Wahlen 2002 - Havels Eingriff

Tageszeitung 'Mlada fronta DNES'

Kaum mehr fünf Wochen verbleiben bis zu den Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus. Wenn es allerdings nach Staatspräsident Vaclav Havel geht, dann soll die neue Regierung sich nicht allzu sehr von der bisherigen unterscheiden, glaubt zumindest die auflagenstärkste tschechische Tageszeitung "Mlada fronta DNES" zu wissen. Olaf Barth berichtet.

Die besagte Zeitung titelte nämlich am Montag mit den Worten: "Havel plant Regierung der CSSD und der Koalition." Die noch regierenden Sozialdemokraten blieben demnach in der Verantwortung, die vom Havel-Gegner Vaclav Klaus geführte ODS wäre damit zu weiteren vier Jahren Oppositionsarbeit verurteilt.

Der parteilose Präsident habe eine solche Regierung bei seinem jüngsten Treffen mit Vertretern des "Koaliton" genannten Bündnisses der beiden liberalen Gruppierungen KDU-CSL und US-DEU gefordert, behaupten die Mlada fronta-Reporter. Eine durchaus plausible These, da Havels Nähe zu den liberalen Gruppierungen der Öffentlichkeit wohl bekannt ist. Die an dem besagten Treffen Beteiligten üben sich jedoch in Floskeln: Die Vorsitzende der Freiheitsunion, Hana Marvanova, meint, man habe über verschiedene Varianten gesprochen und Christdemokratenchef, Cyril Svoboda, äußerte, dass er sich dazu eben nicht äußern wolle.

Tatsächlich aber hatte Havel bereits vor den letzten Wahlen in Ansprachen an die tschechischen Bürger seine Präferenzen klar zum Ausdruck gebracht. So nannte er z.B. namentlich Politiker der CSSD, der Christdemokraten und der Freiheitsunion, die er sich in der Regierung wünschte - Vertreter der Bürgerdemokraten (ODS) gehörten dabei nicht zu den Auserwählten.

Und auch diesmal hat das Staatsoberhaupt schon einige Botschaften an die Wähler gerichtet. So bemerkte er z.B. kürzlich nach besagtem Treffen mit den Koalitionsspitzen, dass die stärkste Partei nicht immer in der Regierung vertreten sein müsste. Ein deutlicher Hinweis in Richtung der laut Umfragen in der Wählergunst favorisierten ODS. Auch ein Treffen mit Kommunistenchef Miroslav Grebenicek lehnt der Dichterpräsident nach wie vor strikt ab, die Kommunisten betrachtet er nicht als demokratische Partei. Doch ein kleiner Trost bleibt den Ausgegrenzten: Bisher schnitten die von Havel vor den Wahlen gepriesenen Parteien stets schlechter ab, als in den Wahlprognosen geweissagt.

Abseits von all diesem Geplänkel hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes STEM ergeben, dass 40 % der Tschechen die Verbesserung des hiesigen allgemeinen Lebensstandards als eines der beiden zentralen Wahlkampfthemen ansehen - und dies parteiübergreifend. Für 29% ist die Lösung des Arbeitslosenproblems das wichtigste bzw. zweitwichtigste Thema. 28% nennen eine bessere Umsetzung und Anwendung der Gesetze als Priorität. Nur 15% der Befragten halten es für wichtig, dass die Tschechische Republik als vollwertiges Mitglied in die EU aufgenommen wird.

Interessant auch: Das in den vergangenen Wochen und Monaten quasi von allen Parteien hoch gehaltene Thema der "Verteidigung der nationalen Interessen" tauchte in der Top-Ten der Wählerprioritäten überhaupt nicht auf.

Autor: Olaf Barth
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