Wenig bekannte Prager Barockkapellen

Prag ist durch viele Sehenswürdigkeiten aus der Barockzeit bekannt geworden. Neben den Palästen und großen Kirchen gibt es jedoch auf dem Gebiet der Hauptstadt Prag wenigstens zwanzig kleine Kapellen, die nicht durch den Umbau älterer Sakralgebäude, sondern als neue Kirchenbauten im 18. Jahrhundert errichtet wurden. Die Mehrheit davon hatte jedoch ein trauriges Schicksal, oft sind von den ursprünglichen Barockkapellen nur noch Mauerruinen erhalten geblieben. In einige der erhalten gebliebenen Barockkapellen, die in den Stadtführern kaum erwähnt werden, lädt Sie im folgenden Spaziergang durch Prag Martina Schneibergová ein.

Die Mehrheit der im 18. Jahrhundert in Prag erbauten Kapellen wurde zuerst durch ein Dekret des Kaisers Josef II. aus dem Jahre 1783 betroffen, mit dem alle Kapellen aufgehoben wurden, in denen keine öffentlichen Gottesdienste zelebriert wurden. Viele der Kapellen dienten später wieder dem ursprünglichen religiösen Zweck, einige blieben geschlossen oder wurden nicht mehr zu sakralen Zwecken genutzt. Zum zweiten Mal wurden die Kapellen in der Zeit des militanten, antireligiös orientierten Kommunismus gefährdet. Was in den Barockkapellen noch Wert hatte, wurde gestohlen, die Objekte verödeten allmählich.

Als diese kleinen Sakralbauten erbaut wurden, stellten sie ein Zeugnis nicht nur des religiösen Empfindens der damaligen Stadtbewohner dar, sondern auch des Könnens der Maler, Architekten, Bildhauer, Holzschnitzer und Künstler anderer Professionen. Sechs der im 18. Jahrhundert errichteten Kapellen, die bis heute erhalten geblieben sind, begehen in diesem Jahr runde Jubiläen. Die Daten über die Kapellen, die Sie kaum in den Stadtführern finden werden, hat ein Mitarbeiter der Tageszeitung Mlada fronta Dnes, Jiri Kettner, anlässlich dieser Jubiläen zusammengetragen. Auf seine Erkenntnisse werden wir uns teilweise in dem folgenden Rundgang stützen.

Den Rundgang starten wir am nordwestlichen Stadtrand von Prag - im Stadtteil Predni Kopanina. Die dortige Kapelle der heiligen Marta und Ludmila, die an der Friedhofsmauer steht, wird dieses Jahr 190 Jahre alt. Sie wurde 1712 von den Jesuiten erbaut, und zwar über dem Altar, den sie an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhunderts vor der Mauer ihres Guts errichteten. Bei diesem kleinen Freilicht-Altar haben die Jesuiten sonntags und an den Feiertagen Messen gelesen, da die unweit stehende Rotunde der heiligen Maria Magdalena zu der Zeit schon zu klein war. Die etwas ungewöhnliche Verbindung der beiden Heiligen, denen die Kapelle geweiht wurde - der heiligen Marta und der böhmischen Landespatronin Ludmila - wird folgendermaßen erklärt.

Die heilige Marta galt seit dem Mittelalter als eine Schutzheilige der landwirtschaftlichen Arbeiten, bzw. der Ernte. Ludmila soll hier der Legende nach ein Gut gehabt haben. Mit der Zeit ist der Name der heiligen Marta von der Kapellenbezeichnung verschwunden. Nachdem die Kapelle 1867 von der Gemeinde gekauft worden war, wurde sie nicht mehr zu religiösen Zwecken genutzt. Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde dort ein Kolumbarium errichtet.

Eine der Öffentlichkeit wenig bekannte schöne Barockkapelle befindet sich auf dem Gelände der Tschechischen Technischen Hochschule, deren Gebäude an der Ecke des Karlsplatzes mit der Resslova-Straße steht. Einst befand sich dort ein berühmtes Kloster der Kreuzherren - der Beschützer des Heiligen Grabes. Im Klostergarten erbauten sie 1722 eine kleine Kapelle des Hl. Grabes, die jedoch nur 60 Jahre lang problemlos genutzt werden konnte. 1785 - nach der Aufhebung des Klosters übernahm das Militär die Räumlichkeiten und nutzte sie als Kasernen.

Ende des 19. Jahrhunderts richtete sich die Technische Hochschule auf dem Areal ein. Verwüstete Klosterobjekte wurden allmählich abgerissen. Das Einzige, was noch heute an die Vergangenheit dieses Ortes erinnert, ist die sogenannte "Jerusalemer" Kapelle und Reste eines Klostergangs. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Kapelle ausgeplündert, und niemand hat sich seitdem um den Bau gekümmert. Erst in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Kapelle, die dieses Jahr genau 190 Jahre alt ist, gründlich renoviert.

