Wer zu lange zaudert, bekommt auch keine Sahne

Petr Rada (Foto: ČTK)

Nun steht er also fest, der Name des neuen Cheftrainers der tschechischen Fußball-Nationalmannschaft. Es ist Petr Rada, der bisherige Assistent von Ex-Auswahlcoach Karel Brückner, der nach der misslungenen EM-Endrunde in der Schweiz seinen zuvor angekündigten Abschied nahm. Ist die Beförderung von Rada nun eine gute oder eine schlechte Wahl?

Petr Rada  (Foto: ČTK)
Die Antwort auf diese Frage wird durch eine altverbriefte Fußballweisheit gegeben: Die Wahrheit liegt auf dem Platz! Mit anderen Worten: Sollte es Rada gelingen, die anstehende Qualifikation für das WM-Endrundenturnier 2010 in Südafrika erfolgreich zu meistern, dann wird in knapp anderthalb Jahren niemand mehr darüber berichten, dass Rada eigentlich nur der Notnagel unter Brückners möglichen Nachfolgern war. Im anderen Fall würde sich aber das bestätigen, was die Spatzen schon längst von Tschechiens Fußballdächern pfeifen: Das Problem liegt ganz woanders, und zwar ganz oben, in den Funktionärsstuben des Böhmisch-Mährischen Fußballverbandes (ČMFS).

Was aber kann, bitte schön, der Verband dafür, wenn ein Tomáš Rosický wegen Verletzung nicht spielen kann und ein Klassekeeper wie Petr Čech auch mal daneben greift? Mit dieser simplen Frage versuchte sich zuletzt einer der Verantwortlichen, der Vizepräsident des Verbandes und bis vor kurzem noch Manager der Nationalmannschaft, Vlastimil Košťál, aus eben dieser Verantwortung zu stehlen. Frei nach dem Motto: Bei Erfolg waren wir die ersten, die den Weg dazu geebnet haben, im Falle des Misserfolgs aber muss man die Fehler bei denjenigen suchen, die sie auf dem Platz begangen haben – den Spielern. Genau mit dieser und ähnlichen Aussagen hat Košťál den Graben zwischen Funktionären und Spielern noch breiter werden lassen.

Das ist aber nur eines der großen Sandkörner im knirschenden Getriebe des amateurhaft arbeitenden Verbandsapparates. Die Wahl des neuen Nationaltrainers hat es jetzt noch deutlicher gemacht: Bei den Oberen des Verbandes herrschte eine gewisse Planungs- und Konzeptionslosigkeit, als es galt, den geeignetsten Nachfolger von Brückner zu finden. Und das, obwohl der 68-Jährige seinen Rücktritt auch aus gesundheitlichen Gründen schon vor mehr als drei Monaten angekündigt hatte. Erst als das Desaster gegen die Türkei perfekt und die EM für Tschechien damit früher als geplant zu Ende war, machte man sich auf die Suche nach dem Neuen.

Mit den bekannten Folgen: Erfolgreiche Clubtrainer wie Karel Jarolím und Vitězslav Lavička sagten ab, weil sie bei ihren Vereinen in der Pflicht stehen. Ivan Hašek, der Wunschkandidat der meisten Tschechen, gab den Funktionären jenen Korb zurück, den er vor drei Jahren von ihnen erhalten hatte. Bei der Wahl des Verbandspräsidenten hatte man ihn als Kandidaten ausgebootet, weil er ihre heile und bequeme Welt gar allzu sehr reformieren wollte. Also suchte Košťál auch im Ausland und bekam den nächsten Korb – von Matthias Sammer. Als mit Klaus Toppmöller endlich ein alternativer Kandidat angebissen hatte, war den Vorstandsherren der Fang nicht dick genug. Ja, wenn es der Ottmar Hitzfeld gewesen wäre, dann hätten wir einem Ausländer als Trainer wohl zugestimmt, hieß es. Aber diese Koryphäe hatten sich zuvor bereits die Schweizer geangelt. Also blieb nur noch die Wahl zwischen Baum und Borke, zwischen Chovanec und Rada.

Sie fiel auf den 49-jährigen Prager, der noch keinen Verein zu Ruhm und Titeln geführt hat. Bei der Qual der Wahl sind die Funktionäre also nicht über ihren Schatten gesprungen. Von daher müssen sie sich nun nicht wundern, wenn das Licht am Ende des Tunnels noch kaum zu sehen ist.

Autor: Lothar Martin
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