Wissenschaftler dokumentieren 100 verschwundene Orte in Mähren und Schlesien

Hřibová, Jeseník

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Orte in Mähren und Schlesien verschwunden. Ausgangspunkt war die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung, ein kleinerer Teil der Orte wurde aber auch erst später zerstört. Über 100 solcher Siedlungen haben Wissenschaftler von der Mendel-Universität in Brno / Brünn mittlerweile im Rahmen eines Projektes dokumentiert.

Muzlov / Mußlau | Foto: Archiv des Dorfes Muzlov

Etwas mehr als die Hälfte der Orte befand sich in den äußeren Gebieten der Bezirke Šumperk / Mährisch Schönberg, Jeseník / Freiwaldau und Bruntál / Freudenthal. In zwei Fällen sind Lehrpfade geplant, die an verschwundene Bauten und Gemeinden erinnern. Der eine entsteht bei Velké Losiny / Groß Ullersdorf nördlich von Šumperk, der andere in Muzlov / Mußlau, das heute zu Březová nad Svitavou / Brüsau südlich von Svitavy / Zwittau gehört. In Velké Losiny wurden bereits die Infotafeln aufgestellt. In Zukunft soll es zudem eine App geben, mit der man übers Handy auch die Erinnerungen von Vertriebenen anhören kann.

Die Wissenschaftler haben im Rahmen des Forschungsprojekts nach früheren Bewohnern gesucht. „Für die Gegenden Jeseník und Šumperk konnten wir aber nur zu drei ehemaligen Bewohnern verschwundener Gemeinden oder ihren Nachkommen, die heute in Deutschland leben, Kontakt aufnehmen“, sagte Hana Vavrouchová vom Institut für Angewandte Ökologie und Landschaftsökologie (UAKE) der Mendel-Universität. Im Fall der Gemeinde Muzlov, die definitiv erst in den 1970er Jahren durch den Bau eines Wasserwerkes verschwand, habe man hingegen sechs ehemalige Bewohner ausfindig machen können, so Vavrouchová.

Foto: Mendel-Universität in Brno / Moderní kronika obce

Laut der Wissenschaftlerin haben einige Vertriebenen die früheren Heimatorte besucht. Sie seien meist enttäuscht gewesen über den Wandel der Gegend. „Oft sprachen sie auch davon, dass sie vor der Vertreibung in der Umgebung der Dörfer wichtige Sachen vergraben hätten für den Fall der Rückkehr – zum Beispiel Geschirr oder auch eine Nähmaschine“, sagte Hana Vavrouchová gegenüber der Presseagentur ČTK.

Das Projekt „Verschwundene Siedlungen Mährens und Schlesiens“ ist multimedial. So entstehen unter anderem eine interaktive Landkarte, Videos und eine App mit dem Titel „Moderní kronika obce“ (Moderne Gemeindechronik). Die Website www.zanikla-sidla.cz ist auf Tschechisch, Deutsch und Englisch verfügbar.