Dresdner Bibel: Die älteste tschechische Bibelübersetzung herausgegeben
Die älteste Übersetzung der Bibel in die tschechische Sprache ist unter der Bezeichnung „Dresdner Bibel“ bekannt geworden. Der alttschechische Text gehört zu den drei ältesten Übersetzungen der Bibel in eine Nationalsprache in Europa. Die Übersetzung stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Da der Text in der Königlichen Bibliothek in Dresden aufbewahrt wurde, wird er die „Dresdner Bibel“ genannt. Die Bibel erschien in einer kritischen Edition kurz vor Ostern im Prager Academia-Verlag.
Die kritische Edition der Dresdner Bibel umfasst fünf Teile: Der erste Teil erschien bereits 1981, und der letzte Teil wurde in diesen Tagen herausgegeben. Damit ist das Monumentalwerk, an dem seit den 1970er Jahren gearbeitet wurde, abgeschlossen. Der tschechische Bohemist Vladimír Kyas hatte bis 1990 die ersten vier Teile der kritischen Edition vorbereitet. Nach seinem Tod wurde die Arbeit an der Bibel für 15 Jahre unterbrochen. Es drohte, dass das Werk ein Torso bleibt. Die Arbeit an der kritischen Edition der Dresdner Bibel wurde dann von einem Team von Wissenschaftlerinnen am Institut für die tschechische Sprache beendet. Vorgestellt wurde die alttschechische Bibelübersetzung kurz vor Ostern unter Anwesenheit des neuen Prager Erzbischofs Dominik Duka. Für Radio Prag erläuterte Duka die Entstehung des Schriftwerks:
„Diese erste tschechische Übersetzung der ganzen Bibel stammt aus Prag. Die Experten meinen, dass es ein Kollektivwerk ist, an dem sich Dominikaner, Franziskaner, Augustiner sowie die Professoren von der Kathedralschule auf dem Hradschin beteiligten. Es ist die Frage, wer der Hauptübersetzer war. Einige der Experten sind der Meinung, dass es der Dominikaner Johann von Mähren gewesen sein könnte. Er war der Beichtvater von Karl IV. Andere wenden jedoch ein, dass dies nicht möglich gewesen sein kann, weil der Mann sehr beschäftigt war. Bemerkenswert am Text ist jedenfalls der Einfluss der aristotelischen Philosophie und der Theologie.“Die Bibel wurde im 14. Jahrhundert dem Erzbischof zufolge aller Wahrscheinlichkeit nach für Ordensschwestern übersetzt – für die Dominikanerinnen von der Heiligen Anna. Der Text habe sich nicht nur auf weitere Bibelübersetzungen, sondern auch auf Kirchenlieder ausgewirkt, so Duka:
„Diese Übersetzung - die Dresdner Bibel - diente als ein Beispiel für die erste gesamte deutsche Übersetzung der Bibel, für die so genannte ´Wenzelsbibel´. Für mich sind zudem einige Ausdrücke in der Übersetzung interessant, die sehr euphemistisch sind. Im Lukas-Evangelium spricht Lukas beispielsweise über den Neugeborenen, die Übersetzer benutzten aber tschechische Verkleinerungsformen für ein Baby - wie ´děťátko´ und ´nemluvňátko´. Und diese Ausdrücke für die Bezeichnung des Jesuskindes sind bald zum Leitmotiv der Weihnachtslieder in tschechischer, in polnischer, aber auch in deutscher Sprache geworden.“Die fünfbändige kritische Edition der Dresdner Bibel ist vor allem für Sprachwissenschaftler, Literaturhistoriker und diejenigen bestimmt, die sich für einen Vergleich verschiedener Bibelübersetzungen interessieren.