Vor 280 Jahren wurde die Barockkapelle der Heiligen Dreifaltigkeit erbaut, die sich im Stadtteil Smichov befindet - dort, wo die Straße Svedska die Straße Na Nesypce überquert. Der Name "Nesypka" stammt vom Familiennamen des Anwalts Jiri Maxmilian Nesyp, der dort im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts ein Gut besaß. 1722 ließ er dort eine Kapelle erbauen. Diese wurde 1783 geschlossen.

Ihrem ursprünglichen Zweck diente sie vorübergehend wieder nach 1821, als das einstige Gut Nesypka vom Prager Posamenter Frantisek Schieba gekauft wurde. Da sie den Verkehrsplänen der Gemeinde Smichov im Wege stand, wurde der westliche Teil der Barockkapelle 1914 niedergerissen. Bis heute ist nur die östliche Hälfte der Kapelle erhalten geblieben.

Eine Heilig-Grab-Kapelle, die manchmal als Jerusalemer Kapelle bezeichnet wird, befindet sich auch auf dem Hügel Petrin/dem Laurenziberg, und zwar zwischen dem Labyrinth und dem Aussichtsturm. Unweit der Kapelle steht die Hl.-Laurentius-Kirche. Die Kapelle ließ 1732 der aus Bayern stammende Priester Norbert Saazer erbauen, der beim Hl. Laurentius wirkte. Sein Traum war es, eine kleinere Kopie der Jerusalemer Hl.-Grab-Basilika in Prag zu errichten. Deswegen entsandte er Experten nach Jerusalem, die nicht nur Baupläne, sondern auch das Baumaterial - Sandstein - mit nach Prag brachten.

Die Kapelle hat eine hohe Kuppel, die von acht Säulen getragen wird, in der Kapelle befindet sich ein in den Felsen geschnitztes Grab mit einer Christus Statue. Eben hier endete der ursprüngliche Kreuzweg, der seit 1733 vom Strahov- Kloster hierher führte. An der Finanzierung des Kreuzwegs beteiligte sich auch Norbert Saazer.

Die nächste Barockkapelle, in die wir Sie nun einladen möchten und die dieses Jahr ihr 260. Jubiläum begeht, befindet sich im Stadtteil Hlubocepy bei der alten Straße, die Smichov mit Zbraslav verband. Die Kapelle der Schmerzvollen Jungfrau Maria steht direkt unter den Barrandov-Terrassen. 1742 begann dort die französische Armee den Kalksteinfelsen zu durchbrechen, um einen Weg an der Moldau entlang Richtung Zbraslav zu öffnen. Zu Anfang handelte es sich nicht etwa um einen Sakralbau, sondern um ein Pulverlager.

Es stimmt jedoch, dass das runde Lager mit seiner einfachen Kuppel den Barockkapellen sehr ähnlich war. Dies kann vielleicht auch der Grund dafür gewesen sein, warum das Lager später wirklich in eine Kapelle umgestaltet wurde. Dies geschah zum erstenmal 1847 - bis zu dieser Zeit wurde das Gebäude von den Arbeitern aus den nahe liegenden Kalksteinbrüchen genutzt. Als Kapelle diente der Bau jedoch nur vorübergehend, bald wurde er wieder in ein Lager verwandelt.

Dank finanzieller Unterstützung von Marie Hergetová, der die Firma Max Herget teilweise gehörte, wurde das Lager zum zweitenmal in eine Kapelle umgebaut und der Schmerzvollen Jungfrau Maria geweiht. Diese Rekonstruktion wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Die Gottesdienste wurden dort seit 1903 von den Beuroner Benediktinern aus dem Emaus-Kloster zelebriert - und zwar bis 1919, als sie aus dem Kloster vertrieben wurden. In den kommunistischen Zeiten wurde das Objekt seinem Schicksal überlassen, der Bau wurde ausgeplündert und teilweise vernichtet. Erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Kapelle renoviert.

Die letzte in Vergessenheit geratene Kapelle, auf die wir Sie heute aufmerksam machen möchten, befindet sich auf dem Friedhof im Stadtteil Brevnov/Breunau. Als Friedhofskapelle des Hl. Lazar/Lazarus ließ sie 1762 der 50. Abt des Benediktinerklosters in Brevnov, Bedrich Grundmann, erbauen. Dies geschah ein Jahr nach dem großen Barockumbau des Klosters. Die Kapelle ist ein Werk des italienischen Architekten Anselmo Lurago und steht direkt am Eingang zum Friedhof. Dieser wurde 1739 im westlichsten Zipfel des Klostergartens errichtet.

1778 wurde die Kapelle unter dem Abt Stepan Rautenstrauch erweitert. Der Maler Josef Hager schmückte das Gewölbe damals mit Fresken des Jüngsten Gerichts aus und bemalte auch den Altar, in dessen Mensa der gotische Grabstein des Abtes Ulrich aus dem Jahr 1381 gelegt wurde. In der Krypta unter der Kapelle errichteten die Benediktiner von Brevnov ihre Gruft.

Bei der Hl. Lazar-Kapelle in Brevnov beenden wir den heutigen Spaziergang zu den weniger bekannten Prager Barockkapellen, die dieses Jahr ein rundes Jubiläum feiern.