Vorurteile in den Regionalmedien
In Prag gibt es zahlreiche Korrespondenten, die für große deutsche Zeitungen bzw. Fernseh- und Rundfunksender berichten. Die kleineren deutschen Regionalzeitungen und Radiosender sind aber in den Grenzregionen auf tschechischer Seite so gut wie gar nicht vertreten. Und auch wenn sich ihre Redaktionen in unmittelbarer Nähe der tschechischen Grenze befinden, müssen sie oft ohne direkte Informationen aus dem Nachbarland auskommen. Umgekehrt, also was Informationen aus Deutschland für Regionalmedien in den tschechischen Grenzgebieten betrifft, ist die Lage nicht besser. Mit dieser - man kann beinahe sagen - kritischen Situation hat sich an der deutschen Botschaft in Prag eine Konferenz zur regionalen Zusammenarbeit der Medien befasst. Anders gesagt: tschechische und deutsche Journalisten sind dort einander begegnet. Damit willkommen zu unserer Sendereihe Begegnungen mit Martin Jezek.
Zu beiden Seiten der Grenze zwischen Tschechien und Deutschland gibt es eine Vielzahl von Regionalzeitungen und regionalen Rundfunksendern. Doch auch wenn deren Redaktionen unmittelbar benachbart sind, arbeiten sie in nur sehr geringem Ausmaß zusammen. Meistens tauschen sie nur gegenseitig ihre Nachrichten aus. Eine Konferenz an der deutschen Botschaft in Prag hat sich letzte Woche damit befasst, wie die Medienzusammenarbeit intensiver werden kann. Der Botschafter Michael Libal bezeichnete die Rolle der Medien in den deutsch-tschechischen Beziehungen als grundsätzlich. Alle anwesenden Journalisten waren sich darin einig, dass eine Zusammenarbeit der Redaktionen entlang der Grenze kaum existiert. Viele sprachen davon, dass sie mit der Nachbarredaktion jenseits der Grenze Nachrichtenaustausch betreiben. Das funktioniert dann so, dass jemand die Nachrichten übersetzt und an die andere Redaktion faxt. Manfred Hartung aus der Redaktion Weiden-Land der Zeitung Der neue Tag hat nach der Konferenz gemeint, dass sein Blatt zwar früher mit der tschechischen Regionalzeitung Tachovsky denik/Tachauer Zeitung solchen Nachrichtenaustausch hatte. Irgendwie sei dies aber eingeschlafen. Warum, dass konnten auch seine Kollegen nicht beantworten. Zu der Frage, wie die Leser entlang der deutsch-tschechischen Grenze über ihren Nachbarn informiert werden, gibt es eine an der Universität Bayreuth verfasste Magisterarbeit. Deren Autorin Gabriela Zlamal, Mitarbeiterin der Euregio Egrensis, kommentiert ihre Ergebnisse: In der Diskussion haben die Anwesenden begründet, warum sich die Situation auch 12 Jahre nach der Wende nicht geändert hat. Der Vertreter der Zeitung Frankenpost, Michael Neubauer, wies darauf hin, dass er natürlich Ansprechpartner in Tschechien hat. Er komme aber nicht dazu, sich mit den tschechisch-deutschen Themen zu befassen. Er sei einfach überlastet. Auf der anderen Seite der Grenze, im westböhmischen Cheb/Eger, ist die Lage noch schlechter. In der dortigen Redaktion sind Telefonate ins Ausland nicht erlaubt. Und dies obwohl die Egerer Zeitung einem deutschen Verlagshaus gehört - der Passauer Neuen Presse. Die Problematik der deutsch-tschechischen regionalen Presselandschaft könnte überhaupt zu einem großen Teil auf der Medienstrasse in Passau besprochen werden. Der Passauer neuen Presse gehören nämlich nicht nur die Regionalzeitungen im Südwesten von Bayern, sondern auch die gesamte tschechische Regionalpresse sowie viele Zeitungen in Österreich. Alle diese Blätter bilden geographisch ein kompaktes Gebiet, und mitten durch dieses gebiet verlaufen die Staatsgrenzen. Der stellvertretende Chefredakteur der Passauer neuen Presse Gerd Brunner sieht darin aber keinen großen Vorteil. Seiner Ansicht nach arbeiten die einzelnen Mitglieder der Mediengruppe autonom und die Zentrale habe ihnen fast nichts vorzuschreiben. Brunner denkt, dass die Grenze in den Köpfen der Redakteure besteht. Erstens gibt es eine große Sprachbarriere. Und zweitens: man kenne sich nicht, man habe die Kontakte nicht, kenne die andere Gegend nicht.
