Wien steht einen Monat im Zeichen der Grafik

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien

Nicht nur an der Donau, sondern auch an der Limmat: So ließen sich Veranstaltungen des Tschechische Zentrums Wien für die nächste Zeit umschreiben. Denn neben der österreichischen Hauptstadt ist diesmal zudem Zürich im Programm des Zentrums. Das Schwerpunktthema heißt indes Grafik, und das findet nur in Wien statt. Mehr dazu im Gespräch mit dem Leiter des Wiener Tschechischen Zentrums, Martin Krafl.

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien
Herr Krafl, für die nächsten Wochen hat das Tschechische Zentrum Wien einen Schwerpunkt gelegt, und zwar auf das Thema Grafiken. Das heißt, ihr Haus beteiligt sich umfangreich am Monat der Grafik in der österreichischen Hauptstadt. Was haben Sie sich für diesen Schwerpunkt ausgedacht?

„Für uns ist dieser Schwerpunkt sehr wichtig, weil wir von Anfang an den Verhandlungen zwischen der Tschechischen Republik und Österreich über die Teilnahme tschechischer Künstler an dem Projekt beteiligt waren. Wir haben uns entschieden, in der Galerie des Tschechischen Zentrums die Retrospektive ‚Prints – Stories’ des Grafikers Ondřej Michálek zu zeigen. Michálek ist 1945 in Brünn geboren und lebt heute in Olmütz, wo er am Lehrstuhl für bildende Erziehung an der Pädagogischen Fakultät arbeitet. Seit 1995 leitet er Grafikkurse an der Sommerakademie in Luxemburg und hatte bisher mehr als 20 Ausstellungen in der ganzen Welt. Auch die Kuratoren des ‚Monats der Grafik’ in Wien hatten ihn empfohlen. Ondřej Michálek führt uns mit seinen Werken durch seine Experimente, er zeigt verschiedene Überraschungen und ein nicht-traditionelles Verständnis grafischer Techniken. Ich würde sagen, dass die Werke aus seiner Serie ‚Beleuchtung und Leuchtobjekte’ am interessantesten sind und von Besuchern auch immer am meisten bestaunt werden. In diesen Werken dringt er in die intime Welt des Menschen vor, die durch Zerbrechlichkeit und zeitliche Begrenztheit gekennzeichnet ist.“

Ondřej Michálek  (Foto: Archiv von Ondřej Michálek)
Zum Thema Grafik wird ja nicht nur Ondřej Michálek von tschechischer Seite zu sehen sein. Vielleicht können Sie ein bisschen auflösen, was es von ihm, aber auch von anderen noch zu sehen gibt…

„Ondřej Michálek ist zwar nicht der einzige, aber derjenige, der es geschafft hat, an insgesamt drei Orten ausgestellt zu werden. Der zweite Ort ist das Slowakische Kulturinstitut in Wien, seine Werke werden dort im Rahmen der Ausstellung ViseGrafiken+ gezeigt. Die Ausstellung umfasst Grafikarbeiten aus der Slowakei, Ungarn, Polen und Tschechien, also aus den Visegrád-Ländern. Und außerdem sind Werke von Michálek auch bei der Hauptausstellung In.print.out im Künstlerhaus Wien. Aber bei dieser Ausstellung ist vor allem die grafische Sammlung der mährischen Galerie Brünn sehr umfangreich vertreten. Die Kuratoren Georg Lebzelter und Wojciech Krzywoplocki haben für diese Ausstellung mehr als 100 Werke verschiedener Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt nach Wien gebracht. Und als tschechischen Partner haben sie gerade die Mährische Galerie ausgewählt. Das war kein Zufall. Es handelt sich nämlich um eine erstmalige Präsentation, die auf eine Initiative des Tschechischen Zentrums Wien zustande gekommen ist. Es soll der Anfang einer längeren Zusammenarbeit zwischen dem Künstlerhaus und der Galerie sein. Diesmal sind im Künstlerhaus Plakate von den Biennalen Brünn aus den Jahren 2006 bis 2012 zu sehen. Und vielleicht noch etwas Interessantes: Unter den weiteren im Künstlerhaus vertretenen tschechischen Künstlern befindet sich auch Štěpán Malovec - er hat als Designer kürzlich die Außenfassade des Tschechischen Zentrums Wien in der Herrengasse neu gestaltet.“

Marta Sylvestrová  (Foto: ČT24)
Sind neben den Ausstellungen auch Begleitveranstaltungen geplant?

„Ja, zum Beispiel Vorträge. Der Künstler Ondřej Michálek wird selbst zweimal in Wien einen Vortrag über seine Arbeit und über die tschechische Grafik halten – und zwar am 2. Mai im Künstlerhaus und am 7. Mai bei uns im Tschechischen Zentrum. Außerdem finden mehrere Workshops und Symposien statt, bei denen unter anderem auch die Kuratorin der Mährischen Galerie Brünn, Marta Sylvestrová, anwesend sein wird.“

Im vergangenen Jahr haben wir ja bereits über das Engagement des Tschechischen Zentrums Wien in den deutschsprachigen Kantonen der Schweiz gesprochen. Diesmal präsentiert sich die junge tschechische Tanzszene, und zwar in Zürich. Was ist konkret geplant?

