Regierungen in Deutschland und Tschechien prüfen Fortführung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds

Deutsch-tschechische Gesprächsforen, Entschädigung für NS-Opfer, Begegnungen von Jugendgruppen: Seit 1997 unterstützt der in Prag ansässige Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds solche Projekte, um die Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen zu fördern. Ursprünglich war die Laufzeit des Fonds auf zehn Jahre begrenzt worden und würde damit 2007 enden. Doch prüfen die Regierungen in Tschechien und Deutschland nun, ob der Zukunftsfonds weitergeführt wird.

Auf den ersten Blick hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds seine Mission bereits erfüllt: Dank der von ihm unterstützten Projekte hat sich das Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen weitestgehend normalisiert und ist heute besser denn je. Ausgedient hat der Zukunftsfonds deswegen aber noch lange nicht, wie sein deutscher Geschäftsführer Herbert Werner betont:

"Selbstverständlich brauchen wir noch einen Zukunftsfonds, denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass trotz aller äußerst erfolgreichen Entwicklungen in den vergangenen Jahren eine weitere positive Entwicklung immer noch möglich ist."

Jan Lontschar, Direktor des Koordinierungszentrums für Schüler- und Jugendaustausch "Tandem" in Pilsen, spricht sich ebenfalls dafür aus, die Zusammenarbeit zwischen Tschechien und Deutschland weiterhin zu fördern:

"Das ist so ähnlich wie mit einer Blume. Wir können eine Blume haben, aber wir müssen sie auch pflegen. Wenn man sie nicht pflegt, kann es sein, dass die Blume einfach abstirbt. Mit den deutsch-tschechischen Beziehungen ist es dasselbe. Wenn wir diese Beziehungen nicht pflegen, können sie auch nicht gut sein."

Die Diskussion über die Fortführung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds war Mitte Februar durch eine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion an die deutsche Bundesregierung ausgelöst worden. Bislang gibt es weder von tschechischer noch von deutscher Seite eine offizielle Mitteilung über die Zukunft des Fonds. Herbert Werner ist dennoch zuversichtlich, dass dieser auch nach 2007 bestehen bleibt:

"Ich glaube der entscheidende Punkt wird nicht sein, ob er verlängert wird. Ich persönlich gehe nach allen Hintergrundgesprächen mit Parlamentariern in beiden Ländern und auch mit Mitgliedern der Ministerien davon aus, dass er verlängert wird. Die Frage wird sein, ob die sich in einer schwierigen finanzpolitischen Lage befindenden Regierungen in Prag und in Berlin die entsprechenden Einzahlungen finden werden."

Es geht also darum, die Finanzminister beider Länder davon zu überzeugen, dass der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds nur mit zusätzlichen Mitteln effizient weiterarbeiten kann. Die 84 Millionen Euro, mit denen die tschechische und die deutsche Regierung den Zukunftsfonds nach einer gemeinsamen Erklärung im Januar 1997 ausgestattet haben, werden bis 2007 weitestgehend aufgebraucht sein. Das Koordinierungszentrum "Tandem", das Büros im bayerischen Regensburg und im westböhmischen Pilsen unterhält, war eine der Institutionen, die von den Zuwendungen des Fonds profitierte. Dazu Jan Lontschar:

"Wir haben sehr gute Beziehungen zum Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Es gibt das Programm für freiwillige berufliche Praktika. Glücklicherweise wurde unser Antrag bewilligt und so können wir dieses Programm mit Hilfe von Finanzen des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds weitermachen."

Der Löwenanteil der Mittel kam jedoch bisher nicht dem Jugendaustausch zu Gute, sondern dem so genannten Sozialprojekt, das darauf ausgelegt ist, Opfer nationalsozialistischer Gewalt finanziell zu entschädigen: Knapp 45 Millionen Euro werden insgesamt an ehemalige Zwangsarbeiter ausgezahlt. Nach Auskunft von Herbert Werner wird das Sozialprojekt in zwei Jahren abgeschlossen sein. Werner plädiert dafür, den Schwerpunkt künftig auf zukunftsorientierte Arbeitsbereiche zu legen. Die Begegnung von jungen Tschechen und Deutschen soll dabei das Herzstück bilden:

"Bereiche, die meines Erachtens verstärkt werden sollten und könnten, sind natürlich die Arbeit im Bereich von Jugend und Jugendaustausch - ich denke jetzt an den Bereich von Schulen, ich denke aber auch an die Universitäten. Ich denke an gezielte Stipendienprogramme. Da sind wir derzeit nur in geringem Umfang tätig."

