Wahlrecht für EU-Ausländer: 100.000 zusätzliche Wähler dürfen zur Kommunalwahl
Die Wahlen rücken näher. Am 10. und 11. Oktober wird in Tschechien über den Senat sowie über Bürgermeister, Gemeinde- und Stadträte abgestimmt. Für die Kommunalwahlen könnten die Wahlzettel knapp werden. Denn ein Gerichtsentscheid ermöglicht jetzt mehr als 100.000 zusätzlichen Personen die Partizipation. Es sind die EU-Ausländer mit einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung in Tschechien.
Der Slowake Peter Nagy wollte sich in Brünn / Brno ins Wahlregister eintragen lassen – und wurde abgewiesen. Verstehen konnte er den Beschluss nicht. „Wenn jemand schon über zehn Jahre in Brünn lebt, dann will er natürlich auf eine bestimmte Art und Weise Einfluss auf seine Umgebung nehmen“, sagte Nagy im Tschechischen Fernsehen. Der Rechtsanwalt arbeitet im Büro der tschechischen Ombudsfrau Anna Šabatová. Sie kümmert sich hierzulande um die Einhaltung der Menschenrechte. Mit der Ombudsfrau im Rücken zog Nagy vor Gericht. Am vergangenen Freitag entschied das Kreisgericht in Brünn, dass auch eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung zur Wahl der kommunalen Volksvertreter berechtigt. Die bisherige Regelung verstößt gegen EU-Recht. Anna Šabatová freute sich über den Erfolg:
„Wir vertreten schon lange diese Ansicht. Und ich bin sehr froh, dass nun auch Bürger aus den Mitgliedsländern der Europäischen Union in den Gemeindewahlen abstimmen dürfen.“Für Marek Čaněk vom multikulturellen Zentrum in Prag ist die Gerichtsentscheidung auch ein Schritt zur Integration von Ausländern in Tschechien:
„Auf diese Weise können die Gemeinden wirklich ihr Interesse an den Bevölkerungsteilen ausdrücken, die bisher keine Möglichkeit hatten, sich zu äußern. Das Wahlrecht spornt die Ausländer dazu an, herauszufinden, in welcher Umgebung sie leben und was dort alles vor sich geht. Auch in dieser Hinsicht ist das wirklich eine richtungsweisende Entscheidung.“
Anfang dieser Woche trat die staatliche Wahlkommission in Prag zusammen. Václav Henych vom Innenministerium gab danach bekannt, wie es nun praktisch weitergeht. Denn viel Zeit bleibt nicht mehr:„Das Innenministerium bereitet derzeit die genauen Informationen vor, die wir als erstes auf unserer Website veröffentlichen. Darüber hinaus wird es weitere Informationsunterlagen geben, falls jemand noch mehr Einzelheiten braucht. Außerdem setzen wir uns mit den Kreisen in Verbindung, mit der Bitte, die Gemeindeämter über den Beschluss und unsere Empfehlung zu informieren. Diese müssen dann wiederum die einzelnen Gemeinden ins Bild setzen. Denn dort sind die Menschen mit den Personen konfrontiert, die sich nun zusätzlich in die Wahllisten eintragen wollen.“
Von der Neuerung profitieren etwa 100.000 Ausländer aus der EU. Die meisten von ihnen, ungefähr 30.000 Personen, leben in Prag. Um wählen zu können, müssen sie sich schon im Vorfeld ins Wahlregister der Gemeinde eintragen lassen, in der sie gemeldet sind. Dafür haben sie noch bis zum 8. Oktober Zeit.