Von Desinformationsszene missbraucht? Bauernproteste vor dem Prager Landwirtschaftsministerium
Etwa 500 Traktoren fuhren am Montagmorgen aus verschiedenen Regionen Tschechiens in Prag ein. Die protestierenden Landwirte übergaben Landwirtschaftsminister Marek Výbroný (Christdemokraten) ihre Forderungen. Möglichen Verhandlungen mit den Organisatoren dieser Proteste erteilte Výborný allerdings eine klare Absage.
Der befürchtete Verkehrskollaps in Prag blieb am Montagmorgen aus. Etwas weniger Traktoren als von den Veranstaltern erhofft kamen aus dem Norden, Süden und Osten Tschechiens in die Hauptstadt, um vor dem Landwirtschaftsministerium zu protestieren. Dazu aufgerufen hatte unter anderem Bohumír Dufek, der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes der Arbeitskräfte in Landwirtschaft und Ernährungsbranche – Assoziation Freier Gewerkschaften. Noch am Sonntag hatte er in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläutert:
„Der Protest soll eine einfache Meinungsäußerung sein gegen jene Politik, die Tschechien und die Europäische Union gegen die Landwirte betreiben. Die Bauern geraten dadurch in eine sehr schwierige und belastende ökonomische Lage. Diese hat mehrere Dimensionen. Aber vor allem möchte ich sagen, dass die EU und der Green Deal die Unternehmer benachteiligen. Man will von den Landwirten, dass sie nichts mehr anbauen und keine Lebensmittel mehr herstellen.“
Die wichtigsten Bauernverbände und Gewerkschaften Tschechiens, also die Agrarkammer, der Landwirtschaftsverband oder auch die Union der privaten Landwirte, hatten sich im Vorfeld wiederholt von den Protesten im Prag distanziert. Die Organisatoren der Sternfahrt würden eigene politische Ziele verfolgen, hieß es zur Begründung. Ähnlich schrieb auch Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) auf der Plattform X, die Demonstration am Montag habe nicht viel damit zu tun, die Bedingungen für die Landwirte verbessern zu wollen. Sie werde vielmehr von Menschen organisiert, die ihre Unterstützung für den Kreml gar nicht verbergen würden. Noch konkreter formulierte es Landwirtschaftsminister Výborný im Tschechischen Rundfunk:
„Ein Blick auf die Liste der etwa zehn Organisatoren auf Kreisebene zeigt, dass der Großteil von ihnen gar keine Landwirte sind. Vielmehr sind dies Leute, die während der Pandemie Demonstrationen gegen Corona-Impfungen organisiert haben. Ein Sicherheitsscreening ihrer Auftritte in den sozialen Netzwerken ergibt, dass sie in die Desinformationsszene eingebunden sind, die das Regime von Wladimir Putin bewundert.“
Als zweiter Hauptorganisator tritt Zdeněk Jandejsek auf. Der ehemalige Präsident der Agrarkammer ist derzeit Vorstandsvorsitzender der Landwirtschaftsholding Rabbit, und laut Wikipedia engagiert er sich für die Rechtsaußenpartei Trikolóra. In der gleichen Quelle findet sich zudem der Hinweis, dass Bohumír Dufek als Redner bei einer Anti-Regierungs-Demonstration von Jindřich Rajchl und dessen Rechtsaußenpartei P.R.O. aufgetreten sei.
Mit diesen Menschen wolle er keinesfalls verhandeln, betont Minister Výborný. Am Montagmorgen ließ er sich bei seiner Ankunft im Ministerium aber auf Gespräche mit den einzelnen Demonstranten ein. Dort sei er auf Verständnis gestoßen, berichtete er kurz danach:
„Die Protestteilnehmer wissen, dass ich nichts Abwertendes über die Bauern gesagt habe, was sie in Zusammenhang mit irgendwelchen politischen Gruppierungen oder Interessen bringt. Wir waren uns einig, dass es ihnen nicht um Politik geht, sondern wirklich um ihre Höfe und landwirtschaftlichen Betriebe. Klar und sachlich haben wir uns darüber unterhalten, welche Folgen dieses erste Jahr der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik der EU für sie hat.“
Um elf Uhr trat Výborný erneut vor die Demonstranten, um einen Brief mit ihren Forderungen entgegenzunehmen. Diesmal wurde er ausgepfiffen. In dem Schreiben wird unter anderem der Austritt Tschechiens aus dem europäischen Green Deal gefordert. Dieser sieht Maßnahmen zur Emissionssenkung vor, damit die EU bis 2050 klimaneutral wird. Der Plan gefährde aber ihre berufliche Existenz, so das Argument der Bauern.
Der Traktorenzug begab sich am Montagmittag dann zur Prager Kleinseite, wo die Demonstration fortgeführt wird. Für den Abend ist dort eine Pressekonferenz zur Einschätzung der Proteste angesetzt. Die Zusammenkunft am Montag werde nicht die letzte sein, kündigte Dufek schon zuvor an:
„Wie genau es weitergeht, kann ich Ihnen nicht sagen, denn dazu gibt es mehrere Vorschläge. Die nächste Aktion – die ich aber noch nicht konkretisieren kann – sollte innerhalb von zehn Tagen stattfinden. Dann kommen vielleicht noch viel mehr Teilnehmer nach Prag. Am Dienstag wird der Protest aber mit Sicherheit noch fortgeführt.“
Die tschechische Agrarkammer und der Landwirtschaftsverband haben wiederum ihre eigenen Pläne. Sie schließen sich am Donnerstag dem europaweiten Protesttag an und fordern die hiesigen Bauern auf, mit ihren Traktoren an die Grenzen nach Polen und zur Slowakei zu fahren.
