Von den Nazis und den Kommunisten verfolgt (1. Teil): Zdeněk Sternberg
Im Alter von 97 Jahren ist am vergangenen Dienstag Zdeněk Sternberg gestorben. Er stammte aus einem alten böhmischen Adelsgeschlecht. Ursprünglich war er als Erbe des Besitzes vorgesehen und wurde auf der Burg Český Šternberk / Böhmisch Sternberg großgezogen. Die Familie wurde jedoch von den Nazis verfolgt und später auch von den Kommunisten. Diese ließen sie dann enteignen, und Zdeněk Sternberg musste in den Strafbataillons dienen. 1968 emigrierte er nach Österreich. Nach der Wende von 1989 erhielt er die Burg zurück. Seitdem lebte er auf dem Stammsitz seiner Familie. Der Tschechische Rundfunk hat vor zwei Jahren eine mehrteilige Serie über das Schicksal von Zdeněk Sternberg gesendet. Seine Erinnerungen wurden 2011 für das Inlandsprogramm aufgezeichnet. Im folgenden Kapitel aus der tschechischen Geschichte fassen wir den ersten Teil von Sternbergs Erinnerungen zusammen, es ist die Zeit bis 1945.
Vor 780 Jahren ließ der Vorfahre von Zdeněk Sternberg, Zdeslav von Divišov / Diwischau, im Tal des Flusses Sázava / Sasau die Burg Sternberg erbauen. Der Adlige benannte sie nach seinem Wappen, einem achtzackigen Stern. Und sich selbst gab er den Namen Zdeslav von Sternberg. Der Historiker Jan Županič von der Prager Karlsuniversität zu dem Adelsgeschlecht und Zdeněk Sternberg:
„Die Sternbergs sind eines der ältesten böhmischen Adelsgeschlechter neben den Waldsteins oder Kolowrats. Zu den Vorfahren von Zdeněk Sternberg zählten namhafte Persönlichkeiten, darunter auch einige Herrscher. Er selbst war ein direkter Nachkomme von Karl IV.“
Zdeněk Sternberg wurde am 15. August 1923 als zweites von neun Geschwistern geboren. Er kam in einer Prager Geburtsklinik zur Welt. Im Tschechischen Rundfunk merkte er dazu an:
„Die Zeit war bereits moderner geworden, sodass ich nicht zu Hause zur Welt kam. Aber schon im Alter von einer Woche brachte man mich mit dem Auto nach Böhmisch Sternberg. Für die Menschen in der Gegend war das etwas Besonderes, denn dort gab es damals noch keine Autos. Und der Forstmeister wollte meinen Eltern vermutlich eine Freude machen. Ob es ihm gelungen ist, weiß ich nicht. Als sich das Auto näherte, ließ er jedenfalls auf der Burg Salutschüsse abfeuern, um die Geburt des Sohnes der Besitzer zu feiern.“
Die Deutschen konfiszieren Burg Sternberg
Zdeněk Sternberg wurde auf dem Stammsitz der Familie großgezogen. Wie er sich im Rundfunk erinnerte, verstand er sich mit seinem Vater sehr gut. Jiří Douglas Sternberg hatte vermutlich den größten Einfluss auf die Erziehung des Sohns. Zdeněk ging dann später in Prag auf die Schule, zunächst auf das erzbischöfliche Gymnasium im Stadtteil Bubeneč und anschließend auf das Realgymnasium im Stadtteil Smíchov. In diese Zeit fiel auch der Beginn der deutschen Besatzung in Böhmen und Mähren:
„Als Mitte März 1939 die Deutschen nach Prag einmarschierten, bin ich nach dem Unterricht mit zwei Mitschülern von Smíchov aus zur Nationalstraße gegangen. Die Atmosphäre war bedrückend, es schneite, deutsche Militärfahrzeuge und Motorräder rasten vorbei, die Menschen standen auf dem Gehsteig und drohten ihnen. Wir gingen bis auf den Wenzelsplatz. Am Wenzelsdenkmal war eine Feldküche aufgebaut. Einige Unteroffiziere der Wehrmacht in langen Mänteln standen herum. Hie und da kam jemand vorbei, und sie boten ihm Suppe an. Ich sprach gut Deutsch und fragte sie, was das bedeuten solle. Einer von ihnen erklärte, sie seien von einem Hilfszug aus Bayern und wollten die Bevölkerung freundlich empfangen, darum die Suppe. Ich sagte ihm, ich würde sehr daran zweifeln, dass die Tschechen sie wegen der Erbsensuppe mögen und ihnen die Okkupation des Landes verzeihen würden. Ich war damals sehr stolz, dass ich mir erlaubte, dies zu sagen. Das sind meine Eindrücke vom 15. März 1939.“
Die Familie Sternberg geriet bald in den Fokus der Nationalsozialisten:
