Weltwährungskonferenz in Prag beendet

Vaclav Havel

Liebe Hörerinnen und Hörer, willkommen zum heutigen Schauplatz. Die Welt hat in der vergangenen Woche auf Prag geblickt, wo die 55. Jahrestagung der beiden sogenannten Bretton-Woods- Insitutionen, des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank stattfand. Der Trubel ist vorbei, Zeit für einen kleinen Rückblick. Am Mikrofon begrüsst sie Alexandra Klausmann.

Vor dem Hintergrund der Angst einjagenden gewaltsamen Proteste hat sich vor allem Tschechiens Präsident als oberster Gastgeber der Finanziers, Minister und Zentralbankgouverneure aus aller Welt, darum bemüht, eine Atmosphäre des Dialogs zu schaffen. Prag, so Havel, sei schon von seiner Geschichte her dazu prädestiniert, der Tagung den Geist der Verständigung einzuhauchen. In seiner Rede zur Eröffnung der Tagung wiederholte Havel seine Überzeugung von der Rolle der tschechischen Hauptstadt:

Vaclav Havel
"Es ist eine große Ehre für unser Land und seine Hauptstadt, dass sich diese große Versammlung tausender Menschen aus allen Ecken der Welt, inklusive derer, die einen tiefgreifenden Einfluss haben, sich hier abspielt, und auch gerade in diesem Jahr, also in einer Zeit, die in der allgemein gültigen Zeitrechnung als Jahrtausendwende betrachtet wird. Für uns ist das eine große Ehre, Freude, eine große Herausforderung aber auch Pflicht. Ich glaube, dass Prag, welches zum erstenmal in seiner tausendjährigen Geschichte Gastgeber, eines solchen Treffens von globaler Bedeutung ist, diesem eine gute Umgebung schaffen wird an die sich deren Teilnehmer gerne erinnern werden. Die Stadt hat dafür auch bestimmte historische Bedingungen: Jahrhundertelang war sie unter anderem auch wegen ihrer geographischen Lage in der Mitte Europas nicht nur ein Ort der Konfrontation und des Konflikts, sondern auch ein Ort kreativer Zusammenkünfte, des gegenseitigen Respekts, der die Zusammenarbeit verschiedener Kulturen, Nationen und Ethnien positiv beeinflusst hat. Diese Pluralität hat auch das Gesicht der Stadt geschaffen. Es wäre gut, wenn man sich nach Jahrzehnten der Unterdrückung, der Unfreiheit und der erzwungenen Isolation an diese alte Tradition erinnern würde und wenn wir diese Stadt der Welt als geeigneten Ort zur Debatte über ihren eigenen Zustand anbieten würden."

Schon im Vorfeld der Tagung hat Havel versucht den Dialog zu fördern. Am Samstag vor Tagungsbeginn hatte er verschiedene Vertreter, wie IWF Chef Horst Köhler und Weltbank Präsident James Wolfensohn zu einer Podiumsdiskussion mit radikalen und gemäßigten IWF/Weltbankgegnern eingeladen. Unter der Leitung der ehemaligen irischen Präsidentin und jetzigen UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, kamen auf der Prager Burg der philippinische Menschenrechtler Walden Bello, die tschechische Aktivistin Katerina Liskova, die britische Globalisierungsgegnerin der Gruppe Jubilee 2000, sowie der Finanzier und Philantrop George Soros und der südafrikanische Finanzminister Trevor Manuel zusammen. Vor rund 300 geladenen Gästen trugen sie alle ihre Kritik an IWF und Weltbank vor, was die Vertreter der beiden Bretton-Woods- Institutionen ziemlich ins Schwitzen brachte.

Den Anfang der Diskussionsrunde machte die Studentin Katerina Liskova. Ihre Kritik richtete sich vor allem gegen die tschechische Seite. Wie könne man von einem Dialog sprechen, sagte Liskova , wenn 100te von Demonstranten hinter dem Eisernen Vorhang der tschechischen Grenzen zurückgehalten werden, wenn Menschen, die genug davon haben, ihr Schicksal von einer kleinen Oligarchie bestimmt zu bekommen, das Recht verwehrt wird, ihre Stimme zu erheben. IWF und Weltbank hätten sich als unreformierbar erwiesen, so Liskova weiter, und forderte deshalb ihre Auflösung.

