Wenn die Stadtflucht zur Plage wird

Illustrative photo: Christopher Amend, Pixabay / CC0
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Immer mehr Menschen ziehen weg aus den tschechischen Großstädten. Das wird zum Problem.

Illustrationsfoto: Christopher Amend,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED
„Als mein Mann und ich eine neue Wohnung gesucht haben, mussten wir feststellen, dass die Mieten in Prag einfach zu hoch liegen. Deshalb haben wir uns für Kladno entschieden“, so die ehemalige Pragerin Veronika. Sie hat den Umzug aus der Millionenmetropole in das mittelböhmische Provinznest mit seinen knapp 70.000 Einwohnern gewagt. Ihre Entscheidung haben sie und ihr Mann nicht bereut:

„In Kladno sind die Preise einfach niedriger. Vor allem wollten wir eine Wohnung, in die wir mit der ganzen Familie auch reinpassen. Kladno bietet viel für Familien mit Kindern. Uns fehlt es hier an gar nichts.“

Veronika und ihr Ehemann sind bei weitem nicht die einzigen, die sich zum Wegzug aus der tschechischen Hauptstadt gezwungen sahen. „Im Jahr 2016 sind rund 14.000 Menschen aus Prag in die umliegenden Gemeinden gezogen. Andersherum waren es nur rund 8200“, rechnet Eva Krumpová vom Statistikamt vor.

Eva Krumpová  (Foto: Archiv des tschechischen Statistikamtes)
Laut Krumpová ist das kein neuer Trend, auch wenn er sich in der letzten Zeit verschärft hat. Das Problem plagt die Großstädte bereits seit rund dreißig Jahren:

„In den 1970er und 1980er Jahren sind die Menschen vom Land in die Stadt gezogen. Ab Mitte der 1990er Jahre hat sich der Trend umgekehrt, und die Städter zogen wieder vermehrt in die Gemeinden außerhalb. Und das können wir auch heute noch beobachten.“

Schuld sind die hohen Immobilienpreise, sie sind das Ergebnis des Wohnungsmangels. Es wird zu wenig und falsch gebaut in den urbanen Zentren hierzulande. Mittlerweile sind die Wohnungspreise das Einzige, bei dem Tschechien den Westen der EU eingeholt hat. Allgemein droht, dass beispielsweise in Prag nur noch gearbeitet wird und die umliegenden Gemeinden zu Schlafstädten verkommen. Das birgt Risiken, wie Hana Landová betont:

„Derzeit pendeln jeden Tag etwa 200.000 Menschen nach Prag, und laut Experten könnte sich diese Zahl in den kommenden Jahren noch verdoppeln. Die Stadt kann das jetzt schon rein verkehrstechnisch nicht mehr stemmen. Das sieht man jeden Tag an der Überlastung der Straßen.“

Illustrationsfoto: Vlastík Novák,  Tschechischer Rundfunk
Doch auch die kleinen Gemeinden rund um die tschechischen Großstädte sind alles andere als glücklich über die Zugezogenen. Das bestätigt der Vizepräsident des Bundes der Städte und Gemeinden, Petr Kulhánek:

„Überall in den umliegenden Kleinstädten und Gemeinden sind sie mit ihren Kapazitäten am Ende. Beispielsweise ist die Nachfrage nach Kindergarten- oder Schulplätzen jetzt schon viel höher als das Angebot. Da ist dann der Staat gefragt, damit die Kommunen den Bevölkerungszuwachs stemmen können.“

Wie könnte das Problem in absehbarer Zeit aber gelöst werden? Hana Landová von der tschechischen Handelskammer plädiert für einfachere Verfahren zur Baugenehmigung. Immerhin liegen ihren Angaben zufolge Projekte für rund 40.000 neue Wohnungen in den Schubladen der Prager Bezirksverwaltungen. Doch die drohen nach und nach zu verstauben.