Ideen und Projekte sind in der Konferenz trotzdem vorgestellt worden, und einige Schritte wurden auch geplant. Schon seit Jahren gibt es zum Beispiel im Pilsener Regionalstudio des Tschechischen Rundfunks die Sendung Blick über die Grenzen. Früher handelte es sich dabei - kritisch angemerkt - um eine Lesung aus übersetzten Regionalzeitungen aus der Oberpfalz. Der Tschechische Rundfunk hat daraus jedoch gelernt und die neue Konzeption der Sendung auch in der Konferenz in der Prager Botschaft vorgestellt. Mehr erzählt die Leiterin dieser Sendung, Alena Zemancikova:
"Die Sendung ist mittlerweile reformiert. Jetzt versuchen wir, eine publizistische Sendung zu machen, die für die Hörer attraktiv ist. Wir wollen unsere Hörer auch durch bekannte Namen aus den deutsch-tschechischen Beziehungen locken. Es sind dies Leute aus den Bereichen Kultur und Publizistik. Eine schöne Ergänzung sind Reportagen aus dem Alltagsleben. Es sind Gespräche mit Eisenbahnern oder Landwirten. So kriegen wir sozusagen Ansichten von unten. Die Pressenachrichten behalten wir weiter, aber nun um vieles gekürzt. Wir reflektieren alles, was im deutsch-tschechischen Bereich los ist. Bis jetzt bleiben wir unter 15 Minuten. Das müsste die optimale Länge sein."
Die deutsch-tschechischen Themen sind am Pilsener Redaktionstisch also keine Außenseiter?
"Im Tschechischen Rundfunk Pilsen sind sie keine Außenseiterthemen und können auch keine sein, wenn man die Geschichte und die geographische Lage unseres Sendegebietes Westböhmen bedenkt. An dieser Thematik kommen wir einfach nicht vorbei."
Wie sind aber die konkreten Einschaltquoten Ihrer Sendung?
"Das Interesse der Hörer sinkt nicht, wenn ich das so skeptisch sagen kann. Mit einem Wunschkonzert können wir uns nicht vergleichen. Aber schlimmere Ergebnisse als andere publizistische Sendungen haben wir auf keinen Fall. Eher bessere."
Bei idealen Bedingungen: Was wäre Ihre Vision der Sendung Blick über die Grenzen?
"Mir wäre es sehr viel Wert, wenn neben unseren tschechischen Vorstellungen auch die deutschen Ansichten Inhalt der Sendung wären. Die Fragen, die wir als Tschechen stellen, sollten durch die deutsche Sicht und durch deutsche Fragestellungen ergänzt werden. Ich selbst bin durch das Leben in der Normalisierung deformiert und ich kann mir die deutschen Fragen eigentlich nicht vorstellen. Das würde der Sache sehr viel helfen und daraus würde sie auch leben können. Der Inhalt würde objektiver."
In anderen Worten: beide Sichtweisen, die tschechische und die deutsche, müssten sich in einem einzigen Medium verbinden. Unter den gängigen Regionalmedien ist ein solches Konzept aber nicht in Sicht. Bis die Journalisten also einander tatsächlich begegnen, wird es noch lange dauern. Vom Mikrofon verabschiedet sich Martin Jezek.