Weltverbrauchertag: Tschechische Kunden kennen ihre Rechte zu wenig

In Zeiten sich häufender Lebensmittelskandale, dreisten Etikettenschwindels und wachsender Gesundheitsrisiken durch genmanipulierte Nahrung sind Verbraucherschutzverbände für viele Kunden in Europa heute unentbehrlich geworden. Sie bieten den Käufern nicht nur eine Orientierungshilfe im Produkte-Dschungel, sondern auch konkreten Rechtsbeistand. Wie es in Tschechien heute um den Verbraucherschutz bestellt ist, das erfahren Sie jetzt in einer neuen Ausgabe der Sendereihe "Forum Gesellschaft" von Silja Schultheis.

15. März, Weltverbrauchertag. Eine zufällige Umfrage unter Passanten vor einer Prager Delvita-Filiale. Sind Sie mit dem Stand des Verbraucherschutzes in Tschechien zufrieden?

"Insgesamt schon denke ich, so schlecht ist das nicht. Wir sind schon älter und sind ziemlich zufrieden, besonders hier in Prag gibt es ein gutes Angebot an Waren, wir können auswählen, was wir wollen...", meint eine ältere Dame und steigt schnell in die abfahrende Strassenbahn ein.

 (Foto: Archiv Radio Prag)
Positiv bewertet die Situation auch ein junger Mann, der gerade aus dem Supermarkt kommt:

"Überwiegend schon, der Verbraucherschutz ist hier auf einem ziemlich anständigen Niveau, auch wenn es natürlich Anbieter gibt, die sich nicht so verhalten wie sie sollten. Aber man hat die Möglichkeit, sich eigenständig zu informieren und wenn man sich bemüht, findet man auch genügend Informationen."

Schulterzucken hingegen bei dieser jungen Frau:

"Darüber habe ich irgendwie noch nie nachgedacht. Aber wenn auf den Produkten ein Preis steht und man an der Kasse einen anderen Preis erfährt, dann betrügt man uns schon ganz schön und verkauft uns für dumm. Also vollkommen gut informiert fühle ich mich da nicht."

Gut informiert sein - eines der grundlegendsten Rechte des Verbrauchers. Erstmals formuliert hat sie US-Präsident John F. Kennedy am 15. März 1962 - auf seine damalige Rede vor dem US-Kongress berufen sich seitdem jährlich am 15. März Verbraucherverbände in der ganzen Welt. Verbraucherschutz - seit der politischen und (markt)wirtschaftlichen Wende von 1989 auch in Tschechien ein zunehmend wichtiges Thema. Zunächst allerdings sahen sich die Verbraucher mit ihren ungewohnt neuen Rechten ein wenig überfordert, erinnert Karel Pavlik vom tschechischen Verbraucherschutzverband (SOS), der sich 1993 gründete:

"Die Verbraucher vor 1989 mussten Schlange stehen, um überhaupt etwas kaufen zu können. Die Produkte waren oft so problematisch, dass sie sie zuhause zusammen basteln mussten, damit sie überhaupt funktionierten. Und dieselben Verbraucher sollen jetzt auf dem freien Markt alle ihre Rechte effektiv geltend machen. Und das ist für viele Verbraucher eine neue und oft komplizierte Situation."

Kompliziert erscheint vielen Verbrauchern in Tschechien offenbar vor allem die Rechtslage. Trotz eines inzwischen vergleichsweise gut entwickelten Verbraucherschutzes wissen die Tschechen von ihren Rechten und Möglichkeiten als Käufer immer noch sehr wenig - so der jüngste Befund der Tschechischen Handelsinspektion, der zum Weltverbrauchertag am 15. März veröffentlicht wurde. Durch mangelnde Kenntnis der eigenen Rechte verursachen sich viele tschechische Verbraucher letztlich selber unnötige Probleme, so die Analyse der COI. Vor allem dadurch, dass sie sich vor dem Kauf nur unzureichend über die Ware informieren bzw. fehlende Informationen nicht beim Verkäufer oder Hersteller einfordern. Für ihre Rechte beginnen sich die meisten Verbraucher erst dann zu interessieren, wenn sie bereits Probleme haben.

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Fast 15.500 Verbraucherklagen sind im vergangenen Jahr beim tschechischen Verbraucherschutzverband eingegangen - ein Viertel mehr als 2004. Karel Pavlik:

"Wir können das vor allem aus der Sicht unserer Beratungsbüros, die wir jetzt in allen Regionen der Tschechischen Republik haben, beurteilen. Immer mehr Verbraucher wenden sich an uns - bis jetzt gab es die meisten Probleme mit Reklamationen, mit Kaufverträgen. Typisch sind in Tschechien Probleme mit Schuhen oder Mobiltelefonen, weiter mit elektronischen Produkten. Aber es gibt auch zunehmend kompliziertere Probleme, zum Beispiel mit Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und so weiter."

Zweieinhalb Monate vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus wird Verbraucherschutz in Tschechien zunehmend auch zum politischen Thema. Insbesondere für die Grünen-Partei, die laut Beobachtern eine reale Chance hat, erstmals den Sprung über die Fünfprozent-Hürde zu schaffen. In ihrem Wahlprogramm fordern die Grünen u.a. bessere rechtliche Bedingungen für die Verbraucher. Grünen-Chef Martin Bursik:

Grünen-Chef Martin Bursik
"Es gibt in Tschechien keine Institution, die die Rechte der Verbraucher verteidigen würde. In anderen Ländern wie Deutschland und Österreich funktioniert das hervorragend: die Institutionen klagen im Namen der Verbraucher gegen Geschäftsbedingungen, gegen Diskriminierung von Verbrauchern etc. In Tschechien werden Streitigkeiten zwischen Händlern, Verkäufern und Kunden auf zivilrechtlicher Ebene gelöst. Und dadurch ziehen die Verbraucher klar den Kürzeren: Weil sie nicht die Mittel haben, sich einen Rechtsanwalt zu nehmen, schieben sie die Klage häufig auf die lange Bank."

Neben den Grünen beginnen sich zunehmend auch andere politische Parteien um Verbraucherschutz zu kümmern, wenn auch wesentlich weniger programmatisch, beobachtet Pavlik:

"Wir können beobachten, dass die Regierungsparteien sich jetzt viel mehr dem Thema Verbraucherschutz widmen als sie es Anfang der 90er Jahre getan haben. Jetzt hat sich die Situation aus unserer Sicht verbessert. Leider haben trotzdem nur die Grünen den Verbraucherschutz als Hauptthema. Wir würden viel lieber den Verbraucherschutz auch in anderen Wahlprogrammen lesen."