Verlorenes Gedächtnis? Ausstellung zeigt Orte der NS-Zwangsarbeit in Tschechien

Ausstellung Verlorenes Gedächtnis (Foto: Markéta Kachlíková)

„Verlorenes Gedächtnis? Orte der NS-Zwangsarbeit in der Tschechischen Republik“ ist eine deutsch-tschechische Wanderausstellung. Sie zeigt die weniger bekannte Geschichte der NS-Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs in den böhmischen Ländern. Gestaltet wurde sie vom Prager Institut der Theresienstädter Initiative. Nach einer deutschen Premiere in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ist die Werkstattausstellung seit Mittwoch in der Technischen Bibliothek in Prag zu sehen. Radio Prag hat auf der Vernissage mit dem Historiker Alfons Adam gesprochen.

Ausstellung Verlorenes Gedächtnis  (Foto: Markéta Kachlíková)
Verlorenes Gedächtnis. Unter diesem Titel wird eine Ausstellung in der Technischen Bibliothek in Prag eröffnet. Was zeigt diese Ausstellung?

„Die Ausstellung zeigt ein Spektrum von achtzehn Orten in der Tschechischen Republik, die mit der NS-Zwangsarbeit verbunden sind. Beleuchtet werden Orte von Cheb / Eger im Westen bis Karviná / Karwin im Osten der Republik. Wir wollen die verschiedenen Formen der NS-Zwangsarbeit aufzeigen.“

Welche waren diese Formen?

Alfons Adam | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International
„Die verschiedenen Formen betrafen vor allem verschiedene Bevölkerungsgruppen. Vom tschechischen Normalbürger, der in der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkriegs zur Zwangsarbeit zu Hause gezwungen war und in der Kriegswirtschaft arbeiten musste, bis hin zu radikaleren Formen, wie der Verfolgung der Juden und Roma, oder der Deportation sogenannter ausländischer Zivilarbeiter aus ganz Europa für die Kriegsindustrie. Zu erwähnen ist auch der Einsatz von Kriegsgefangenen, ebenfalls in der Kriegsindustrie.“

Die Ausstellung zeigt achtzehn solcher Orte. Ist das nur eine Auswahl? Wieviele Orte der NS-Zwangsarbeit gab es insgesamt auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik?



Ausstellung Verlorenes Gedächtnis  (Foto: Markéta Kachlíková)
„Besonders in den Grenzgebieten gehe ich heute eigentlich nicht mehr davon aus, dass es einen Ort gab, in dem es keine NS-Zwangsarbeit gab. Wir haben auch Fälle in den kleinsten Dörfern. Wir haben das Beispiel eines Dorfes im Böhmerwald, das aus sechzehn Bauernhäusern bestand, in dem mindestens auf einem Bauernhof ein polnisches Ehepaar zur Zwangsarbeit eingesetzt war. Für das Gebiet des ehemaligen Protektorats ist es ein bisschen schwieriger zu definieren, was Zwangsarbeit war und was nicht. Da eine allgemeine Arbeitspflicht für Tschechen auf dem Gebiet des Protektorates bestand, kann man eigentlich auch für das Gebiet des Protektorats nicht von konkreten Orten sprechen, in denen es keine Zwangsarbeit gab.“

Welche Form hat die Ausstellung, wie werden die Orte präsentiert?

„Wir haben im Prinzip vier Elemente auf jeder Ausstellungstafel. Wir stellen kurz die Geschichte des Ortes vor, weil sehr viele Orte der breiten Bevölkerung unbekannt sind. Dann beschreiben wir die Formen der NS-Zwangsarbeit, die sich an diesem Ort abspielten, etwas genauer. Ausgehend davon versuchen wir diese Geschichte mit einer Person oder einem Opfer zu illustrieren und beschreiben anhand einer Biographie deren Erlebnisse während der Kriegsjahre. Das letzte Element der Ausstellungstafel sind die Formen der Erinnerung zu dem Thema NS-Zwangsarbeit an diesem jeweiligen Ort.“

Ausstellung Verlorenes Gedächtnis  (Foto: Markéta Kachlíková)
Sind einige der Personen, deren Schicksal Sie schildern, noch am Leben?

„Mir ist nur ein Fall bekannt. Die Frau stammt aus Barcelona, heißt Catalanius und ist Jahrgang 1915. Also feiert sie in diesem Jahr ihren 101. Geburtstag.“

Die Ausstellung hat neben den Tafeln auch Begleitmaterial in Form von Audio- oder Videoaufnahmen…



Die Ausstellung „Verlorenes Gedächtnis? Orte der NS-Zwangsarbeit in der Tschechischen Republik“ ist täglich von 9 und morgens bis 2 Uhr nachts geöffnet. Sie ist in der Technischen Bibliothek in Prag (Prag 6, Technická 2710/6) bis zum 15. Mai zu sehen.

„Im ersten Moment sieht die Ausstellung sehr einfach aus, ein bisschen wie aus einem Ikea-Katalog. Aber sie ist trotzdem intelligent konzipiert. Auf jeder Schautafel gibt es einen QR-Code, durch den man mit einem Mobiltelefon auf eine Webseite geleitet wird. Die Webseite ist www.ztracena-pamet.cz. Man kann sie auch unabhängig von der Ausstellung besuchen und bekommt dort einen Auszug aus einem Zeitzeugen-Interview. Wir haben diese Interviews teilweise als Videos, teilweise als Audioaufnahmen. Die Webseite ist deutsch-tschechisch, bei den ausländischen Zwangsarbeitern haben wir die Videos jeweils auf Deutsch oder auf Tschechisch untertitelt.“