an die private Begegnung mit Helmut Kohl

Helmut Kohl (Foto: ČTK)

Am vergangenen Samstag feierte Helmut Kohl seinen 80. Geburtstag. Kohl hat während seiner 16-jährigen Amtszeit als deutscher Bundeskanzler unter anderem entscheidend zum europäischen Einigungsprozess beigetragen. Den Grundstein für seine erfolgreiche Europa-Politik hat Kohl dabei mit einer Reihe von privaten Treffen gelegt. 1993 kam der damalige tschechische Präsident Václav Havel in die Pfalz. Diesen Besuch schilderte Havel kurz darauf in einem Rundfunkinterview.

Margaret Thatcher, Michail Gorbatschow, Francois Mitterand – all diese großen Politiker hat Helmut Kohl einst zu einem Privatbesuch in seiner Geburts- und Wohnstadt Ludwigshafen empfangen. Im Herbst 1993 wurde auch Václav Havel diese Ehre zuteil:

Helmut Kohl  (Foto: ČTK)
„Der Sinn dieser Treffen war, eine wirklich gute freundschaftliche Beziehung aufzubauen oder sie zu vertiefen. Während des Besuchs fand man zudem auch Zeit, um einmal ungestört über Dinge reden zu können, die nicht Gegenstand der offiziellen politischen Gespräche waren. Ich habe mich mehrmals davon überzeugen können, wie wichtig die persönlichen Beziehungen in der Politik sind. Waren diese Beziehungen sehr eng und gut, so wurde damit auch ein positives Klima geschaffen für die Lösung verschiedenster politischer Fragen“, sagte Václav Havel in einer Sendung des Tschechischen Rundfunks vom 17. Oktober 1993.

In dieser Sendung sprach Havel auch darüber, dass Kohl in seiner Wochenplanung sehr konsequent war: Von Montag bis Freitag machte er Politik in Bonn oder anderswo, das Wochenende verbrachte er in der Regel zu Hause in Ludwigshafen. Ein solches Wochenende hat Havel mit dem ehemaligen Bundeskanzler gemeinsam erlebt. Und Havel erinnerte sich gern daran:

„Unter dem Eindruck der Atmosphäre in der Heimat von Helmut Kohl ist mir auch sehr viel über den Kanzler selbst bewusst geworden. Im Dom von Speyer herrschte zum Beispiel eine Atmosphäre der deutschen Mythologie. Eine Atmosphäre, wie wir sie zum Beispiel von Richard Wagners Opern her kennen. Danach haben wir ein privates Weingut besucht. Im dortigen Weinkeller wurden wir mit verschiedensten Weinsorten und hausgemachten guten Pfälzer Räucherwaren verköstigt.“

Helmut Kohl und Václav Havel in Speyer  (1993).  (Foto: ČTK)
Im Rundfunkgespräch setzte Havel die Aufzählung der Orte noch fort, die er und Kohl außerdem besucht haben. Besonders angenehm sei aber der abschließende Teil des Besuches gewesen, zu dem ihn der Kanzler, seine Gattin und sein Sohn in ihrem Haus empfangen haben. Bei dieser Gelegenheit habe er auch noch eine ganz spezielle Seite von Helmut Kohl kennen gelernt, so Havel:

„Der Kanzler ist ein sehr großer Geschichts- und Literaturkenner. In seine politischen Betrachtungen und Visionen lässt er gern historische Begebenheiten, Reminiszenzen, persönliche Erfahrungen und Ähnliches einfließen. Das ist natürlich sehr interessant, heißt aber nicht, dass wir nicht auch über sehr empfindliche Themen der bilateralen Beziehungen unserer beiden Länder gesprochen haben. Meiner Meinung nach ist es wichtig, über solche Dinge auch einmal ganz informell und inoffiziell sprechen zu können.“

Während seines Besuchs in Ludwighafen und Umgebung hat Václav Havel also vor allem die ganz persönliche und sehr menschliche Seite des Altbundeskanzlers kennen und schätzen gelernt. Als man Havel vor knapp 17 Jahren im Rundfunk aber fragte, ob es für die Tschechische Republik gut sei, dass an der Spitze der deutschen Politik eine Persönlichkeit wie Helmut Kohl stehe, antwortete Havel dann wieder staatsmännisch:

„Kanzler Kohl ist eine bedeutende europäische Persönlichkeit in der Politik. Er ist nicht nur schon einige Jahre Bundeskanzler, sondern auch einer der stärksten Motoren im europäischen Einigungsprozess. Er ist der Mann, der sich in bedeutendem Maße um die Wiedervereinigung Deutschlands verdient gemacht hat. Er ist ein sehr erfahrener Politiker, den man schätzen muss.“