Zeman, Sobotka, Hašek: Die Krise der Sozialdemokratie und ihre Gründe

Bohuslav Sobotka (Foto: Archiv ČSSD)

Die tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD) präsentieren sich derzeit äußerst uneinig. Nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus hatte eine Gruppe aus der Parteiführung versucht, den amtierenden Vorsitzenden Bohuslav Sobotka zu stürzen. Involviert in den Sturz war auch Staatspräsident Miloš Zeman. Der ehemalige Sozialdemokrat versucht seit seiner Direktwahl in das höchste Staatsamt, die Geschicke der ČSSD in seinem Sinne zu beeinflussen. Zugute kommt ihm dabei die Spaltung der Partei in jene zwei Flügel, die nun um die Vorherrschaft ringen.

Präsidentenwahl 2003 | Foto: ČT24
Im Jahr 2003 waren das Parlament und der Senat der Tschechischen Republik dazu aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen. An der Regierung waren die Sozialdemokraten, das Amt des Premiers hatte Vladimír Špidla inne. Der sozialdemokratische Gegenkandidat zu Václav Klaus war bereits in der ersten Runde des komplizierten Wahlverfahrens ausgeschieden. Špidla sagte:

„Die Sozialdemokratie ist nicht gespalten. Die Partei hat nur eine falsche Strategie gewählt, mit der Nominierung eines zu parteinahen Kandidaten.“

Miloš Zeman  (Foto: ČTK)
Der unterlegene Kandidat war der ehemalige Premier Miloš Zeman. Seine frühe und deutliche Niederlage ging vor allem darauf zurück, dass die Abgeordneten der eigenen Partei ihm die Gefolgschaft verweigert hatten. Diese Demütigung hat Zeman nie verwunden. Im Jahr 2007 trat er nach einem Streit mit dem damaligen sozialdemokratischen Premier Jiří Paroubek aus der ČSSD aus. Er gründete die Partei SPOZ (Partei der Bürgerrechte), mit der er 2010 zu den Parlamentswahlen antrat. Sie schaffte nicht den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, und Zeman trat vom Vorsitz zurück. Gleichzeitig aber erreichten die Sozialdemokraten damals nicht den avisierten Wahlsieg – Experten waren der Meinung, Zeman habe mit seiner Partei dazu beigetragen. Das Wahlergebnis kommentierte damals Bohuslav Sobotka. Als stellvertretender Parteivorsitzender sagte er 2010:

Petr Nečas  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir sind Realisten. Vor den Wahlen hatten wir gehofft, dass unsere Chancen, eine Regierung zu bilden, durch ein gutes Ergebnis gestützt würden. Nun haben wir 22 Prozent, für die wir den Wählern zwar sehr dankbar sind. Aber realistisch gesehen schränkt dieses Ergebnis der Parlamentswahlen unsere Chancen auf die Teilnahme an einer Koalitionsregierung ein.“

Sobotka sollte mit seiner Prognose Recht behalten: Der konservative Politiker Petr Nečas bildete eine Koalition aus seiner Demokratischen Bürgerpartei (ODS), der Partei Top 09 und der Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV).

Jiří Paroubek  (Foto: Archiv Radio Prag)
Sobotka selbst kandidierte nach der Niederlage und dem Rücktritt des Vorsitzenden Jiří Paroubek für den Vorsitz der ČSSD. Dabei sah er sich aber mit einem mächtigen Gegenkandidaten konfrontiert: Michal Hašek. Der Hauptmann des Südmährischen Kreises und Vorsitzender der Vereinigung der Kreise der Tschechischen Republik wollte ebenfalls Parteichef werden. Beim Parteitag der ČSSD im März 2011 sagte Hašek:

„Eine Ursache für unsere Niederlage in den Wahlen war unsere zeitweilige Verschlossenheit, vielleicht auch unsere Radikalität und unser Negativismus. Ich stehe hier mit einer klaren Vorstellung, wie das zu ändern ist. Ich möchte aus der Sozialdemokratie eine Kraft machen, die eingefahrene Wege verlässt. Eine Kraft, die keinen aktiven Widerstand ausruft oder sogar den Hass des Rests der Gesellschaft auf sich zieht.“

Michal Hašek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Hašek spielte damit auf den ruppigen Führungsstil des vorherigen Vorsitzenden Jiří Paroubek an, der vor allem bei der jüngeren tschechischen Bevölkerung auf heftigen Widerwillen gestoßen war.

