Weibliches Staatsoberhaupt auf Prager Burg in zehn Jahren
Am Freitag wird in Tschechien ein neuer Staatspräsident gewählt. Die beiden Kammern des Parlaments werden zwischen dem jetzigen Amtsinhaber Václav Klaus und dem tschecho-amerikanischen Wirtschaftsprofessor Jan Švejnar entscheiden. Damit steht fest, dass das tschechische Staatsoberhaupt wieder ein Mann sein wird. Dabei hätte offenbar auch eine Frau große Chancen.
„Persönlich nehme ich dieses Ergebnis sehr positiv wahr. Es deutet nämlich auf eine bestimmte Entwicklung hin, die unsere Gesellschaft durchgemacht hat. Wenn dieselbe Frage in der Vergangenheit in Umfragen gestellt wurde, war der Anteil der positiven Stimmen in der Regel wesentlich niedriger. In dem jetzigen Ergebnis spiegelt sich die positive Erfahrung mit Frauen in politischen Positionen wider. Ihre Präsenz in der Politik, in welcher Partei auch immer, prägt sich im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit ein.“
Die hohe Zahl der Befürworter und Befürworterinnen einer Präsidentin bedeutet aber bei weitem nicht, dass diese Idee auch in die Praxis umgesetzt werden kann:
„In der Tat. Angesichts der aktuellen politischen Konstellationen hierzulande ist dies nicht umsetzbar. Der ehemalige Präsident Václav Havel hatte zwar seinerzeit in verschiedenen Interviews wiederholt gesagt, dass er sich eine Frau als seine Nachfolgerin vorstellen könnte, ich persönlich bin aber der Meinung, dass es noch eine Weile dauert, bis es so weit ist. Vorausgesetzt unser Land entwickelt sich eine entsprechende Zeit lang demokratisch weiter, müsste es zu einem relativ nahen Zeitpunkt möglich sein.“
Den Zeitpunkt für die Wahl einer Staatspräsidentin sieht Michal Pehr in 10 bis 15 Jahren. Dieser Zeithorizont würde aber kaum einem Angehörigen einer nationalen Minderheit ausreichen, um Staatspräsident hierzulande zu werden. Denn dies konnte sich in derselben Umfrage nur ein Viertel der Befragten vorstellen. Hier also ist der Entwicklungsprozess nicht weit fortgeschritten. Michal Pehr:
„Genau. Dieses Ergebnis der Umfrage verstehe ich als Ausdruck der - sagen wir - konservativen Denkweise der tschechischen Gesellschaft, die sich in ihrem Bewusstsein so etwas wie Angst vor nationalen Minderheiten eingeprägt hat. Diese basiert entweder auf negativen Erfahrungen, oder man weiß nicht, was von ihnen zu erwarten ist. Nicht zu vergessen ist, dass die tschechische Gesellschaft eigentlich relativ homogen ist und die Minderheiten im Vergleich zu Westeuropa nur einen geringen Anteil an der Gesamtbevölkerung ausmachen.“
Alles in allem heißt dies: Bis es eine tschechische Hillary Clinton oder einen tschechischen Barack Obama als Staatsoberhaupt geben wird, werden die Tschechen noch einen langen Weg zurücklegen müssen.