Gustáv Husák – erst im Gefängnis, dann mächtigster Mann der ČSSR

Gustav Husák mit Erich Honecker (links) und Walter Ulbricht (rechts) 1971

Wenn die Menschen in Tschechien den Namen Gustáv Husák hören, dann denken sie vor allem an die bleierne Zeit der sogenannten Normalisierung in den 1970er und 1980er Jahren. Da war er als Staats- und Parteichef der mächtigste Mann in der Tschechoslowakei. Dabei hatte man Husák zu stalinistischen Zeiten noch aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen. Vor 30 Jahren starb er. Aus diesem Anlass nun ein Porträt des Politikers und seiner Zeit.

Biographie über Gustáv Husák von Michal Macháček | Quelle: Verlag Vyšehrad

Als Gustáv Husák am 10. Dezember 1989 vom Amt des tschechoslowakischen Staatpräsidenten zurücktrat, war er schon nicht mehr Chef der kommunistischen Partei. Und er hätte im Mai 1990 ohnehin sowohl sein Präsidentenamt, als auch seinen Sitz im Parteipräsidium niederlegen müssen. Doch die Samtene Revolution, die am 17. November 1989 begann, beschleunigte das politische Ende von Husák. Michal Macháček ist Historiker und hat vor einigen Jahren eine umfangreiche Biographie über diesen kommunistischen Politiker verfasst. Er verweist darauf, dass Husáks Abdankung auf den Tag der Menschenrechte fiel:

Michal Macháček | Foto: Věra Luptáková,  Tschechischer Rundfunk

„Das war kein Zufall. Václav Havel hatte als einer der wichtigsten Oppositionsführer genau diesen Tag gewählt. Dass Husák am Tag der Menschenrechte zurücktrat, war symbolisch gemeint. Ihm selbst gefiel das nicht, er erkannte sehr wohl die Symbolik. Aber der Druck der Opposition und der neuen Führung seiner Partei war zu stark, und er musste sich fügen. Wenn man jedoch vergleicht, was in den umliegenden Ländern geschah und wie die kommunistischen Chefs im aufgewühlten 20. Jahrhundert ansonsten häufig endeten, war sein Abtritt längst nicht so tragisch und radikal negativ. Doch Husák hat das kaum getröstet.“

Bei seinem Abtritt von der politischen Bühne war Husák bereits 76 Jahre alt.

Promoviert und redegewandt

Gustáv Husák während seines Studiums | Foto aus dem Buch  „Gustáv Husák“ von Michal Macháček,  Verlag Vyšehrad

Geboren wurde er am 10. Januar 1913 in der westslowakischen Gemeinde Dúbravka (heute ein Stadtteil von Bratislava). Obwohl er aus einer Arbeiterfamilie stammte, ging er aufs Gymnasium. Aber nicht nur das, er studierte sogar und promovierte 1938 in Jura.

„Dass jemand während der Ersten Republik studierte, machte ihn zu einem Mitglied der Elite. Husák war an der Komenský-Universität in Bratislava eingeschrieben. Er gehörte also zu den Intellektuellen, hatte eine gute Allgemeinbildung, sprach mehrere Sprachen und war rhetorisch begabt. Obwohl man dies in den späteren Jahren nicht mehr glauben mochte, war er ursprünglich ein hervorragender Redner, der frei sprach, sich gut artikulierte und seine Zuhörer begeistern konnte. Dies half ihm in seiner politischen Karriere. In diesem Punkt unterschied er sich auch von den anderen kommunistischen Parteigenossen“, so Michal Macháček.

Slowakische Nationalaufstand 1944 | Foto: Archiv von Pavel Pelech

Gustáv Husák trat bereits als 16-Jähriger der kommunistischen Jugendorganisation bei und als Student dann der KPTsch. Während des Zweiten Weltkriegs engagierte er sich im Widerstand gegen den klerikal-faschistischen Slowakischen Staat, beteiligte sich am Nationalaufstand und stieg bis zum stellvertretenden Vorsitzenden der slowakischen Kommunisten auf. Husák gehörte zu den einflussreichsten Akteuren beim politischen Umsturz von 1948. Dennoch fiel er kurz danach schon in Ungnade. Im Februar 1951 wurde er verhaftet.