„Nach dem Einmarsch herrschte etwa anderthalb Jahre lang für uns eine ungeklärte Lage. Es gab intensive Bemühungen, meinen Vater dazu zu zwingen, mit der Familie für das Deutsche Reich zu optieren. Er wurde zweimal von der Gestapo zum Oberlandrat vorgeladen – einmal nach Pilsen und einmal nach Tábor. Natürlich war das nervenraubend. Ich erinnere mich daran, wie er jeweils zurückkam. Es war ihm gedroht worden: ‚Wissen Sie, was Sie erwartet, falls Sie das nicht machen?‘ Aber mein Vater hat nicht eingewilligt. Es folgte eine Zwangsverwaltung, unser Eigentum wurde konfisziert.“
Den Sternbergs wurde streng verboten, ihre Güter in Sternhof sowie das Forstamt in Brtnice zu betreten. Alle Räumlichkeiten in der Burg wurden versiegelt, die Angestellten wurden entlassen. Die Familie durfte nur noch ihre Wohnung nutzen, hatte aber kein Geld mehr. Sein Vater habe dann als Wächter am Straßenbau gearbeitet, erinnerte sich Zdeněk Sternberg. Im Tschechischen Rundfunk schilderte der Nachkomme noch ein weiteres Erlebnis aus der Zeit nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich. Es war der 18. Juni 1942, die Gestapo hatte gerade das Versteck der Attentäter in der Kyrill- und Method-Kirche aufgedeckt, und die Kirche war von der SS belagert.
„Die Umgebung der Kirche war von der Polizei abgesperrt. Ich kam damals mit einem meiner Mitschüler zu Fuß von unten, von Moráň. An der Ecke der Václavská-Straße, die zur Kirche führt, befand sich in der ersten Etage das Büro der Prager Stadtarchitekten. Mein Freund kannte den dortigen Sekretär, dieser ließ uns herein, und wir standen am Fenster und sahen, wie die Feuerwehr versuchte, einen Schlauch in das kleine Fenster zu stecken. Der Wasserstrom war stark, und manchmal sprang der Schlauch heraus. Diese bekannten Ereignisse haben wir gesehen.“
Jahre der Pseudodemokratie
Auch das Kriegsende erlebte Zdeněk Sternberg in Prag. Dazu waren ihm nicht nur die sowjetischen Panzer auf der Kleinseite und die Barrikaden nahe dem Nationaltheater in Erinnerung geblieben, sondern auch die Gräueltaten, die Tschechen an angeblichen Kollaborateuren begingen.
„Es war ein grausamer Anblick: In der Moldau schwammen Leichen. Es waren Leichen alter Frauen oder Kinder, denn deutsche Männer waren an der Front. Die Mitglieder der sogenannten Revolutionsgarden holten Deutsche aus ihren Wohnungen und warfen sie über das Geländer in den Fluss. Im Tyrš-Haus war ein deutsches Feldlazarett aufgestellt. Die Verletzten mussten rausgehen und wurden alle erschossen. Die Toten lagen dort, die Menschen gingen an ihnen vorbei. Das ist das Letzte, was ich noch aus dieser Zeit erwähne, ich will nicht mehr darüber sprechen. Mich hat das psychisch stark belastet, dass die Menschen imstande sind, so etwas zu tun.“
Nach dem Krieg wurde Zdeněks Vater Jiří zum ersten Vorsitzenden des örtlichen Nationalausschusses in Český Šternberk gewählt, also zum dortigen Bürgermeister. Das Amt habe er jedoch nur einige Monate lang innegehabt, so Zdeněk Sternberg.
„Dann kam die Kreisverwaltung in Benešov zum Schluss, dass er ein böser Ausbeuter und Klassenfeind sei. Und so verlor mein Vater diesen Posten wieder, was ihn vermutlich aber nicht besonders gestört hat. Die Jahre 1945 bis 1948 waren drei Jahre der Pseudodemokratie. Ich habe damals mit meinem Vater viel über die politische Lage diskutiert. Wir waren der naiven Meinung, dass das Volk, nachdem es von der nationalsozialistischen Besatzung befreit worden war, doch nicht für eine weitere Unterdrückung durch die Kommunisten, durch die Sowjetunion sein würde. Das war für uns unvorstellbar. Die Menschen würden keiner neuen Unterdrückung zustimmen, glaubten wir beide. Dann aber endeten die Wahlen 1946 mit dem Sieg der Kommunisten. Wie dies letztlich ausgegangen ist, brauche ich hier nicht näher zu erläutern.“
Dies war der erste Teil der Erinnerungen von Zdeněk Sternberg. Den zweiten Teil (die Zeit ab 1948) bringen wir in einer der nächsten Ausgabe unseres Kapitels aus der tschechischen Geschichte.