Wahlkampf zu Kommunalwahlen beginnt – Machtwechsel in Prag möglich
Seit den letzten Parlamentswahlen sind erst zwei Monate vergangen. Frei nach dem Motto „Nach der Wahl ist vor der Wahl“ bereiten sich die Parteien in Tschechien nun schon auf eine neue politische Auseinandersetzung vor: auf die im Herbst anstehenden landesweiten Kommunalwahlen.
Tůma genießt, wie auch sein Vorgänger an der Spitze der Notenbank, Josef Tošovský, großes Ansehen. Als erfahrener Banker und Wirtschaftsfachmann wird er von der TOP 09 als genau der richtige Anwärter auf das Oberbürgermeisteramt präsentiert. Er soll der in die Schlagzeilen geratenen Prager Stadtverwaltung wieder zu neuem Ansehen verhelfen.
Wie stehen Tůmas Chancen auf einen Wahlsieg und darauf, im Herbst neuer Oberbürgermeister der tschechischen Hauptstadt zu werden? Dazu der Politologe Ladislav Mrklas von der privaten Hochschule CEVRO gegenüber dem Tschechischen Rundfunk.
„Ich denke, dass die Chancen relativ gut stehen – nicht zuletzt auch deshalb, weil die TOP 09 ein ausgezeichnetes Ergebnis in Prag erzielen konnte. Angesichts der Schwierigkeiten der Prager ODS lässt sich annehmen, dass diese neue Partei auch bei den Kommunalwahlen im Herbst entweder einen Sieg oder zumindest ein sehr gutes Ergebnis erreichen kann. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass sie dann auch den künftigen Bürgermeister stellt. Es sieht so aus, dass im neuen Prager Stadtparlament mindestens vier politischen Gruppierungen Sitze erhalten werden, und die erforderlichen Koalitionsgespräche können so oder so ausfallen.“Der Erfolg der Partei TOP 09 in der tschechischen Hauptstadt bei den Parlamentswahlen ging vor allem auf das Konto des Prager Spitzenkandidaten Karel Schwarzenberg. Er allein erhielt mehr als 40.000 so genannte Vorzugsstimmen. Mit der Popularität Schwarzenbergs kann es der Bürgermeister-Kandidat Tůma wohl nicht aufnehmen. Das müsse aber seine Chancen nicht unbedingt schmälern, glaubt der Politologe Mrklas:
„Die gegenwärtige Stimmung in der tschechischen Gesellschaft ist neuen Köpfen in der Politik gegenüber sehr geneigt. Auch wenn Zdeněk Tůma lange Jahre eine öffentlich wahrgenommene Persönlichkeit war, ist er in der Parteipolitik ein Neuling. Aus diesem Grund kann ihm die jetzige gesellschaftliche Stimmung entgegen kommen.“
Die Suche nach einem geeigneten Spitzenkandidaten für die Kommunalwahlen von Seiten der TOP 09 und die Nominierung Zdeněk Tůmas ließ Erinnerungen wach werden an die Zeit, als im Frühjahr vergangenen Jahres fieberhaft nach einem Premier für die Übergangsregierung Ausschau gehalten wurde. Damals fiel die Wahl auf den Chef des Statistikamtes, Jan Fischer.
Dieser zuvor weitgehend unbekannte Beamte konnte in den folgenden Monaten atemberaubende Popularitätswerte verbuchen. Auf der anderen Seite wurde er aber mit der Zeit auch immer stärker kritisiert, dass er allzu vorsichtig agiere, oder dass er in gewissen Angelegenheiten allzu stark dem Einfluss von Lobbyisten unterlegen sei.Kann einem möglichen Oberbürgermeister Zdeněk Tůma nicht etwas Ähnliches widerfahren? Schließlich ist auch der frühere Gouverneur der Nationalbank ein politisch unbeschriebenes Blatt. Ist also Tůma nicht vielleicht der zweite Fischer? Dazu Daniel Kaiser, Kommentator der Tageszeitung Lidové noviny:
„Das ist gerade die Frage, weil das Fischer-Modell objektiv gesehen nicht besonders funktioniert hat. Bei manchen Dingen hatte Premier Fischer entweder keinen Mut oder er traute sich einfach nicht, sich zu Wehr zu setzen - zum Beispiel im Parlament oder gegenüber den Gewerkschaften. Die Öffentlichkeit hat dies allerdings nicht gesehen, und der Premier war ziemlich populär. Die gewöhnlichen Menschen sahen in Fischer einen Fachmann und dasselbe erhofft sich die TOP 09 höchstwahrscheinlich auch von Zdeněk Tůma, der als Banker nicht gerade eloquent ist, aber offensichtlich traut sich die Führung von TOP 09 ihn besser zu verkaufen.“ Unterdessen haben die Prager Bürgerdemokraten in den letzten Wochen versucht ihre Macht in Prag abzusichern. Mit ihrer absoluten Mandatsmehrheit im Stadtparlament änderte die ODS noch schnell die Wahlordnung, um ihre Chance auf ein besseres Ergebnis, als vorausgesagt, zu erhöhen. Während bis zu dieser Änderung die ganze Stadt ein einziger Wahlkreis war, soll Prag nun in sieben Wahlkreise aufgeteilt werden. Dies dürfte vor allem für kleine Parteien, die nicht flächendeckend auf dem gesamten Gebiet der Metropole vertreten sind, zu Schwierigkeiten führen, überhaupt ins neue Stadtparlament zu gelangen. Kein Wunder also, dass eine breite Koalition kleinerer Parteien, unter anderem die Grünen, der liberale Verband unabhängiger Kandidaten oder die Christdemokraten, gegen das neue Prager Wahlgesetz eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht haben. Könnte die Neustrukturierung der Prager Wahlkreise wirklich wahlentscheidend sein? Daniel Kaiser:„Ja, das kann wirklich die Wahlen entscheiden, weil die ODS hier ein höchst gefährliches Spiel angefangen hat. Es sieht so aus, als ob sich die Generäle der ODS auf die Schlachten von gestern vorbereitet hätten und nicht gemerkt haben, dass die Zeit gekommen ist, wo nicht jeder von der Partei nominierte Spitzenkandidat automatisch siegt. Es könnte eventuell auch so kommen, dass ausgerechnet die TOP 09 mit Zdeněk Tůma dann alle diese sieben Wahlkreise für sich gewinnt und die ODS mit leeren Händen dasteht.“