Gustáv Husák als politischer Gefangener | Foto aus dem Buch „Gustáv Husák“ von Michal Macháček,  Verlag Vyšehrad

Im selben Monat kam es zum Parteiausschlussverfahren. Aber nicht genug, im April 1954 wurde Gustáv Husák in einem Schauprozess verurteilt. Man warf ihm und anderen slowakischen Kommunisten, wie es damals hieß, „bourgeoisen Nationalismus“ vor. Er erhielt lebenslänglich und damit die höchste Strafe aller Verurteilten. Und zwar wegen seiner Standhaftigkeit, wie der Historiker erläutert:

Gustáv Husák | Foto: Post Bellum

„Als einer der wenigen hatte er sich nicht zu den falschen Vorwürfen bekannt. Dabei sind die Genossen grauenhaft mit ihren eigenen Leuten umgegangen, sie haben sie gefoltert. Husák hatte dies schon während des Zweiten Weltkriegs im Gefängnis erlebt. Er ließ sich aber nicht brechen und sagte selbst im Schauprozess offen, was er dachte. Solche Beispiele gab es nur sehr wenige.“

Gustáv Husák mit Alexander Dubček | Foto aus dem Buch „Gustáv Husák“ von Michal Macháček,  Verlag Vyšehrad

1960 kam Husák vorzeitig frei und wurde 1963 rehabilitiert. Der ehrgeizige Politiker setzte alles daran, wieder in die Kreise der höchsten Macht vorzustoßen. Das versuchte ausgerechnet Alexander Dubček zu verhindern – wahrscheinlich aus persönlichen Gründen, die sich auf die Kriegszeit bezogen.

Aufstieg nach dem Prager Frühling

Leonid Breschnew | Foto: Jurij Iwanow,  RIA Novosti archive,  image #36535,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Erstaunlicherweise arbeiteten beide Politiker aber 1968 während der Reformbewegung des Prager Frühlings zusammen. Nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen gehörten sie auch zur tschechoslowakischen Delegation, die nach Moskau reiste. Der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breschnew kam da wohl zur Überzeugung, lieber dem energischen Husák anstatt dem gebrochenen Dubček sein Vertrauen zu schenken. Im April löste Husák diesen dann an der Spitze der KPTsch ab. Nach der Wahl der neuen Parteiführung sagte Gustáv Husák in einer Radio- und Fernseh-Ansprache:

Gustáv Husák  (3. von links) 1969 | Quelle:  Schlesisches Landesmuseum,  eSbírky,  CC BY-NC-SA 3.0 DEED

„Mir wurde in diesen nicht gerade einfachen Zeiten die schwere Verantwortung auf die Schultern gelegt, unsere Partei und unsere Gesellschaft aus der Krisenlage herauszuführen. Wegen innerpolitischer Kämpfe haben wir bisher nicht das positive Programm unser Partei umsetzen und dringende wirtschaftliche und soziale Fragen lösen können.“

Im Klartext bedeutete dies, dass sich die Tschechoslowakei wieder Moskau unterordnete und zu deren autoritärer Politik zurückkehrte. Dafür wurde der euphemistische Begriff der „Normalisierung“ geprägt, für den Husák nun stand. Liberale wurden aus der KPtsch ausgeschlossen, alle Reformvorhaben des Prager Frühlings rückgängig gemacht und Oppositionelle sowie weitere Missliebige unbarmherzig verfolgt. Sozusagen als Schweigegeld bot die kommunistische Führung dem unmündig gemachten Volk ein wenig Wohlstand an.

