Vyšehrader Codex: Das wertvollste Buch Tschechiens ist online einsehbar

Vyšehrader Codex

Wissen Sie, welchen Preis das teuerste Buch Tschechiens hat? Nicht Hunderttausende Kronen, auch keine Million – etwa eine Milliarde Kronen ist der Versicherungswert des Codex Vyssegradensis, zu Deutsch Vyšehrader Codex. Der Band aus dem elften Jahrhundert ist nun jederzeit und kostenlos online einsehbar.

Den Weg in das Archiv des Prager Klementinums säumen Dutzende Metallregale voller historischer Bücher. In der Luft hängt der schwere Geruch alten und vergilbten Papiers. Der Vyšehrader Codex – beziehungsweise seine originalgetreue Kopie – wird aber nicht hier aufbewahrt. Sie sei sicher verschlossen, sagt Renata Modráková, Expertin für mittelalterliche Handschriften bei der tschechischen Nationalbibliothek (NK):

Vyšehrader Codex | Foto: Kristýna  Maková,  Radio Prague International

„Die künstlerisch gestaltete Kopie hat natürlich einen angemessen Wert. Dieser bildet aber nur einen Bruchteil des Preises für das Original. Trotzdem ist ihre Versicherungssumme die höchste von allen und beträgt etwa eine Milliarde Kronen.“

Umgerechnet sind dies etwa 40 Millionen Euro. Die etwa 100-seitige Originalhandschrift entstand vermutlich anlässlich der Krönung des ersten böhmischen Königs Vratislav II. im Jahr 1086. Weiter erläutert Modráková:

„Im Skriptorium, also der Schreibstube, wurden im Vorfeld mehrere Ausgaben der Handschrift vorbereitet. Als dann die Bestellung eintraf – in unserem Falle von dem Přemysliden-Fürsten, also dem zukünftigen König –, wurden einige Details ergänzt, die sich auf den jeweiligen Auftraggeber bezogen.“

Tomáš Foltýn | Foto: Eva Hodíková,  Nationalbibliothek

Schon damals sei der Preis für das Papier ein beträchtlicher gewesen, ergänzt die Historikerin. Heute zählt der Band zum Nationalen Kulturerbe, und inzwischen ist er jederzeit online anzuschauen. Das Pergament wurde so genau gescannt, dass einzelne aufgemalte Krallen des böhmischen Löwen erkennbar sind oder auch feine Risse in einer Zeichnung, die den heiligen Wenzel auf dem Thron zeigt. Mit jener Technik, über die die Nationalbibliothek verfügt, hätte dieser Prozess Dutzende von Jahren gedauert, schmunzelt Direktor Tomáš Foltýn. Darum habe man auf die Hilfe einer Privatfirma zurückgegriffen:

„Für dieses Projekt einer öffentlich-privaten Partnerschaft haben die Nationalbibliothek als staatliche Institution und ein privates Unternehmen die Mittel und auch das Know-how zusammengelegt. Durch diese Verbindung konnten die Dokumente gerettet werden, die nun für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Und das ist das Ziel, das wir uns gesetzt haben.“

Vyšehrader kodex | Foto: Tschechische Nationalbibliothek

Der 3D-Scan ist auf Google Arts & Culture zu sehen. Bei historischen Dokumenten wie dem Vyšehrader Codex müssten praktischerweise keine Autorenrechte mehr berücksichtigt werden, so Foltýn weiter:

„In diesem Projekt digitalisieren wir keine Gegenwartswerke, die noch durch Autorenrechte geschützt sind. Es handelt sich vielmehr um alte Drucke aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, für die sämtliche Rechte schon längst ausgelaufen sind. Im modernen Bibliothekswesen geht es nicht nur um die Aufbewahrung der Relikte der Vergangenheit, sondern auch darum, selbst kulturelle Inhalte zu schaffen, sie zu pflegen und für künftige Generationen zu erhalten.“

Klementinum | Foto: Hana Slavická,  Radio Prague International

Auf dem Profil der tschechischen Nationalbibliothek lassen sich auf der Internetplattform virtuell etwa auch die Barockräume des Klementinums durchstreifen. Oder man kann in das Innere eines historischen Himmelsglobus schauen.

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Autoren: Daniela Honigmann , Martin Hrnčíř | Quelle: Český rozhlas
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