Vom estnischen Fechter-Drama zum Sound Westberlins – Europäische Filmtage in Prag

„Die Kinder des Fechters“ (Foto: Archiv des Festivals)

Eine Auswahl von 45 Filmen aus fast ganz Europa steht auf dem Programm der Europäischen Filmtage. Das Festival wurde am Donnerstag im Prager Kino Lucerna eröffnet.

„Die Kinder des Fechters“  (Foto: Archiv des Festivals)
Filme zu zeigen, die in den tschechischen Multiplex-Kinos bis auf Ausnahmen nicht zu sehen sind. Dies ist eines der Ziele des Festivals, das zum 23. Mal in Prag veranstaltet wird. Eröffnet wurde es mit dem finnisch-estnischen Film „Die Kinder des Fechters“, der im stalinistischen Estland der1950er Jahre spielt. Er erzählt die Geschichte eines jungen Fechters, der nach einem Versteck vor dem kommunistischen Geheimdienst sucht und als Sportlehrer in einem kleinen Ort an der estnischen Küste untertaucht. Die Geheimpolizei hat ihn aber nicht aus den Augen verloren. Nach der Filmvorstellung klatschte das Publikum begeistert. Festivaldramaturg Zdeněk Blaha:

Zdeněk Blaha  (Foto: Martina Schneibergová)
„Wir waren aus mehreren Gründen froh, dass wir das Festival gerade mit diesem Film eröffnen konnten. Von der Qualität des Streifens zeugt die Tatsache, dass er für den Golden Globe nominiert wurde – dies ist das erste Mal nach 58 Jahren wieder einem finnischen Film gelungen. Das Thema ist insbesondere für die tschechischen Zuschauer gut verständlich. Denn auch die Bewohner der Tschechoslowakei haben die stalinistischen Repressionen erlebt. Die Geschichte des Fechters, die im Film erzählt wird, hätte sich auch hier abspielen können.“

Beim Festival gibt es jedes Jahr einige Filmsektionen. So werden beispielsweise in der Sektion „Best of“ die interessantesten Streifen gezeigt, die die europäischen Filmemacher in den vergangenen zwei Jahren gedreht haben. Das Thema der der Filmsektion „Zur Sache“ ist in diesem Jahr die Migration. Gezeigt werden auch Filme über die Migration innerhalb Europas. Wie immer wecken die europäischen Kriminalfilme großes Interesse – sie sind in der „EuroCrime“-Sektion zu sehen, so der Festivaldramaturg.

‚Marshland‘  (Foto: Archiv des Festivals)
„Bei der Auswahl der Filme arbeiten wir mit den Botschaften und den Kulturinstituten der einzelnen Länder zusammen. Sie empfehlen uns Streifen, die in den vergangenen zwei Jahren besonders gut beim Publikum angekommen sind. Viele der Filme, die wir zeigen, haben in ihrer Heimat mehrere Filmpreise erhalten. Der spanische Streifen ‚Marshland‘ wurde beispielsweise mit zehn Goya-Preisen bedacht.“

Bei den Filmtagen ist auch die deutschsprachige Kinematographie vertreten. Gezeigt wird beispielsweise der deutsche Polit-Thriller „Die Lügen der Sieger“. Zdeněk Blaha:

„Die Lügen der Sieger“  (Foto: Archiv des Festivals)
„Der Film beschreibt die Macht der Medien. Eine Lobby erschafft mit Manipulationen eine künstliche Causa, die die Aufmerksamkeit von einem wirklichen Fall ablenken soll. Ich würde zudem den Dokumentarfilm ‚B-movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979-1989‘ empfehlen, der sich mit der Musikszene im Berlin der 1980er Jahren auseinandersetzt. Von den österreichischen Filmen haben wir zwei Filme ausgewählt. Von der Regisseurin Jessica Hausner, die ich sehr schätze, zeigen wir den Film ‚Amour Fou‘. Er spiegelt den Trend der europäischen Filmemacher, einen anderen Blick auf historische Kostümdramen zu bieten. Von Karl Markovics, den die tschechischen Zuschauer eher als Filmschauspieler kennen, zeigen wir den Film ‚Superwelt‘. Es ist bestimmt ein sehr origineller Streifen.“

Die Europäischen Filmtage in Prag finden bis zum 14. April statt. Danach wird eine Auswahl der Festivalfilme in Brno / Brünn, Boskovice, Havířov, Hradec Králové / Königgrätz, Jablonec nad Nisou / Gablonz und Semily / Semil gezeigt.