Von Nussschalengröße bis zu 80 Quadratmetern: Das Krippenmuseum in Karlstein und seine Exponate
Das Krippenmuseum im mittelböhmischen Karlštejn / Karlstein zieht seit über 20 Jahren junge und alte Besucher in seinen Bann – und das nicht nur in der Weihnachtszeit. Am Fuße der gleichnamigen Burg gelegen ist die Ausstellung Ziel zahlreicher Touristen. Die Exponate haben teilweise bereits mehrere Hundert Jahre auf dem Buckel. Besonders beliebt sind die mechanischen Krippen, bei denen auf Knopfdruck etwa eine Melodie gespielt wird oder sich die Figuren in Bewegung setzen.
Wie es vor über 20 Jahren zur Entstehung des Museums kam, erklärt die Mitbegründerin Romana Trešlová im Interview für Radio Prag International:
„Das Museum haben wir im August 1995 eröffnet. Die Idee dazu hatte mein Vater. Er hatte eine große Sammlung an Krippen, die er sein ganzes Leben lang ausgebaut hat. Nach der Samtenen Revolution kam ihm der Gedanke, die Sammlung auszustellen. Dies sollte an einem Ort sein, der gut besucht ist – und genau das traf auf Karlstein zu.“
Über 200 Exponate zählt die Sammlung des Museums; 50 davon werden dauerhaft ausgestellt. Vereinzelt wird die Krippen-Kollektion auch um neue Exemplare erweitert.
Holzfiguren von Böhmen in die Welt
Die ausgestellten Krippen in Karlstein stammen fast alle aus tschechischer Handarbeit. Als Material sei vor allem Holz verarbeitet worden, denn das sei günstig gewesen und überall vorhanden, erläutert Romana Trešlová. Laut der Miteigentümerin des Museums war früher die Kleinstadt Králíky / Grulich das Mekka der Krippenfigurenherstellung:
„Die Figuren wurden in Nordostböhmen in der Kleinstadt Králíky angefertigt. Sie waren aber bald so beliebt, dass sie in ganz Europa verkauft und bis nach Amerika exportiert wurden.“
Wichtige Absatzmärkte waren vor allem das heutige Deutschland sowie Österreich. Die Geschichte der Figuren aus Králíky ist dabei vor allem mit einer besonderen Ausbildungsstätte verbunden…
„In Králíky gab es damals ein Kloster und direkt daneben eine Schnitzerschule. Die Absolventen kamen alle aus der Region. In der Schule lernten sie einen ganz besonderen Stil zu schnitzen. Das Verfahren war relativ einfach, aber sehr effektiv und schnell.“
Und Schnelligkeit war bei der Arbeit auch gefragt. Denn die Figurenschnitzer wurden nicht sonderlich gut bezahlt für ihren Weihnachtsschmuck. Deshalb also die besondere Technik:
„Man kochte die Holzklötze in Wasser. Es handelte sich um Fichtenholz, das bei hohen Wassertemperaturen weich wird. Dadurch konnte es für einige Zeit viel schneller bearbeitet werden.“
An der Produktion waren dabei nicht nur die Figurenschnitzer beteiligt.
„In den Arbeitsprozess waren oft ganze Familien eingebunden. Zumeist schnitzten die Väter. Anschließend wurden die Figuren dann von den Müttern und Kindern bemalt. Die Erzeugnisse wurden später auf den Weihnachtsmärkten verkauft.“
Händler erwarben die Holzfiguren dann auf den Märkten und brachten sie weiter in die Welt.
Ausgefallene Materialien
Während Holz früher als Material dominiert habe, seien seit den 1960er Jahren auch weitere Rohstoffe hinzugekommen, sagt Romana Trešlová:
„Seitdem werden viel mehr verschiedene Materialien bei der Herstellung verwendet. Krippen werden heute aus allem möglichen gemacht, was man sich nur vorstellen kann. In Tschechien ist vor allem Keramik sehr beliebt. Und dann sind da natürlich noch die Krippen aus Papier, die am populärsten sind.“
Im Krippenmuseum in Karlstein gibt es aber etwa auch eine Krippe aus Glas…
„Die Figuren sind sehr interessant. Sie stammen aus der Gegend von Železný Brod, wo es eine Glasmacherschule gab. Von dort aus haben sich die gläsernen Krippen dann in ganz Tschechien verbreitet. Es handelt sich aber eher um Einzelfälle, denn die Herstellung war recht anspruchsvoll. Kaum jemand konnte so eine Figur einfach zuhause über dem Brenner anfertigen.“
In der Ausstellung finden sich auch noch exotischere Materialien. So werden jedes Jahr im Winter neue Krippen aus Lebkuchen präsentiert, die dann von den jüngeren Besuchern verspeist werden. Früher wurden zudem auch aus Brotteig Krippen gefertigt:
„Vor allem in der Gegend um Příbram wurden Figuren aus Brotteig hergestellt, denn das war die günstigste Methode. In dieser Region lebten viele Bergarbeiterfamilien, die sehr arm waren. Die hölzernen Figuren aus Králíky waren zwar eigentlich nicht sehr teuer. Dennoch konnten sich nicht alle diese leisten.“
Auf der Suche nach Alternativen kam man schließlich auf die Idee, Brotteig zu verwenden. Wirklich essbar waren die Krippen jedoch nicht:
„Für die Masse wurde Mehl mit Sägespänen und Leim vermengt. Das Gemisch wurde dann in Formen gedrückt, von denen wir hier auch einige ausstellen. Hinterher wurden die Figuren an der Sonne getrocknet und dann bemalt. Sie sollten den Holzfiguren aus Králíky möglichst ähnlich sehen.“
Mechanische Krippen ziehen Kinder in den Bann
Romana Trešlová führt weiter zu einem ganz besonderen Exponat:
„Das ist unsere älteste Krippe, auf die wir sehr stolz sind. Sie ist über 250 Jahre alt. Vom Ende des 18. Jahrhunderts sind sonst eher wenige Exemplare erhalten. Denn unter Joseph II. wurden viele Krippen vernichtet. Diese hier hat aber überlebt.“
Die Maßnahme von Kaiser Joseph II. brachte in Böhmen übrigens genau das Gegenteil dessen, was ihr eigentliches Ziel war: Zwar verschwanden die Krippen aus den Kirchen, in den Privathaushalten aber florierte von nun an die Herstellung.
