Wahlen in Tschechien: Parteien starten ihre Kampagnen
Während sich in Deutschland der Wahlkampf der heißen Schlussphase nähert, geht er in der Tschechischen Republik gerade erst los. Die Parteien bringen sich in Position, benennen ihre Spitzenkandidaten und stellen ihre Programme vor. Wie bei den vergangenen Wahlen treten auch diesmal wieder einige neue Parteien an, während andere wiederum von der politischen Bühne verschwinden.
„Das erste Ziel ist es, in unserem Land wieder für Wirtschaftswachstum zu sorgen. Ohne Wirtschaftswachstum werden keine Arbeitsplätze geschaffen, die Einnahmen des Staates erhöhen sich nicht und es ist ebenso unmöglich, sich Wohlstand und eine Erhöhung des Lebensstandards vorzustellen. Der zweite Punkt, mit dem die Sozialdemokraten in die Wahl gehen, sind die Korrekturen der bisher durchgeführten Reformen. Der dritte Punkt unseres Programms ist, die Funktionsfähigkeit des Staates wieder herzustellen. Die Menschen zahlen Steuern und verdienen es, dass sie dafür qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen erhalten. Wir wollen mit den Bürgern in den nächsten zwei Monaten reden und sie überzeugen, an den Wahlen teilzunehmen.“
Nach Vorstellung der Sozialdemokraten sollen die Renten wieder an die Preisentwicklung gekoppelt, Zuzahlungen im Gesundheitswesen abgeschafft und wieder eine progressive Besteuerung eingeführt werden.
Spitzenkandidat der ČSSD ist ihr Vorsitzender Bohuslav Sobotka. Er kandidiert als Listenführer im Südmährischen Kreis. Lubomír Zaorálek, stellvertretender Parteivorsitzender und in der Öffentlichkeit sehr bekannt, tritt im Mährisch-Schlesischen Kreis an. Interessant ist, dass der mächtige innerparteiliche Gegenspieler von Sobotka, der Kreishauptmann von Südmähren, Michal Hašek, keine Spitzenplatzierung erhalten hat. Für eine echte Überraschung sorgte die Partei, als sie für die traditionell konservativ geprägte Hauptstadt Prag den Vorsitzenden des Gewerkschaftsverbandes, Jaroslav Zavadil, aufstellte. Er muss aber gegen starke Gegner ran. So treten die beiden Spitzenkandidaten des bürgerlichen politischen Spektrums, Miroslava Němcová von den Bürgerdemokraten (ODS) und der ehemalige Außenminister und Top-09-Vorsitzende Karel Schwarzenberg, ebenfalls in der Hauptstadt Prag an.Während die Wahlkampfmaschinerie der Sozialdemokraten gut anläuft, präsentiert sich die bislang führende Partei des bürgerlichen Spektrums, die konservativ-liberale ODS, desolat. Nach dem Rücktritt von Premier Petr Nečas als Regierungschef und als Parteivorsitzender sowie dem Verlust der bürgerlichen Mehrheit im Abgeordnetenhaus wurde bisher weder ein neuer Parteivorsitzender gewählt noch ein Parteiprogramm vorgestellt. Martin Kuba, der kommissarische Parteichef, äußerte sich daher auch nur sehr allgemein:
„Unsere Kampagne wird darauf abzielen, klar in den Vordergrund zu rücken, was in diesen Wahlen das Wichtigste ist: dass die politische Rechte ihre Position verteidigt.“Dazu hat die Partei auch schon überall große Plakate aufgehängt. In Form eines Twitter-Hashtags steht dort „volím pravici“, also „Ich wähle die Rechten“. Ob das der schwer angeschlagenen Partei helfen wird, ist jedoch fraglich. Derzeit bewegt sie sich in Umfragen zwischen 8 und 13 Prozent.
Von der derzeitigen Schwäche der Bürgerdemokraten könnte die Partei von Karel Schwarzenberg profitieren. Der ehemalige Außenminister ist vor allem bei den jungen Wählern in den urbanen Ballungsgebieten beliebt. Deswegen tritt Schwarzenberg auch als Spitzenkandidat in Prag an:
„Ich würde sagen, dass die Form des Wahlkampfs sich wohl nicht von den bisherigen Kampagnen unterscheiden wird, allerdings werden die Inhalte umso ernster sein.“
Die Partei Top 09 wird unter dem Motto „Rettet die parlamentarische Demokratie“ bei den Wählern um Stimmen buhlen. Die Top 09 fürchtet, dass Staatspräsident Miloš Zeman das politische System Tschechiens ändern wolle: von einem parlamentarischen in ein präsidiales System, hieß es bereits unmittelbar nach der Auflösung des Abgeordnetenhauses. Der wenig beliebte ehemalige Finanzminister, die mächtige Nummer zwei der Partei, Miroslav Kalousek, kandidiert übrigens im Kreis Mittelböhmen. Der ist fest in der Hand der Sozialdemokraten, ein Sieg für Kalousek scheint hier also ein Ding der Unmöglichkeit. Allerdings würde seine Niederlage dort der Partei auch nicht schaden.Interessant für die spätere Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses und die Regierungsbildung wird das Abschneiden der kleineren Parteien sein. Die Partei der öffentlichen Angelegenheiten wird gar nicht mehr antreten, genauso wie die von ihr abgespaltene Gruppe Lidem. Dafür werden den Christdemokraten (KDU-ČSL) gute Chancen eingeräumt, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Ein Kunststück, von dem die Grünen in Tschechien noch weit entfernt sind. Kurz vor den Wahlen ist auch noch ihr ehemaliger Chef, Martín Bursík, aus der Partei ausgetreten. Als Grund nannte er einen Linksruck bei den Grünen und gründete die Liberal-ökologische Partei (LES).