Andrea Miltnerová  (Foto: ČT24)
„Bei diesem Festival ‚Zürich tanzt’, das vom 3. bis 5. Mai stattfindet, gibt es die Programmsektion ‚Aerowaves Spring Forward’. Und im Rahmen dieses Teils des Festivals treten die Tanzgruppe ME-SA sowie Andrea Miltnerová auf. Aerowaves sucht jedes Jahr aus mehreren hundert Bewerbern aus Europa die 20 besten Choreografen aus, die dann die Gelegenheit erhalten, bei ‚Zürich tanzt’ aufzutreten. Unter den Top 20 befinden sich dieses Jahr gleich zwei tschechische Performances. Die unabhängige Prager Tanzgruppe ME-SA kommt mit der humorvollen Show ‚Much more than nothing’ nach Zürich, dies ist ein prickelndes Spiel mit Identität und Nationalismus über Neckereien zwischen Tschechen und Slowaken. Und dann gibt es bei diesem Festival die Solotänzerin Andrea Miltnerová mit dem ‚Tanz der magischen Ballerina’. Dies ist eine Performance, die intensive Bewegungssequenzen enthält, verflochten mit Ton-Collagen und beweglichem, hellem Design. Andrea Miltnerová ist Mitglied des Ballettensembles am Nationaltheater in Prag.“

Miroslav Sekera und Barbora Polášková  (Foto: YouTube)
Wann und wo finden die Auftritte statt?

„Die Prager Tanzgruppe ME-SA wird am Samstag, 4. Mai (16 Uhr und 19 Uhr), in der Roten Fabrik Zürich auftreten. Andrea Miltnerová tritt im Zürcher Theater der Künste auf, und zwar am Sonntag, 5. Mai, um 15.30 Uhr und um 17 Uhr.“

Dieses Jahr setzen Sie zudem eine Konzertreihe fort, bei der junge tschechische Talente im Stift Klosterneuburg auftreten. Im vergangenen Jahr waren dort zum Beispiel die Mezzosopranistin Barbora Polášková oder die Streicher Eva Jamníková und Tomáš Jamník zu sehen und zu hören. Nun kommt der 26-jährige Violinist Josef Špaček. Am 16. Mai wird er zusammen mit dem Pianisten Miroslav Sekera auftreten. Auf dem Programm stehen unter anderem Werke von Janáček, Bach, Mozart und Prokofjew. Vielleicht können Sie Josef Špaček unseren Hörern ein bisschen vorstellen?

Josef Špaček  (Foto: YouTube)
„Gerne. Josef Špaček wurde 1986 in Třebíč geboren. Er studierte am Prager Konservatorium und kam 2012 ins Finale des internationalen Königin-Elisabeth-Wettbewerbs für Violine. Dies ist einer der ältesten und weltweit anspruchsvollsten Wettbewerbe. Derzeit ist er Konzertmeister der Tschechischen Philharmonie. Das ist in seinem Alter sehr außergewöhnlich. Miroslav Sekera, 1975 geboren, ist gegenwärtig Solist des Prager Symphonieorchesters. Er begann bereits im Alter von drei Jahren, Klavier und Violine zu spielen. Sekera durfte, dank seines Talents, die Rolle des kleinen Mozarts im Oscar-gekrönten Film ‚Amadeus’ von Regisseur Miloš Forman spielen. Miroslav Sekera konzertiert in der Tschechischen Republik und im Ausland, er arbeitet regelmäßig mit dem Tschechischen Rundfunk zusammen. Vor ein paar Tagen ist eine gemeinsame CD der beiden Musiker erschienen, mit Werken von Janáček, Smetana und Prokofjew.“

Bellatrix Trio  (Foto: Archiv des Stiftes Klosterneuburg)
Sind in diesem Jahr noch weitere Veranstaltungen aus der Konzertreihe „Junge Talente der Klassik“ geplant?

„Die Konzertreihe wird im September mit dem tschechischen Bellatrix Trio fortgesetzt, bestehend aus der Querflötistin Jana Jarkovská, der Violoncellistin Zuzana Virglerová und der Pianistin Lucie Čížková. Das Konzert findet am 26. September um 19 Uhr statt. Und für diejenigen, die sich entscheiden, im Mai oder im Juni nach Klosterneuburg zu fahren, kann ich vielleicht noch einen Tipp geben: In der Sala Terrena des Klosters ist immer noch die große Ausstellung zur tschechischen Collage aus den Sammlungen der Prager Gaswerke zu sehen.“

Autor: Till Janzer
schlüsselwort:
abspielen