Die älteste Krippe in Karlstein ist aber noch aus einem weiteren Grund von Interesse:
„Neben dem Alter und dem Umstand, dass die Krippe die Säuberungen am Ende des 18. Jahrhunderts überlebt hat, ist vor allem bemerkenswert, dass die Krippe die Beschneidung Jesu zeigt. Wir gehen davon aus, dass es sich ursprünglich nicht um die zentrale Szene gehandelt hat, sondern eher um eine Darstellung am Rand. Denn dass Jesus in einer Krippe bei diesem Ritual gezeigt wird, ist wirklich sehr außergewöhnlich. Wir zerbrechen uns schon lange den Kopf darüber, und aus wissenschaftlicher Sicht macht uns das ganz schön nervös.“
Zu den weiteren besonderen Exponaten zählen vor allem jene Krippen, die sich bewegen oder Geräusche von sich geben können…
„Insgesamt haben wir vier mechanische Krippen. Diese pyramidenförmige ist vielleicht die Spannendste. Sie zieht alle Kinder, die den Raum betreten, sofort in ihren Bann.“
Mechanische Krippen sind laut Romana Trešlová dabei vor allem für die deutschsprachigen Gebiete des heutigen Tschechiens typisch gewesen – besonders für das Erzgebirge. Die deutschsprachige Bevölkerung habe großen Anteil gehabt an der Krippenkunst des Landes…
„Bedeutend sind vor allem die Krippen aus der Gegend von Šluknov. Wir stellen hier einige große Figuren von dort aus, sie sind 35 Zentimeter hoch. In der Region um Šluknov lebten damals fast nur deutschsprachige Einwohner. Und gerade von dort kamen Krippenfiguren, die zu den schönsten gehören, die in ganz Böhmen hergestellt wurden.“
Die größte Krippe füllt fast den ganzen Dachboden
Während die kleinste Krippe in Karlstein in eine Nussschale passt, misst die größte stolze 80 Quadratmeter. Sie befindet auf dem Dachboden des Museums, auf den Romana Trešlová nun führt.
„Kurz nachdem wir hier eingezogen sind, kam uns die Idee für diese Krippe. Wir haben nachgedacht, was wir mit dem Dachboden anstellen wollen. Natürlich hätten wir hier weitere Exponate ausstellen können. Dann kamen wir aber auf die Idee, hier ein einziges wirklich großes Ausstellungsstück zu präsentieren. Das mussten wir aber erst entwerfen, denn es gab nichts in unserer Sammlung mit solchen Dimensionen.“
Der Gedanke, der schließlich realisiert wurde, hat einen ganz besonderen Bezug zum Ort.
„Als wir die Idee für eine große Krippe hatten, haben wir darüber nachgedacht, welches Thema wir verarbeiten könnten. Wir befinden uns hier in Karlstein, und dieser Ort hat eine wichtige Rolle in der tschechischen Geschichte gespielt. Also bildet die hiesige Burganlage die Kulisse. Unsere Krippe hat auch deutlich mehr Könige, als es sonst üblich ist. Unter den Figuren sind zudem etwa die Heilige Katharina von Alexandrien als Schutzpatronin der Burg sowie der Heilige Wenzel.“
Insgesamt 46 Figuren wurden in der Krippe verewigt. Im Interview erklärt die heutige Museumsinhaberin auch die Rolle ihres Vaters, Ladislav Trešl:
„Mein Vater hat sich die Konzeption der Krippe ausgedacht und auch das Märchen verfasst, das zu alldem erzählt wird. Die Puppen hat der Maler Vlastimil Elšík nach unseren Entwürfen geschnitzt. Seine Frau hat sich um die Kostüme gekümmert.“
Das Märchen, das bis heute über einen Lautsprecher an der großen Krippe erzählt wird, verlegt die Handlung der Weihnachtsgeschichte nach Karlstein. Jesus wird in einer kalten Höhle geboren, und vor lauter Freude über die Geburt des Heilands lässt Kaiser Karl IV. schließlich die legendäre Burg Karlstein errichten.
Das Krippenmuseum in Karlstein kann ganzjährig besucht werden. Vom ersten Weihnachtsfeiertag bis zum 8. Januar öffnet das Museum immer von 10 bis 17 Uhr seine Pforten. Bis Ende März werden dann anschließend immer samstags und sonntags von 10 bis 16 Uhr Besucher empfangen. Der Eintritt kostet 120 Kronen (5 Euro) für Erwachsene, der ermäßigte Eintrittspreis liegt bei 60 Kronen (2,50 Euro).