1975 wurde Gustáv Husák zum Staatspräsidenten gewählt | Foto aus dem Buch „Gustáv Husák“ von Michal Macháček,  Verlag Vyšehrad

1975 wurde Gustáv Husák neben seiner Funktion als Generalsekretär der KPTsch auch noch zum Staatspräsidenten gewählt. Damit war er endgültig der mächtigste Mann in der ČSSR. Doch die Souveränität des Landes stieß schon bei marginal erscheinenden Fragen an ihre Grenzen. Immer wieder musste Prag Rücksprache halten mit Moskau. Historiker Macháček nennt ein Beispiel aus der Außenpolitik. Nicht zuletzt dank Willy Brandts Ostpolitik und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa verbesserten sich in den 1970er Jahren die Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und Westdeutschland. So kam es, dass Husák 1975 zu einem offiziellen Besuch nach Bonn reiste. Michal Macháček:

Gustáv Husák | Foto:  Tschechisches Fernsehen

„Erstmals kam ein solch hochgestellter kommunistischer Vertreter dort hin. Es war sehr feierlich. Intern fragte die westdeutsche Seite nach, ob man nicht Gustáv Husák eine hohe Staatsauszeichnung überreichen könne. Und zwar dafür, dass sich die Beziehungen auf relativ hohem Niveau stabilisiert hatten. Die Anfrage wurde parallel auch an Moskau weitergeleitet. Aus dem Kreml hieß es, dass der Genosse Leonid Iljitsch Breschnew als sowjetischer Führer ebenso Westdeutschland besucht hatte, ihm aber keine Auszeichnung zuteil geworden war. Damit wollte man ausdrücken, dass es ungehörig wäre, wenn der tschechoslowakische Staatschef eine solche annehmen würde.“

Besuch in Westdeutschland

Gustáv Husák mit Leonid Breschnew | Foto aus dem Buch „Gustáv Husák“ von Michal Macháček,  Verlag Vyšehrad

Aber auch im Vergleich mit anderen Partei- und Regierungschefs im damaligen Ostblock waren Husáks Kompetenzen beschränkt…

„Die entscheidende Rolle in der Tschechoslowakei hatte die kollektive Führung, also das Präsidium des Zentralkomitees der KPTsch. Es setzte sich aus zwölf Personen zusammen, und jede hatte nur eine Stimme. Husáks Position war die eines Zentristen. Er versuchte zwischen den innerparteilichen Strömungen zu lavieren und war sehr anpassungsfähig. Aber seine Stellung war nicht so stark wie die von Leonid Breschnew, Janos Kadár in Ungarn oder Erich Honecker in der DDR“, so der Geschichtswissenschaftler.

Ab Mitte der 1980er Jahre begann die kommunistische Macht in den Staaten des Ostblocks dann ohnehin zu bröckeln. Mit Michail Gorbatschows Perestroika und Glasnost hatten sich die Vorzeichen geändert. Wie sich Husák positionierte, ist selbst für Michal Macháček schwer einzuschätzen. Denn die Protokolle über parteiinterne Sitzungen seien häufig überarbeitet worden, sodass gegensätzliche Positionen verschwanden, sagt der Historiker. 1987 jedenfalls verlor Gustáv Husák die Führung in der Partei, zu dem Zeitpunkt war er bereits gesundheitlich angeschlagen. Dann kam die Samtene Revolution, und Husák als Symbol der Normalisierung war auch als Staatspräsident nicht mehr tragbar. Als möglicher Nachfolger wurde unter anderem der frühere Reformkommunist Alexander Dubček gehandelt. Dazu der Historiker:

„Aus den Erinnerungen von Zeitzeugen wissen wir, dass sich Husák ausdrücklich nicht wünschte, von Dubček beerbt zu werden. Es ging ihm ums Prestige. Husák warf Dubček dessen halb-oppositionelle Tätigkeit in den 1970er Jahren vor, als dieser ihn nach seinem Parteiausschluss scharf angegangen war. Husák behauptete zudem, Dubček habe durch seine Politik den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen verursacht.“

Grab von Gustáv Husák | Foto: Peter Zelizňák,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Letztlich wurde Václav Havel und nicht Alexander Dubček erster tschechoslowakischer Staatspräsident nach der politischen Wende. Husák wurde im Februar 1990 erneut aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen. Er starb am 18. November 1991, zwei Jahre nach dem Sturz jenes Regimes, das er mitgeholfen hatte zu etablieren.

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