„Wir müssen in ständigem Dialog bleiben“: Erster Zukunftsfonds-Chef Werner erhält Preis Gratias Agit
Mit dem Preis Gratias Agit zeichnet das tschechische Außenministerium jedes Jahr Menschen aus, die sich weltweit um den guten Namen Tschechiens verdient gemacht haben. Am Donnerstag hat unter anderem Herbert Werner die diesjährige Ehrung erhalten. Werner wurde 1941 in Teplice / Teplitz-Schönau geboren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er vertrieben und wuchs in Ulm auf. Später saß er über 20 Jahre für die CDU im deutschen Bundestag. 1998 wurde er der deutsche Co-Geschäftsführer des neugegründeten Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Wie erinnert sich Werner an die Anfänge des Fonds zurück? Und kann die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen heute als abgeschlossen angesehen werden? Radio Prag International hat Herbert Werner vor der Preisverleihung in der Lobby eines Prager Hotels getroffen.
Herr Werner, Sie bekommen in diesem Jahr den Preis Gratias Agit vom tschechischen Außenministerium verliehen. Herzlichen Glückwunsch dazu! Sie wurden in der Vergangenheit bereits mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht – mit dem Bundesverdienstkreuz, einem Orden vom Papst, Václav Havel hat Ihnen die tschechische Verdienstmedaille übergeben. Was bedeutet nun die Auszeichnung vom Außenministerium für Sie?
„Das bedeutet natürlich eine Anerkennung meiner Arbeit. Aus Deutschland wird ja immer nur eine Person ausgewählt und das auch nicht jedes Jahr. Es ist also schon eine Ehre.“
Sie haben über 20 Jahre im deutschen Bundestag gesessen, auch während der Wende. Wie haben sich die deutsch-tschechischen Beziehungen während dieser Zeit verändert?
„Natürlich ganz gewaltig. Ich war schon immer Mitglied einer lockeren Gruppe von Menschen, die sich um die Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen bemühte, auch zu Zeiten des damaligen tschechischen Botschafters in Bonn, Jiří Gruša. Später kam es zu vielen Begegnungen mit Václav Havel, auch im Büro des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Das waren große Erlebnisse für mich. Irgendwann sagte ich, dass diese unheilvolle Diskussion zwischen Deutschen – insbesondere Sudetendeutschen – und Tschechen über mögliche Entschädigungen ein Ende finden muss. Denn sonst werden wir uns wechselseitig ständig Rechnungen präsentieren, und das geht nicht. Gott sei Dank hat sich das in eine gute Richtung entwickelt.“
Sie sind 1991 Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde geworden und 1998 dann deutscher Co-Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Wie sind Sie eigentlich genau zu diesem Amt gekommen?
„Ich hatte mich bereits zuvor in den Beziehungen betätigt. Als 1992 der erste deutsch-tschechische Vertrag unterzeichnet wurde, war ich gemeinsam mit Helmut Kohl in Prag. Schon damals haben wir unter vier und sechs Augen immer wieder diskutiert, dass man etwas tun müsste, um die Verständigung voranzubringen. Im Kreise der Ackermann-Gemeinde in München, deren Vorsitzender ich damals war, entstanden Ideen, dass man etwas Ähnliches machen müsste, wie das Deutsch-Französische Jugendwerk oder das Deutsch-Polnische Jugendwerk, das sich damals schon auf den Weg gemacht hatte. Diese Diskussion wurde dann fortgesetzt. Als ich dann Ende 1994 sagte, dass ich im Bundestag aufhören werde, weil die Zeit meines Erachtens nach 22,5 Jahren reif war, hat sich das immer mehr verstetigt. Bis die Regierung in Bonn – damals saß sie ja noch dort – überzeugt war, dass man etwas tun müsse. Aufgrund der Papiere und vorangegangenen Diskussionen meinte man, dass das Amt als Chef des Zukunftsfonds etwas für mich sein könnte. Ich sagte damals: ‚Selbstverständlich mache ich das.‘“
Wie wurde das damals wahrgenommen, dass Sie als jemand, der als Sudetendeutscher vertrieben worden war, nun den Zukunftsfonds leiten sollten? Gab es auch Kritik?
„Kritik gab es von nirgendwoher, auch nicht von der tschechischen Seite. Im Gegenteil: Ich wurde sofort voll und ganz akzeptiert, und zu Beginn des Zukunftsfonds hat mir die tschechische Seite oft mehr geholfen als die deutsche. Ich war auch nie ein Abgesandter der Deutschen, denn der Zukunftsfonds wurde auf Grundlage tschechischen Rechts gegründet. Diese Interessen habe ich vertreten. Rückkoppellungen mit dem Außenminister in Berlin gab es natürlich auch, das ist ja ganz selbstverständlich. Aber im Mittelpunkt stand die gemeinsame Sache. Probleme gab es also nie, vielleicht mit einer Ausnahme: Ich forderte ständig mehr Geld für die Entwicklung und finanzielle Gestaltung des Zukunftsfonds und auch des deutsch-tschechischen Jugendwerks (Tandem, Anm. d. Red.). Aber das ist natürlich eine Forderung, die ganz selbstverständlich immer wieder erhoben werden wird und erhoben werden muss. Sonst schläft die ganze Sache unter Umständen ein.“
Das heißt, Sie würden diese Forderung heute auch noch so treffen?
„Ich habe natürlich keinen genauen Überblick mehr. Ich denke jedoch, dass das, was geschieht, auf einem guten Weg ist. Aber natürlich würde ich auch der jetzigen Führung des Zukunftsfonds mehr Geld wünschen. Denn die Aufgaben sind immer da. Und ansonsten könnten die Haushaltskommissare sagen, dass man die Summe zurückfahren könnte. Natürlich: Mehr Geld ist immer gut.“
Hat der Zukunftsfonds seine Aufgabe erfüllt?
„Er hat die Aufgaben erfüllt, die damals gestellt worden sind. Aber ich bin der Meinung, dass er auch weiterhin eine Zukunft und eine Aufgabe hat. Es ist falsch zu sagen, dass wir den Fonds jetzt nicht mehr brauchen. Das Zusammenwachsen und die ständige Begegnung sind weiterhin wichtig.“
Erachten Sie die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen für erfolgreich und abgeschlossen?
„Versöhnung bedeutet nicht, dass wir sagen, am Tag XY sind wir versöhnt und haben keine Probleme und Diskussionen mehr. So geht es nicht. Die großen Streitthemen sind meines Erachtens weitgehend beigelegt. Deutsche und Tscheche können heute unbefangen über alles diskutieren. Aber wir müssen in ständigem Dialog bleiben.“
Als Co-Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds haben Sie in Prag gelebt. Sind Sie der Stadt weiterhin verbunden geblieben? Kommen Sie öfter hierher?
„Ja, seit meinem Weggang, war ich immer wieder hier, weil wir hier einige Freunde haben, mit denen wir in ständigem Kontakt sind. Und auch meine ganze Familie ist von Prag begeistert. Meine Kinder hatten mich hier öfter besucht, lernten die Stadt lieben und kommen auch selber immer wieder gern hierher.“
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der deutsch-tschechischen Beziehungen?
„Dass es so positiv weitergeht. Und ich würde mir wünschen, dass die beiden Regierungen in einem ständigen Prozess sind und überlegen, wie sie eine gemeinsame Politik im Bereich der EU und der Nato vorantreiben können – im Hinblick auf eine echte Gemeinschaft. Dann würden sich viele politische Probleme etwas weicher darstellen, die zurzeit in ihrer Härte in Europa bestehen.“