„Wo ist mein Heim“- Jindřich Štreit fotografiert Menschen am Rande der Gesellschaft

Foto: Martina Schneibergová

Jindřich Štreit ist einer der bekanntesten tschechischen Fotografen der Gegenwart. Am Mittwoch wurde in Prag eine Ausstellung seiner Fotografien eröffnet. Unter dem Titel „Wo ist mein Heim“ sind Aufnahmen aus der Welt der Obdachlosen zu sehen.

Foto: Martina Schneibergová
Das Lied von Heda Pěňová passte hervorragend zu den großformatigen Fotos. Porträts von Menschen, die ein hartes Leben hinter sich haben. Aber genauso Bilder von Alltagsgegenständen, die an Stillleben erinnern. Auch wenn sich sein künstlerischer Stil ändere, das Grundlegende bleibe, sagt Vladimír Birgus von der Schlesischen Universität in Opava / Troppau über den Fotografen Jindřich Štreit:

„Es sind die Bewunderung für die einfachen Menschen, Empathie. Zudem die Fähigkeit, auch in den Menschen etwas Schönes zu suchen, die am Rande der Gesellschaft leben, die weder hübsch noch gut gekleidet sind. Er kann in diesen Menschen einen Funken entdecken und deren Sehnsucht nach etwas Besserem darstellen.“

Vladimír Birgus  (Foto: Martina Schneibergová)
Derartige Fotos habe Jindřich Štreit schon in den 1970-er Jahren geschossen, erklärte Birgus. Niemand anderer habe das Leben auf dem Land so wie er eingefangen, meint der Experte. Štreit ging während des Kommunismus das Risiko ein, wegen seiner Fotos verfolgt und verhaftet zu werden. Nach seiner Freilassung durfte er nicht mehr als Lehrer arbeiten. Vladimír Birgus:

„Dieser Zyklus von Fotografien entstand über vier Jahre. Obdachlose sind ein sehr schwieriges Thema, mit dem sich inzwischen viele Fotografen beschäftigen. Ich habe beispielsweise vor ein paar Monaten im Haus der Fotografie in Paris eine derartige Ausstellung gesehen. Die dortigen Fotos waren noch größer, sie waren technisch vollkommen, aber es fehlte dort die Menschlichkeit und die Einfühlsamkeit von Jindřich Štreit. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Zyklus den Höhepunkt seines Schaffens der letzten Jahrzehnte darstellt. Die Fotos wirken wie Werke alter Meister, es sind nicht mehr Fotos, sondern Bilder.“

Lukáš Curylo  (Foto: Martina Schneibergová)
Jindřich Štreit arbeitete beim Fotografieren mit der tschechischen Caritas zusammen. Sie ist die größte nicht staatliche Organisation, die Bedürftigen und auch Obdachlosen hilft. Lukáš Curylo ist der Direktor der Caritas. Er machte bei der Vernissage darauf aufmerksam, dass unter den Obdachlosen oft Menschen mit Hochschulabschluss sind, die aus den verschiedensten Gründen auf der Straße gelandet sind.

„Die Menschen am Rande werden manchmal von den anderen übersehen, aber sie haben auch ihre Freuden und Sorgen. Sie sind dankbar für jede Spende und jede gereichte Hand die ihnen aus der Situation hilft, in der sich jeder von uns irgendwann befinden könnte. Es freut uns, dass Jindřich Štreit das Leben dieser Menschen so gut eingefangen hat.“

Michaela Marksová  (Foto: Martina Schneibergová)
An der Vernissage nahm auch die Ministerin für Arbeit und Soziales, Michaela Marksová, teil. Bei ihren Reisen durch Tschechien habe oft erlebt, dass Gemeinden eng mit der Caritas oder einer anderen Organisation zusammenarbeiten, um Obdachlosen zu helfen. Dies sei immer ermunternd, so Marksová:

„Aber ich schätze, dass in ungefähr der Hälfte der Städte und Gemeinden bei uns dies nicht der Fall ist. Sie sind nicht imstande den Obdachlosen, aber auch alleinstehenden Müttern in Not zu helfen. Auch wenn ich Ministerin bin, habe ich keine direkte Möglichkeit, ihnen anzuordnen, dass sie das machen. Ich glaube, dass auch eine derartige Fotoausstellung die Menschen dazu motivieren könnte, den Bedürftigen unter die Arme zu greifen.“

Jindřich Štreit  (Foto: Martina Schneibergová)
Jindřich Štreit bedankte sich bei der Vernissage vor allem bei den Sozialarbeitern, ohne die er die Fotos nicht hätte machen können.

„Eine Mehrzahl der Fotos entstand im Caritas-Zentrum Samaritan in Olomouc. Die Sozialarbeiter halfen mir, die Türen und die Herzen der Menschen zu öffnen, die ich dann fotografierte. Ich habe auch an anderen Orten Fotos gemacht – darunter in Ostrava, Tábor oder Přerov. Ohne die Sozialarbeiter wären sie jedoch nicht entstanden.“

Die Ausstellung ist bis 26. Februar in der Galerie der Česká spořitelna in der Straße Rytířská Nr. 29 in Prag zu sehen. Die Galerie ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet.