Warnung vor Fremdenfeindlichkeit - tschechische Wissenschaftler verfassen Aufruf

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Professoren, Dozenten und Doktoranden von Universitäten und Hochschulen aus ganz Tschechien warnen vor der rasant wachsenden Fremdenfeindlichkeit hierzulande. Am Montag haben sie einen entsprechenden Aufruf veröffentlicht. Der Appell richtet sich an Politiker, Medien und die breite Öffentlichkeit.

Václav Hořejší  (Foto: Zdeněk Vališ)
Am Dienstagmittag waren es bereits über 1300 Wissenschaftler aller Fachbereiche – von Politologen, über Historiker und Theologen, bis hin zu Naturwissenschaftlern. Dazu kamen fast 400 weitere Unterzeichner aus unterschiedlichsten Schichten der Gesellschaft. Sie alle sind vom Ton in der tschechischen Flüchtlingsdebatte erschreckt. Václav Hořejší leitet das Institut für Molekulargenetik an der Akademie der Wissenschaften und hat den Aufruf ebenfalls unterschrieben:

„Mich stimmt sehr nachdenklich, dass die tschechische Gesellschaft so fremdenfeindlich ist. Und mich stimmt ebenso nachdenklich, dass sie so wenig Empathie denjenigen Menschen entgegenbringt, die in Lebensgefahr sind, aus Kriegsgegenden fliehen und denen es sicher sehr viel schlechter geht als damals den mehreren Hunderttausend Emigranten aus der kommunistischen Tschechoslowakei.“

Foto: ČTK
Die Unterzeichner ermahnen die Politiker des Landes, sich nicht auf Kosten von Flüchtlingen und Ausländern zu profilieren. Zudem fordern sie die tschechischen Journalisten auf, mit mehr Verantwortungsgefühl zu berichten. Denn in der öffentlichen Debatte würden Migranten als „schädliches Ungeziefer“ dargestellt, das Sozialsysteme aussaugen oder morden und vergewaltigen würde. Muslime würden wiederum gleichgesetzt mit Terroristen. Der Medienwissenschaftler Josef Šlerka:

Josef Šlerka  (Foto: ČT24)
„Wir Unterzeichner des Aufrufs wollen auch die Emotionen bremsen, die das Thema hervorruft. Der Diskurs um uns herum, ob von Politikern oder unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen getragen, radikalisiert die Gesellschaft in der Weise, dass diese mehr Toleranz gegenüber Gewalt zeigt.“

Staatspräsident Milos Zeman hatte beispielsweise scharfe Töne in die Debatte gebracht. Nach einem Aufstand von Flüchtlingen in einem Abschiebelager sagte Zeman, diese sollten doch einfach aus Tschechien verschwinden. Niemand habe sie eingeladen.

Stanislav Křeček  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Am Dienstag wandte sich nicht zufällig Zemans Sprecher Jiří Ovčáček gegen die Unterzeichner des Aufrufs. Er wolle seine eigene Meinung sagen, teilte Ovčáček bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz mit: Die Initiative diene nur dazu, „den Graben zwischen den sogenannten Eliten und der tschechischen Gesellschaft“ zu vertiefen, so der Sprecher.

Laut neuesten Umfragen sind wohl 70 Prozent Menschen in Tschechien gegen die Aufnahme von Flüchtlingen. Der stellvertretende Ombudsmann Stanislav Křeček sagte in diesem Zusammenhang, es sei Aufgabe der Politiker, die Interessen der Wähler zu vertreten. Doch der prominente Philosoph Jan Sokol, ebenfalls einer der Unterzeichner und selbst früher Politiker, hielt im Tschechischen Fernsehen dem entgegen:

Jan Sokol  (Foto: Vilém Janouš,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Öffentlichkeit denkt häufig das, was ihr die Politiker sagen. Besonders in Dingen, die den einzelnen nicht persönlich betreffen, sind die Menschen von dem beeinflusst, was sie so hören. Wo etwas greifbar ist, da besteht keine so große Gefahr der Manipulation. Dort, wo etwas aber nicht anschaulich ist, ist die Möglichkeit zur Manipulation sehr groß. Ein Politiker ist nicht dafür da zu sagen, was die Leute denken, sondern was den Menschen hilft.“

Weitere Unterzeichner des Aufrufs sind zum Beispiel der Schriftsteller Ota Filip oder die Gitarristin Pavla Milcová.