Von guten Nachbarn und vertikalen Identitäten: Kulturminister Herman im Gespräch
Bilanz ziehen vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Herbst – in einem Videogespräch für Radio Prag hat das der christdemokratische Kulturminister Daniel Herman getan. Im Fokus stehen dabei die Kontroversen um seine Teilnahme als erster tschechischer Regierungsvertreter bei einem Sudetendeutschen Tag in Augsburg, sein Treffen mit dem Dalai Lama sowie umstrittene Entscheidungen des Kulturministeriums beim Denkmalschutz. Zudem spricht der ehemalige Priester über sein besonderes Verhältnis zu Deutschland und Österreich, seinen Sprung vom Pfarramt in die Politik und christliche Werte in der mehrheitlich atheistischen tschechischen Gesellschaft.
Mit den deutschsprachigen Ländern fühlt sich Daniel Herman eng verbunden. Und das aus einer historischen Notwendigkeit heraus:
„Deutschland und Österreich sind unsere Nachbarn, und geschichtlich sind wir eng miteinander verbunden. Vor allem mit Österreich und Bayern, 400 Jahre lang waren wir Teil der Habsburger-Monarchie und die dynastischen Kontakte zu den Wittelsbachern waren sehr stark. Und was noch interessant ist: die erste Bahnverbindung auf dem europäischen Kontinent führte vom böhmischen Budweis ins österreichische Linz.“
Noch vor der Wende schlug der jetzige Kulturminister den Weg eines Priesters ein. Den Sprung in die Politik sieht Daniel Herman als natürliche Fortsetzung seiner Tätigkeit als Geistlicher. Denn auch in seinem weltlichen Amt will er die Werte der Kirche als Oase der Freiheit weiterhin vermitteln. So hatte Herman sie nämlich in den Zeiten des Kommunismus erlebt. Gerade deshalb hat er auch noch nicht genug von der Politik und möchte auch nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus weitermachen.Doch wie vermittelt man den Tschechen, die nur zu rund 20 Prozent angeben überhaupt an etwas zu glauben, als Christdemokrat christliche Werte?
„Das ist wahr, aber das heißt nicht, dass der Rest gegen diese Werte steht. Sie sind nur nicht völlig informiert, eine ‚Tabula rasa‘ sozusagen. Die Suche nach der vertikalen Identität ist auf jeden Fall da in unserer Gesellschaft. Und ihre Fundamente sind ja jüdisch-christlich.“