Weltweites Unikat: 120 Jahre Prager Stadt-Rohrpost

Im Zeitalter von E-Mail und SMS gehört sie zu den halb vergessenen Merkwürdigkeiten der Postgeschichte: die Rohrpost. In Prag hat das pfiffige und sparsame Zustellsystem aber eine große Tradition. In den 30er Jahren wurde hier ein mehr als 50 Kilometer langes Röhrensystem angelegt - heute weltweit das einzige erhaltene städtische Rohrpostnetz. Die erste Rohrpost flitzte aber bereits weit früher unter dem Prager Straßenpflaster entlang, nämlich im August 1887 - vor genau 120 Jahren.

Ein Zischen und ein trockenes Scheppern - so klingt es, wenn eine der zylindrischen Rohrpostpatronen an der Empfangsstation aus dem Rohr poltert. Mit diesem Geräusch begann eine neue Epoche im Prager Telegraphenwesen - die erste Rohrpostleitung entlastete die bis dahin endlos hin- und hereilenden Telegrammboten, weiß Rohrpost-Fachmann Jiri Hak:

Jiri Hak
"Die Leitung hat zwei der wichtigsten Postämter im damaligen Prag direkt verbunden, nämlich die Hauptpost am Wenzelsplatz und das Postamt im Rott-Haus am Kleinen Ring in der Altstadt. Die Rohrpostleitung ist im August 1887 in Betrieb gegangen, also vor genau 120 Jahren."

Die Prager Rohrpost erwies sich als zuverlässig und sparsam. Zunächst nur als interne Dienstverbindung gedacht, wurde sie noch vor der Jahrhundertwende für den öffentlichen Postverkehr geöffnet. Die große Zeit der Prager Rohrpost begann aber erst in den 1930er Jahren, so Jiri Hak:

"Das Post- und Telegraphieministerium hat in den Jahren 1927 bis 1932 ein komplettes Rohrpost-Netz zwischen den wichtigsten Prager Stadtteil-Postämtern bauen lassen, und das hat sich in dieser Form bis heute erhalten."

Die mehr als 50 Kilometer lange Prager Rohrpost ist heute weltweit das einzige städtische Rohrpostsystem. In den besten Tagen flitzten täglich bis zu 70.000 Briefbüchsen durch die engen Röhren. Das abrupte Ende kam vor fünf Jahren: Das Hochwasser beschädigte auch das Leitungssystem schwer. Der Betreib wurde nicht mehr erneuert, mit der Privatisierung der Tschechischen Post ging auch die Rohpost an den neuen Eigentümer O2 über. Einfach in Stille verrosten lassen kann man das Rohrnetz aber nicht - die kilometerlangen Rohre würden, etwa bei Gasunfällen, zum unkalkulierbaren Risiko. Außerdem ist die Rohrpost inzwischen nationales Technikdenkmal mit entsprechender Öffentlichkeitswirksamkeit. Wie also sieht die Zukunft aus? Jiri Hak ist schon seit Jahrzehnten für die Rohrpost verantwortlich, nun auch bei O2:

"Wenn man das zusammennimmt, die Werbewirksamkeit und die gesetzliche Verpflichtung des Betreibers, dann ist es im Moment am einfachsten, dem Hak einfach ein bisschen Raum zu lassen, damit er sich um die Rohrpost kümmern kann."

Die Prager Rohrpost lebt also weiter - auch 120 Jahre nach der ersten Sendung.

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