Vertrag mit der Sowjetunion 1970 – Husák inszeniert die Normalisierung

Leonid Iljitsch Breschnew und Gustav Husák

Anfang Mai 1970 kommt der sowjetische Staats- und Parteichef Breschnew nach Prag: Genau ein Vierteljahrhundert nach Kriegsende wird offiziell die Befreiung von Hitlers Truppen gefeiert und ein Staatsvertrag zwischen der ČSSR und der UdSSR unterschrieben. Doch die eigentliche Bedeutung ist die Machtdemonstration Moskaus und der neuen tschechoslowakischen Führung unter Husák.

Flughafen Ruzyně, Prag, 5. Mai 1970: Der tschechoslowakische KP-Generalsekretär Gustáv Husák begrüßt Breschnew und die Delegation aus Moskau:

„Unser Volk hat die Nachricht vom Eintreffen einer solch hoch gestellten Parteidelegation mit großer Freude aufgenommen, die umso größer ist, da in diesen Tagen die Feiern zum 25. Jahrestag der Befreiung unserer Völker durch die heldenhafte sowjetische Armee ihren Höhepunkt finden.“

„Ať žije rudá armáda“ – „Es lebe die Rote Armee“. So lautete der Ruf der Jubeltrupps. Manchmal waren es Schüler, häufig aber auch Arbeiter vom Lande, denen die Busfahrt in die Hauptstadt mit Mangelwaren wie Bananen oder Orangen schmackhaft gemacht wurde. Sie jedenfalls mimten das Volk, in dessen Namen Husák zu sprechen vorgab. Für viele Tschechen und Slowaken muss die Rede des Parteichefs indes unerträglich gewesen sein. Der weitere Wortlaut:

Soldaten der Roten Armee
„In der nahen Vergangenheit haben reaktionäre, anti-sozialistische und rechtsgerichtete Kräfte versucht, die sozialistische Ordnung in der Tschechoslowakei umzustürzen, die Macht der Arbeiterklasse und des arbeitenden Volkes zu bedrohen und die Tschechoslowakei aus der Familie der sozialistischen Staaten zu entführen. Die internationale Hilfe durch die Sowjetunion und andere befreundete sozialistische Staaten hat den gesunden Kräften in unserer Partei und in unserem Land geholfen, diese Gefahr zu bannen.“

Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968
Mit „Umsturzversuch“ meint Husák natürlich nichts anderes als den Prager Frühling und mit „internationaler Hilfe“ die Niederschlagung dieser Reformbewegung durch den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968. Die Worte des KP-Generalsekretärs sollen die neue Richtung demonstrieren – die so genannte „Normalisierung“, also die uneingeschränkte Zustimmung zu allem, was Moskau vorgibt.

In Blei gegossen wird diese politische Richtung durch einen neuen Vertrag mit Moskau, symbolträchtig unterschrieben bei den Feiern zum Ende des Zweiten Weltkriegs:

„Dieses Abkommen wird eine verlässliche und feste Grundlage bilden für die weitere allseitige brüderliche Zusammenarbeit und für ein ruhiges Leben unserer Leute in den nächsten Jahren“, so Husák dazu.

Leonid Iljitsch Breschnew und Gustav Husák
Die Gültigkeit des Vertrags legten beide Seiten auf 20 Jahre fest. Das Abkommen knüpfte an eine Übereinkunft der Exilregierung mit der Sowjetunion an, die noch während des Krieges unterschrieben worden war und 1963 verlängert wurde. Erst als der neue Vertrag 1990 ohnehin auslief, kam es zur Loslösung vom Moskauer Diktat: Nach dem Sturz des kommunistischen Regimes handelte der neue Staatspräsident Václav Havel mit Moskau einen Vertrag über den Abzug der sowjetischen Truppen aus.