Vojtěch Jasný – der letzte Nestor unter den großen Regisseuren verstarb

Vojtěch Jasný, foto: Ian Willoughby

Miloš Forman gilt dank seiner zwei Oscars als der beste tschechoslowakische Regisseur aller Zeiten. Doch die hiesige Kinematographie hat noch weitere Meister hervorgebracht. So war auch Vojtěch Jasný ein Großer seines Fachs. Der Filmregisseur und Drehbuchautor ist am vergangenen Freitag im Alter von 93 Jahren gestorben.

Film „Wenn der Kater kommt“ | Foto: Tschechisches Fernsehen

Vojtěch Jasný | Foto: Ian Willoughby,  Radio Prague International
Der Film „Wenn der Kater kommt“ (Originaltitel: Až přijde Kocour) mit den damaligen Starschauspielern Jan Werich, Vlastimil Brodský und Emilia Vášáryová wurde mehrfach ausgezeichnet. 1963 erhielt er drei Preise bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes sowie drei weitere ein Jahr später in Edinburgh, Barcelona und Saloniki. Es war nach „Sehnsucht“ (Originaltitel: Touha) der zweite Streifen, mit dem Vojtěch Jasný international auf sich aufmerksam machte.

Der Regisseur wurde in den 1960er Jahren zu einem führenden Vertreter der sogenannten Neuen Welle des tschechoslowakischen Films. Als sein bedeutendstes Werk gilt „Alle guten Landleute“ (Originaltitel: Všichni dobří rodáci) aus dem Jahr 1968. In dieser Filmchronik setzt sich Jasný kritisch mit der Zwangskollektivierung in der hiesigen Landwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg auseinander. Dazu trieb der Regisseur seine Schauspieler zu außergewöhnlichen Leistungen an. Damit sein Hauptdarsteller Radoslav Brzobohatý die Rolle des Gutsherrn František überzeugend interpretierte, schickte er diesen zuvor zum tatsächlichen Gutsbesitzer, der die Vorlage für die Rolle bildete:

Radoslav Brzobohatý in der Filmchronik „Alle guten Landleute“  (Foto: Jaromír Komárek / Filmstudio Barrandov)
„Ich habe ihm gesagt: ‚Radek, du musst mindestens einen Monat lang mit ihm zusammen auf dem Gut leben. Wenn ich dir über ihn das Landläufige erzähle und du dann zu ihm gehst, wirst du wissen, was ich will. Damit du er bist, aber auf deine eigene Art‘.“

Für den Streifen wurde Jasný 1969 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet. Nur ein Jahr später emigrierte er aus politischen Gründen aus der Tschechoslowakei. Zu Lebzeiten begründete er diesen Schritt wie folgt:

„Mir blieb gar nichts anderes übrig. Herr Purš, der Generaldirektor des Films in der Tschechoslowakei, sagte mir, ich müsse nun Filme machen, bei denen ich mich moralisch mit Kot beschmutzen werde. Ansonsten würde ich ins Gefängnis kommen oder anderes erleiden. Da habe ich entschieden, das Land zu verlassen.“

Vojtěch Jasný ging zunächst nach Österreich, wo er als Regisseur am Burgtheater in Wien arbeitete. In Westdeutschland drehte er 1976 das Drama „Ansichten eines Clowns“. Es war eine Literaturverfilmung des gleichnamigen Romans von Heinrich Böll mit Helmut Griem und Hanna Schygulla in den Hauptrollen. Später ging Jasný nach New York.

Vojtěch Jasný während des Internationalen Dokumentarfilm-Festival 2012 in Jihlava  (Foto: Archiv des Internationalen Dokumentarfilm-Festival in Jihlava)
Nach der Wende von 1989 kehrte Jasný in seine Heimat zurück. Er lebte fortan in der ostböhmischen Gemeinde Bystré, in der er auch seinen legendären Film „Alle guten Landleute“ gedreht hatte. Er arbeitete emsig weiter und traf dabei oft und gern mit jungen Filmschaffenden zusammen. Noch mit 87 Jahren hatte er viele Pläne für die Zukunft und präsentierte diese dann auch mit seiner humorvoll-optimistischen Lebenseinstellung:

„Ich will sagen, dass ich noch lebe und dass ich 100 Jahre alt werden möchte. Denn ich muss noch eine ganze Reihe von Filmen machen, die niemand mehr so drehen kann wie ich. Denn ich bin der letzte Überlebende der zwölf großen Regisseure wie es Fellini, Antonioni und Andere waren.“

Das sagte der berühmte Filmschöpfer auf dem Internationalen Dokumentarfilm-Festival 2012 in Jihlava / Iglau. Dort wurde er für sein Lebenswerk und seinen großen Beitrag zur Weltkinematografie geehrt. Vojtěch Jasný wurde zudem mit dem Tschechischen Löwen und dem Preis des Präsidenten des Filmfestivals in Karlovy Vary / Karlsbad ausgezeichnet.

Autor: Lothar Martin
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