Vor 70 Jahren begann der Drahtfunk zu senden

Drahtfunk

Vor 70 Jahren begann man in der damaligen Tschechoslowakei mit der Ausstrahlung des sogenannten „rozhlas po drátě“. Umgangssprachlich wurde dieser „Drahtfunk“ im Tschechischen „dráťák“ genannt.

„Prag, Tschechoslowakei Zwei, der Drahtfunk, wir bringen die Nachrichten“, meldete sich der Nachrichtensprecher.

Beim Drahtfunk handelte sich eigentlich um ein Kabelnetz des Hörfunks, das es ermöglichte, ungestört zu senden. Errichtet wurde das Netz 1953 nach sowjetischen Vorbild. Einfache Empfangsgeräte mit einem einzigen Druckknopf gehörten damals nicht nur zur üblichen Haushaltsausstattung, sondern befanden sich auch in den Gaststätten, Fabriken und Schulen.

Die Tschechoslowakei habe damals ein einfaches Hörfunksystem gebraucht, das auch im Fall eines Militärangriffs auf den Staat einsatzfähig wäre, erklärt Tomáš Dufka. Er leitet das Archiv des Tschechischen Rundfunks.

Drahtfunk  | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„In der Literatur kann man lesen, dass der Drahtfunk während der Leningrad-Blockade für die Bewohner der russischen Stadt die einzige Hoffnung geblieben sei.“

Unter Berufung auf diese Berichte wurde in der Tschechoslowakei ein Drahtfunk mit einem Kanal eingerichtet. Für tschechische Hörer wurden vor allem Programme der Sender Praha und Brno und für die slowakischen Hörer des Senders Bratislava des Tschechoslowakischen Rundfunks ausgestrahlt. Es habe jedoch auch weitere Programme gegeben, so Dufka:

„Es wurde beispielsweise das Rundfunkturnen gesendet, zudem gab es Programme für Schulen sowie für die Armee. Gespielt wurden Arbeiterlieder und viel Volks- und Blasmusik.“

Tomáš Dufka | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

Die ersten, die den Drahtfunk empfangen konnten, waren die Bewohner des Städtchens Unhošť in Mittelböhmen, es folgten weitere Gemeinden in der Gegend von Kladno und die Prager Siedlung Zelená liška. Während die Sendungen des klassischen Rundfunks via Radiowellen verbreitet wurden, wurden Programme des Drahtfunks über ein Kabel ausgestrahlt, sodass das Radio auch im Fall eines Stromausfalls spielte. Petr Novák arbeitet als Techniker beim Tschechischen Rundfunk:

„Die Kabelleitungen wurden von einer Zentrale aus gespeist, die das Signal auf einer Niederfrequenz herstellte und es auf bis zu 600 Volt transformierte, um es zwischen den Städten besser verbreiten zu können.“

Die Aufgabe, wegen der der Drahtfunk eingeführt wurde, erfüllte er im August 1968, als die Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschierten. Der damalige kommunistische Chef der Kommunikationsverwaltung, Karel Hoffmann, schaltete die Sendungen des Rundfunks aus. Aber der sogenannte „dráťák“ sendete ununterbrochen weiter. Aus den Empfängern erklang die folgende Meldung:

Tschechischer Rundfunk | Foto: Lenka Žižková,  Radio Prague International

„Wir werden wahrscheinlich nicht mehr lange senden können, weil vor dem Eingang schon die sowjetische Infanterie steht, die wohl bald das Rundfunkgebäude besetzen wird“.

Der Drahtfunk war auch nach der Samtenen Revolution von 1989 in Betrieb. Die einfachen Empfänger mit einem einzigen Druckknopf sind erst 1999 für immer verstummt. Insgesamt gab es damals 185.000 Drahtfunkempfänger.

Autoren: Martina Schneibergová , Luděk Hubáček
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