Die Rede des philippinischen Menschenrechtsaktivisten Walden Bello ließ James Wolfensohn, der direkt neben ihm saß, den Kopf einziehen:

"Warum ist die Debatte, die Präsident Havel angeregt hat, so kritisch? Sie bereitet eine Möglichkeit für mehr als nur Rhetorik und Monolog. Vor ein paar Jahren wäre dies nicht möglich gewesen, eine Diskussion mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen würde von den Herren Köhler und Wolfensohn nicht angenommen worden. Diese zwei Herren sind heute hier, weil die Legitimität von IWF und Weltbank an ihrem niedrigsten Punkt ihrer 55 jährigen Geschichte angelangt ist. Sie können sich nicht länger einer Strategie der Verneinung aller Probleme hingeben, sondern müssen uns zuhören."

Bello beschuldigte Weltbank und IWF, für die Armut in der Welt verantwortlich zu sein, korrupte Diktaturen und ökologisch zweifelhafte Projekte zu finanzieren.

Etwas barmherziger war da schon die Vertreterin von Jubilee 2000 Ann Pettifor. Schließlich seien Wolfensohn und Köhler nur die Diener der Herren der G7 Staaten, also der gewählten Politiker, die hinter verschlossenen Türen ihre Ränke schmieden:

"Ich bin mir sehr sicher, dass diese beiden Diener nur Entscheidungen verwirklichen, die von Politikern gemacht wurden. Ich bin mir aber genauso darüber im klaren, dass IWF und Weltbank erhalten, was nicht erhalten werden kann. Sie können nicht weiter Schulden finanzieren, die nicht zurückgezahlt werden können. "

Horst Köhler
Pettifor forderte Köhler, der seit knapp vier Monaten im Amt ist, als neuer Besen gründlich zu kehren und einen 100 prozentigen Schuldenerlass für die Drittweltländer durchzusetzen. Köhler gab sich optimistisch, freundlich und zurückhaltend:

"Was habe ich getan, als ich vor vier Monaten diesen Job annahm? Ich habe mir selbst gesagt, und das ist auch nicht einfach, zuzuhören. Ich bin durch die ganze Welt gereist und habe zugehört. Als ich zurückkam, war ich überzeugt, dass es sich lohnen würde, für eine bessere Welt zu kämpfen. Ich habe Regierungsvorsitzende getroffen, die wissen, was sie machen, die ihre eigenen Probleme lösen wollen. Auch ich habe ein Herz, aber ich muss auch mein Gehirn einsetzen, um eine Lösung zu finden."

Weltbank Chef James Wolfensohn war in einer kurzen Rede noch defensiver:

"Ich fühle eine gewisse Verpflichtung gegenüber meinen Kollegen, Ihnen mitzuteilen, dass, wenn wir jeden Tag zur Arbeit gehen, wir die Institution als etwas ganz anderes betrachten. Wir glauben, dass die Weltbank gutes tut. Wir arbeiten alle verdammt hart daran, die Armut in der Welt zu bekämpfen."

Verschiedene Ansichten also, die die verschiedenen Vertreter auch beim anschließenden Spaziergang in den Gärten der Prager Burg weiterdiskutierten. Ann Pettifor gab sich eher enttäuscht. Ein Dialog, so die Aktivistin habe sich nicht richtig entwickeln können. Sie bezweifele nicht, dass Wolfensohn ein anständiger Mensch sei und auch dass Horst Köhler ein Herz habe, sei beruhigend. Aber das bringe die Debatte auch nicht weiter.

Lassen wir die letzten Worte Präsident Vaclav Havel. Bei seiner Eröffnungsrede am Dienstag scheute er sich nicht, die Probleme dieser Welt beim Namen zu nennen.

"Meine Damen und Herren, eine der Hauptthemen der Debatten über den Zustand der heutigen Welt, also auch über die Rolle der Bretton-Wooods Institutionen ist die sich vergrößernde Armut von Millionen von Menschen und die Frage, wie man dieser Armut entgegnet und sie bekämpfen kann. Debatten dieser Art, fürchte ich, setzen uns einer gewissen Gefahr aus. Nämlich der Gefahr, dass wir beginnen die Armut unbewusst als das Unglück der einen zu betrachten und den Kampf gegen sie als die Aufgabe anderer. Als ob die Menschheit in zwei Teile aufgeteilt wäre, eine durchschnittlich kleine Gruppe von Menschen oder Länder, denen es recht gut geht und einer großen Gruppe von Menschen und Ländern, die ärmer dran sind. Daraus erfolgt, dass die einen den anderen intellektuell und finanziell den anderen helfen müssen. Die heutige weitreichende Armut ist eine der sichtbarsten Erscheinungen unserer widerspruchsvollen Zivilisation. Keiner von uns kann sagen, dass er alles am besten weiß, keiner kann nicht kritisiert werden und keine Stimme sollte bagatellisiert werden.

Autor: Alexandra Klausmann
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