„Wir haben unsere Hausaufgaben erledigt“: Vizebürger Pospíšil über die Situation der Stadt Cheb
Die Stadt Cheb / Eger liegt fast direkt an der Grenze zu Bayern, bis nach dem Zweiten Weltkrieg lebte hier eine deutsche Mehrheit. In der Zeit des kommunistischen Regimes wurde Cheb dann durch den Eisernen Vorhang an der Peripherie gedrängt und vernachlässigt, heute erstrahlt die 32.000-Einwohner-Stadt fast wieder im alten Glanz. Daneben ist sie ein vitales Zentrum der tschechisch-deutschen Zusammenarbeit und präsentiert sich als ambitionierter Wirtschaftsstandort. Michal Pospíšil ist stellvertretender Bürgermeister von Cheb. Im Interview sprach er über die Entwicklung der Stadt.
„Vorneweg muss ich zunächst sagen, dass ich kein Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrates der Stiftung ‚Egerer Stadtwald‘ bin. Aber die Arbeitsweise der Stiftung gestaltet sich wie folgt: Zunächst einmal werden die Projekthemen gesammelt und besprochen. Dabei stehen vor allem die sogenannten ‚Kleinprojekte‘ im Vordergrund, da die Stiftung nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung hat. Sie arbeitet mit dem Erlös aus dem Stammkapital, welches etwa 900.000 Euro beträgt, die Zinsen belaufen sich etwa auf 20.000 Euro. Diese 20.000 Euro stehen der Stiftung zur Verfügung. Mit diesem finanziellen Mittel ist es möglich, ‚Kleinprojekte‘ wie Sprachinitiativen oder Organisationen und Gemeinden zum Beispiel beim Drucken von Infomaterialien zu unterstützen. Auf diese Weise arbeitet und unterstützt die Stiftung Projekte.“
Die Stiftung wurde ja Ende 2012 eingerichtet, sie verwaltet ein etwa 650 Hektar großes Waldstück, das in Bayern liegt. Nach der politischen Wende 1989 wurde das Gelände zwangsverwaltet, weil die Sudetendeutschen Entschädigungsansprüche angemeldet hatten. Wie haben denn eigentlich die Einwohner von Cheb auf die Lösung des Problems mithilfe einer Stiftung reagiert? Gab es Beschwerden aus der Bevölkerung?„Ich habe bis jetzt nur positive Stimmen zur Stiftungsgründung vernommen. Vor allem die jüngere Generation hat nicht mehr diese negative historische Haltung zu den Deutschen. Im Moment habe ich, wie gesagt, nur positive Rückmeldungen erhalten.“
Das tschechische Grenzgebiet in Nordböhmen gilt ja als wirtschaftlich schwach entwickelt, die Arbeitslosigkeit in den Regionen liegt weit über dem tschechischen Durchschnitt. Wie ist die Situation in Cheb?
„Uns geht es besser, was die Arbeitslosenzahlen betrifft, denn viele nutzen die Möglichkeit nach Bayern zu pendeln. Ich selbst bin für zwölf Jahre zwischen Cheb und Bayern als Landschaftsarchitekt hin und hergereist. Ich kenne diese Situation also sehr gut. Viele Bewohner aus Cheb nutzen die Möglichkeit, nach Bayern zu pendeln und suchen sich dort, wo Arbeitskräfte auf deutscher Seite benötigt werden, einen Job. Im Vergleich zum restlichen Nordböhmen ist die Arbeitsmarktlage aufgrund der Nähe zu Bayern also viel besser.“Welche Berufsgruppen pendeln denn am ehesten?
„Es handelt sich da um ganz unterschiedliche Berufsgruppen, Zum Beispiel arbeiten viele Ärzte im Krankenhauskomplex in Weiden oder in den naheliegenden Krankenhäusern. Aber auch im Bereich der Gastronomie oder dem Handwerk pendeln viele Berufsgruppen wie etwa Maurer.“Ihre Stadt liegt direkt an der Grenze zu Bayern, welche grenzüberschreitenden Projekte laufen derzeit bei Ihnen?
„Wir haben gerade die Ziel-3-Projekte in der Periode von 2007 bis 2014 beendet. Momentan warten wir auf die Entscheidung der EU zum neuen Förderzeitraum. Danach wird es weitergehen, wir besprechen bereits die Themen für die nächste Periode. Die Gartenschau ist beispielsweise ein zukünftiges Projekt, welches außerhalb der Stadt in der Nähe von Franzensbad und Kammerbühl stattfinden soll. Dabei soll auch der Tourismus gestärkt werden. 2016 gäbe es dann die Möglichkeit sich marketingtechnisch an die parallel stattfindende Gartenschau in Bayreuth anzuschließen. Sehr interessant war auch das Projekt der Kinder-Übersetzer: Schüler aus der Realschule in Waldsassen haben sich mit unseren Kindern aus dem freien Gymnasium und der Grundschule Nummer vier getroffen. Dabei entstanden sind Reiseführer für Eger, sowie Geschichten und Rätsel entstanden. Für dieses literarische Übersetzungsprojekt haben sich die Schüler sogar dreimal in Eger getroffen. Zur Beantragung neuer Projekte müssen wir jedoch abwarten, bis alles für die neue sechsjährige Finanzperiode mit der EU geregelt ist.“
Vor 25 Jahren waren die Verkehrsverbindungen nach Deutschland ja fast gar nicht vorhanden, nach 40 Jahren Eisernem Vorhang. Nun könnte man denken, die Situation hätte sich gebessert, aber die Eisenbahnstrecke Prag-Nürnberg ist noch immer nicht ausgebaut, vor allem auf deutscher Seite fehlt ein elektrifiziertes Stück. Haben Sie da aktuelle Informationen, wie es weitergeht?„Ja, wir haben unsere Hausaufgaben praktisch erledigt: Die Strecke von Prag nach Eger ist elektrifiziert. Nur die acht Kilometer bis zur Landesgrenze müssen wir noch abwarten, bis das Problem auf der deutschen Seite gelöst wird. Dazu haben sich mehrere Städte und Gemeinden am 4. Mai in Pegnitz getroffen, um eine Erklärung an den Bundesverkehrsminister zu unterzeichnen. Darin haben wir gefordert, dass die Strecke zwischen Nürnberg, Pegnitz, Marktredwitz und dann weiter, also die sogenannte Franken-Sachsen-Magistrale mit Abzweig nach Eger und Pilsen, als Prioritätsachse behandelt werden soll. Denn dieser Teil des dritten Korridors wäre nicht nur für den Personenverkehr, sondern auch für den Güterverkehr wichtig. Bis zum Jahr 2023 soll diese Strecke ausgebaut und elektrifiziert sein, dann gäbe es eine direkte Verbindung zwischen Nürnberg und Prag.“
Ende Mai gab es ja ein Erdbeben in Cheb, immerhin 4,5 auf der Richterskala. Hat es Schäden gegeben? Waren die Bürger überrascht, oder sind die Menschen schon daran gewöhnt, immerhin kommt es in der Gegend ja häufiger zu Erdstößen?„Überrascht sind die Menschen immer über ein Erdbeben, je nach Stärke. Jedoch gibt es im Raum Luby / Schönbach fast täglich Erdbeben. Im Vergleich zum Jahr 1986 war das nur ein kleines, größere Schäden haben wir nicht festgestellt. Aber ein Erdbeben ist wenig angenehm, wenn alles unter den Füßen bebt, ist das einfach kein gutes Gefühl.“