Erst seit dem Wintersemester 2002/2003 vergibt der Zukunftsfonds Stipendien an deutsche und tschechische Studenten, die im jeweiligen Nachbarland eine Hochschule besuchen wollen. Um auf diesem Gebiet langfristig erfolgreich arbeiten zu können, ist es nach Herbert Werners Auffassung nötig, dass der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds zu einer dauerhaften Institution wird. Als Vorbild dient ihm dabei die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, die seit mehr als 40 Jahren von den Regierungen der beiden Länder gefördert wird. Bei "Tandem" liegt das Hauptaugenmerk bereits seit der Gründung im Jahr 1997 auf dem Austausch von Jugendlichen aus Deutschland und Tschechien. Die Angebote sind vielseitig: Das Koordinierungszentrum hilft bei der Suche nach einem Praktikum im Nachbarland, vermittelt zwischen tschechischen und deutschen Schulen, die an einem Austauschprogramm interessiert sind oder veranstaltet Pfadfinderlager. Jan Lontschar über das Hauptanliegen von "Tandem":

"Wir versuchen, die Leute zu motivieren, das andere Land zu besuchen und an verschiedenen Projekten mit den anderen zusammenzuarbeiten und das Land zu erkunden. Das Treffen mit den anderen Leuten und learning by doing ist für mich das Wichtigste."

Vor allem vom "Tandem" organisierte Sprachkurse hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds in den vergangenen Jahren wiederholt bezuschusst. Die Kurse sind nicht auf die Vermittlung von Sprachkenntnissen beschränkt, sondern richten sich auch an Sprachanimateure. Diese sollen auf fünftägigen Seminaren lernen, die jeweilige Fremdsprache spielerisch zu vermitteln. Jan Lontschar hofft, dass vor allem auf deutscher Seite das Interesse an den Sprachkursen noch wächst:

"In Tschechien wird noch relativ oft die deutsche Sprache unterrichtet und deswegen haben die Leute auch diese sprachliche Motivation. Leider gibt es noch immer sehr viele Deutsche, die kein Tschechisch verstehen."

Ob der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds Veranstaltungen des "Tandems" demnächst noch stärker als bisher fördern kann, hängt wesentlich von seiner künftigen Gestalt ab. Bislang steht nicht fest, wie der Fonds nach seiner offiziellen Laufzeit aussehen wird. Ein Experte für Stiftungsrecht prüft derzeit im Auftrag des deutschen Auswärtigen Amtes unterschiedliche Modelle. Dazu Herbert Werner:

"Es gibt hier nur zwei vage Vorstellungen, die sich immer wieder in der Diskussion befinden: Das ist zum einen, den Zukunftsfonds zunächst einmal fortzusetzen und schauen, ob man jährliche Zuzahlungen oder Einzahlungen seitens der Regierungen bekommt, oder aber eine umfassende Lösung auf den Weg zu bringen mit einem festen Gründungskapital, aus dem der Zukunftsfonds dann als eigenständige Stiftung auch in Zukunft leben und arbeiten könnte."

Mit dem Gutachten, das über das Schicksal des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds entscheidet, ist frühestens Mitte des Jahres zu rechnen. Bis dahin hat Herbert Werner noch Zeit, sich sein persönliches Wunschmodell auszumalen:

"Ich hoffe, dass der Zukunftsfonds künftig auch selber Projekte in Angriff nehmen und durchführen kann. Das ist uns bisher versagt. Wir haben nur die Projekte anderer zu fördern und manchmal ist es so, dass man vielleicht selber den Stein werfen könnte, um eine Konferenz oder ein bestimmtes Projekt auf den Weg zu bringen."

Zwar hält es Herbert Werner für verfrüht, schon jetzt über konkrete Vorhaben zu sprechen. Er hat aber schon eine ungefähre Vorstellung davon, auf welchem Gebiet der Zukunftsfonds selbst aktiv werden könnte:

"Mir fällt auf, dass - trotz der gesamten Hintergrunddiskussion, die wir in Deutschland über die NPD in Sachsen, über Glatzköpfe auf den Straßen und über das gemeinsame Auftreten von Rechtsradikalen in der Bundesrepublik Deutschland aber auch hier in der Tschechischen Republik führen - dieser Bereich in der gesellschaftlichen Diskussion kaum aufgegriffen wurde. Ich kenne die Hintergründe nicht. Aber wir wissen sehr wohl, dass es auch hier einen sehr beachtlichen Stamm an Rechtsradikalen gibt, die sich punktuell mit deutschen Rechtsradikalen zusammenschließen."

Damit jedoch der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds den Dialog in diesem Bereich durch eigene Veranstaltungen vorantreiben kann, müsste die bisherige Satzung geändert werden. Ob es so weit kommt, wird sich erst nach Veröffentlichung des Gutachtens über die Zukunft des Fonds zeigen.