Anders sieht die Situation bei der Partei von Staatspräsident Zeman aus. Unverhohlen machte dieser bei der Bekanntgabe des Wahltermins Werbung für die SPOZ. Ihr Programm sei ihm am nächsten, daher werde er sie wählen, so Zeman. Darauf baut die Partei auf. Die SPOZ ließ Plakate drucken, auf denen eine Postkarte mit einer Briefmarke des Staatspräsidenten abgebildet ist. Daneben steht: „Ich wähle die Zeman-Partei. Und Sie?“ Der stellvertretende Vorsitzende von SPOZ, Vladimír Kruliš:„Die Briefmarke von Miloš Zeman ist die beliebteste Marke im Land. Und jede Briefmarke mit dem Kopf von Zeman, die jemand auf einen Brief klebt, ist Teil der Wahlkampagne der SPOZ.“
Die große Unbekannte des Wahlkampfs ist das Bündnis „Ano“, zu Deutsch „Ja“. Es wurde 2011 vom Milliardärs Andrej Babiš gegründet, im vergangenen Jahr trat „Ano“ erstmals bei den Senatswahlen an, allerdings ohne Erfolg. Das will Babiš nun ändern. Er selbst kandidiert in der Hauptstadt Prag. „Ano“ setzt vor allem auf prominente Gesichter. Die Plattform schickt den Kommentator Martin Komárek und den ehemaligen Schauspieler und Botschafter Martin Stropnický ins Rennen, und auch Eishockeysuperstar Jaromír Jagr ließ sich zu einem Werbespot mit Babiš hinreißen – allerdings für dessen Konzern Agrofert.
Programmatisch ordnet sich „Ano“ rechts von der Mitte ein. Man wolle neue Methoden und neue Gesichter in die Politik bringen, so die stellvertretende Vorsitzende Věra Jourová. Die neuen Methoden sollen vor allem von in der Wirtschaft erprobten Managern kommen. Aber man wolle nicht nur wirtschaftsfreundlich agieren, ergänzte Jourová:„Die Frage der Arbeitsbedingungen hat Priorität. Es sind dringend bessere Maßnahmen für Absolventen nötig, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Und es ist einfach nur trist, dass Leute über 50 Jahre bei uns einfach als überflüssig abgetan werden. Wir planen also gerade für diese beiden Gruppen Maßnahmen, damit sie arbeiten können.“
Der Kommentator des Tschechischen Rundfunks, Petr Hartmann, erinnert daran, dass bereits andere Parteien, deren Gründer aus der Wirtschaft kamen, angetreten seien – und dann scheiterten:
„Wir haben hier einen Milliardär, einen erfolgreichen Geschäftsmann, der kein Geheimnis daraus macht, dass er in die Politik will. Er glaubt, er könne alles wie in einer Firma managen. Das wird jedoch nur in einer Diktatur funktionieren, nicht jedoch in einer parlamentarischen Demokratie. Etwas Ähnliches hat auch Vít Bárta versucht, er hat sich aber zunächst hinter bestimmten Leuten versteckt, und wollte nicht zugeben, dass er hinter der Partei der öffentlichen Angelegenheiten stand.“Die VV-Partei von Vít Bárta schaffte es in den letzten Wahlen auf Anhieb ins Parlament und ging direkt in die Regierung. Dort rieb sie sich aber schnell auf, trat schließlich aus der Koalition aus und ein Teil der Partei spaltete sich ab. Bárta selbst soll Abgeordnete bestochen haben und ihnen per Vertrag ein bestimmtes Abstimmungsverhalten aufgezwungen haben. Nun ist die Partei bei Umfragen so weit abgeschlagen, dass sie nicht erneut kandidieren wird. Bárta selbst tritt auf der Liste eines weiteren Unternehmers an: der japanischstämmige Reisebürobesitzer und Senator Tomio Okamura hat nämlich auch eine eigene Partei gegründet.