Vaclav Havel: Neuwahlen sind der einzige Weg

Ex-Präsident Vaclav Havel (Foto: CTK)

Seit mehr als dreieinhalb Jahren steht Vaclav Havel nicht mehr als Präsident an der Spitze des tschechischen Staates. Auch wenn er in Tschechien nicht nur geliebt wird: das Wort des ehemaligen Dissidenten hat noch immer Gewicht. Anlässlich seines bevorstehenden 70. Geburtstags am 5. Oktober strahlte das Tschechische Fernsehen am Wochenende ein langes Interview mit Vaclav Havel aus. Kurz vor der Vertrauensabstimmung über die ODS-Minderheitsregierung äußerte sich der Ex-Präsident auch zur aktuellen politischen Lage. Thomas Kirschner fasst die wichtigsten Punkte zusammen.

Ex-Präsident Vaclav Havel  (Foto: CTK)
Scharf in die Kritik ging Havel in der Fernsehsendung mit dem endlosen Tauziehen um die Regierungsbildung. 122 Tage werden seit den Wahlen vergangen sein, wenn sich die Regierung am 3. Oktober der Vertrauensabstimmung stellen und diese voraussichtlich nicht gewinnen wird. Schädlich wäre nun vor allem, wenn der gleiche Zyklus nochmals von vorne beginnen würde, so Havel:

"Es kann passieren, dass die Regierung das Vertrauen nicht erhält und dass man danach nicht lange nach politischen Lösungen sucht, sondern dass einfach ein neuer Premierminister ernannt wird, der danach wieder eine unbegrenzte Zeit hat, um eine Regierung zusammenzustellen, die ernannt wird, um dann wieder nicht das Vertrauen zu bekommen, und so weiter. Das würde den Eindruck von Instabilität hervorrufen und das Misstrauen gegenüber der Politik verstärken."

Vorgezogene Neuwahlen seien die einzige Lösung, um die Pattsituation im Abgeordnetenhaus zu durchbrechen, meint der Ex-Präsident. Havel warf den Parteien vor, dass sie es verpasst haben, sich auf eine Regierung zu einigen, die den Weg zu Wahlen ebnen kann:

"Es muss sich um eine Übergangsregierung handeln, und die sollte daher politisch neutraler sein, und nicht aus der gesamten ODS-Parteispitze bestehen. Unter der Führung von ODS-Chef Mirek Topolanek sollte sich die Regierung weniger exponieren, sondern das Land in Ruhe zu Wahlen führen. Eine Regierung wie wir sie jetzt haben, kann auch bei denjenigen Oppositionsabgeordneten Widerstand hervorrufen, die eine neutralere Regierung vielleicht dulden würden."

Mirek Topolanek  (Foto: CTK)
Langfristig wünscht sich Havel eine Reform und Neustrukturierung der tschechischen Verfassung. Mit einzelnen Zusätzen, wie sie derzeit vielerorts gefordert werden, sei es nicht getan:

"Natürlich kann man noch eine Verfassungsnovelle anhängen und es so einrichten, dass es einen Abgeordneten weniger gibt und eine Pattsituation künftig ausgeschlossen ist. Das ist natürlich möglich, aber je mehr Zusätze es gibt, umso undurchsichtiger wird die ganze Verfassung, umso weniger Leute verstehen sie und umso mehr Raum gibt es für die verschiedensten Weisen des Missbrauchs."

Dem derzeitigen Taktieren setzt Havel seine Vision entgegen, mit der er mehr Vertrauen in den Staat erreichen will:

"Die Verfassung sollte kurz, knapp und verständlich sein, so dass sie die Kinder sie in der Schule quasi auswendig lernen können, wie das in den USA der Fall ist."