Vor 60 Jahren: Industriestadt Ostrau wird vom Westen her befreit

Ostrava am 30. April 1945
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Heute vor 60 Jahren ging der schreckliche Zweite Weltkrieg definitiv seinem Ende entgegen. Die so genannte Ostfront hatte inzwischen auch die Grenzen des damaligen Protektorats Böhmen und Mähren erreicht, endlich wurden nun auch tschechische Städte und Gemeinden nach und nach befreit. Eine der ersten größeren Städte war das mährische Ostrava/Ostrau, das den deutschen Besatzern in den Tagen des 29. und 30. April 1945 wieder entrissen wurde. Lothar Martin hat diesem Ereignis den nachfolgenden Beitrag gewidmet.

Jaromir Breuer  (Foto: Stepan Cernousek)
(Geräuschkulisse)

Den ohrenbetäubenden Lärm der Granateneinschläge oder der so genannten Stalinorgeln bekamen die Einwohner von Ostrava und der umliegenden Agglomeration insbesondere in der zweiten Aprilhälfte 1945 zu hören, als die sowjetischen Einheiten der 4. Ukrainischen Front in ihre entscheidende und erfolgreiche Etappe der Ostrauer Operation eingetaucht waren. Warum diese große Schlacht mit über einer halben Million Soldaten auf beiden Seiten gerade hier vonstatten ging, dazu erklärte der regionale Historiker Jaromir Breuer:

"Das primäre Ziel der Ostrauer Operation war die Beendigung des Zweiten Weltkriegs auf dem Gebiet der Tschechoslowakei sowie die nach Möglichkeit vollständige Rettung des Ostrauer Industriekomplexes. Der Beginn der Operation war seitens der sowjetischen Truppen nicht erfolgreich, weil sie als Angreifer noch kein gravierendes Übergewicht an Soldaten und Technik hergestellt hatten. Das änderte sich mit dem Wechsel von General Petrow zu General Jeremenko. Nun griffen auch die Verbände der selbstständigen 1. Tschechoslowakischen Panzerbrigade und der gemischten 1. Tschechoslowakischen Fliegerdivision ins Kampfgeschehen ein. Die Division, die auch bei schlechtem Wetter operierte, setzte zwei Regimenter ein - eine Bomberstaffel und eine Jägerstaffel. Die Bomber griffen in erster Linie Bodenziele an, und die Jäger schützten sie dabei oder aber unterstützten diese, nach Möglichkeit, bei der Bekämpfung der Bodenziele."

Jana Horakova  (Foto: Stepan Cernousek)
Dass die tschechoslowakischen Truppenverbände bei ihren Einsätzen eine nicht zu unterschätzende Verantwortung trugen, das wurde uns von der Historikerin Jana Horakova bestätigt:

"Marschall Jeremenko gab den Befehl heraus, Ostrava müsse mit den möglichst geringsten Verlusten seines Industriepotentials befreit werden. Das bedeutete vor allem für die tschechoslowakischen Einheiten - die gemischte Fliegerdivision und die Panzerbrigade - bei ihren Angriffen äußerst koordiniert vorzugehen, um die Industriestätten so gut wie nicht zu beschädigen. Ziel der Luftverbände war daher vor allem die Ausschaltung der deutschen Kampftechnik, damit es in der Tat zu geringsten Verlusten bei Mensch und Material kommen sollte."

Die deutschen Besatzer hatten jedoch den Befehl, Ostrau mit allen Mitteln zu halten. Deshalb sprengten sie in den letzten Kriegstagen auch alle Brücken, die über die Oder führten, um den Vormarsch der Angreifer zum Stoppen zu bringen. Diese Maßnahmen hatten die Sowjetarmee jedoch nicht stoppen können, sondern nur deren Taktik ändern lassen, wie Jaromir Breuer zu berichten wusste:

"Möglicherweise war das einer der Gründe, warum die Front nördlich von Ostrava zum Stehen kam und weshalb sich die sowjetischen Kommandeure zu einem Angriff vom Westen her entschlossen. Eine schwierige Hürde blieb allerdings die Überbrückung der überschwemmten Opava. Die Sowjettruppen nutzten dazu jedoch ihre Erfahrungen bei der Überwindung von Flüssen in Polen und der Ukraine."

Und sie ließen sich danach nicht mehr aufhalten. Daher konnten die Einwohner von Ostrava schon in der Nacht vom 29. zum 30. April 1945 die Panzergeräusche ihre Befreier hören...

(Geräuschkulisse)