Für seine Ideen erhielt der Kreishauptmann durchaus Unterstützung beim Parteitag, im ersten Wahlgang stimmten 291 Delegierte für ihn, 298 für Sobotka. Damit verpasste Sobotka die nötige 50-Prozent-Mehrheit um eine Stimme, erst im zweiten Wahlgang siegte er mit 304 Stimmen über seinen Widersacher Hašek. Nach seiner Wahl an die Spitze versuchte der neue Vorsitzende seine Partei wieder zu einigen:

Jiří Dienstbier  (Foto: Archiv ČSSD)
„Die Aufgabe, die ich nun habe, ist nicht einfach. Aber ich bin Optimist, denn ich bin nicht alleine damit - wir werden alle, die gesamte tschechische Sozialdemokratie, gemeinsam daran arbeiten. Die Aufgabe werde ich sehr kurz zusammenfassen: Diesen Parteitag müssen wir als geeinte Partei verlassen, nicht als zwei Lager, von denen eines besser, das andere schlechter aussieht. Eine einige sozialdemokratische Partei: Das ist unsere Aufgabe!“

Doch die Spaltung der Partei sollte weitergehen. Die erste Direktwahl des Staatspräsidenten im Januar 2013 offenbarte den Riss in der ČSSD. Bereits im Vorfeld der Wahl kamen Äußerungen aus der Partei, nicht den eigenen Kandidaten Jiří Dienstbier zu unterstützen, sondern den ehemaligen Staatspräsidenten Miloš Zeman. Dienstbier holte dann in der ersten Runde zwar ein akzeptables Ergebnis, konnte aber nicht in die Endrunde einziehen. Die Sozialdemokraten unterstützen danach offen Zeman. Nach seinem Wahlsieg stattete das neue Staatsoberhaupt dann den Sozialdemokraten einen Besuch ab. Auf ihrem Parteitag im März 2013 sagte er:

Bohuslav Sobotka  (Foto: Archiv ČSSD)
„Man sagt oft, ich sei hier auf dem Parteitag, um die Sozialdemokratische Partei zu spalten. Schreiben das rechte Journalisten, muss man sich nicht wundern. In der Vergangenheit haben dies jedoch, zu meiner Überraschung, auch einige hohe Vertreter der Sozialdemokraten gesagt. Da kann man nur mit den Schultern zucken und feststellen, dass ihr politischer Instinkt nicht allzu ausgeprägt ist.“

Nachdem die bürgerliche Regierung von Petr Nečas über einen Korruptionsskandal stürzte, war Staatspräsident Zeman am Zug. Er setzte eine Beamtenregierung unter Jiří Rusnok ein, an der bürgerlich-liberalen Mehrheit im Parlament vorbei. Bohuslav Sobotka als Vorsitzender der Sozialdemokraten forderte dagegen Neuwahlen. Nachdem der Antrag allerdings scheiterte, wurden die Stimmen seiner Gegner lauter, der Regierung Rusnok die Unterstützung auszusprechen. Sobotka wehrte sich, konnte aber dem Druck nicht lange standhalten. Kurz vor der Vertrauensabstimmung im Parlament änderte er seine Meinung und versprach der von Zeman eingesetzten Regierung die Zustimmung der Sozialdemokraten. Die Niederlage verkaufte er als Kompromiss:

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Ich bin vor allem froh, dass es uns gelungen ist, einen Kompromiss zu finden, der ein geeintes Auftreten der Sozialdemokraten ermöglicht. Bestandteil dieses Kompromisses sind auch Vorschläge, auf die wir uns in der scharfen und offen geführten, innerparteilichen Diskussion über eine Unterstützung der Regierung Rusnok in den letzten 14 Tagen geeinigt haben.“

Die Regierung Rusnock erhielt aber nicht das Vertrauen, stattdessen verständigte sich das Abgeordnetenhaus auf Neuwahlen. Diese hat nun vor einer Woche die ČSSD zwar gewonnen, aber längst nicht so deutlich, wie gewünscht.

Michal Hašek sah daher seine Chance gekommen, Bohuslav Sobotka zu stürzen und selbst die Koalitionsgespräche zu führen. Dazu traf er sich bereits am Wahlabend zu Gesprächen mit Staatspräsident Miloš Zeman – denn jener hat das Recht, einen Ministerpräsidenten zu ernennen. Bislang aber sieht es so aus, als sei Hašek der Putschversuch misslungen. Er musste öffentlich zugeben, gelogen zu haben, Sobotka bekommt hingegen seitdem eine Menge Zuspruch aus der Partei - und die Kreisorganisationen stellen sich ebenfalls hinter ihren Vorsitzenden. Der einzige, der schweigt, ist Staatspräsident Miloš Zeman. Der Vorsitzende des Senats, der Sozialdemokrat Milan Štěch, kommentierte die Situation in seiner Partei:

„Das sind die Ambitionen einiger Leute, die die Ergebnisse von Parteitagen nicht respektieren wollen. Und das müssen wir nun klären. Sie haben geglaubt, sie hätten in der Person des Staatspräsidenten einen Unterstützer. Dieser sollte sich nun zu der ganzen Angelegenheit äußern, weil dieses unglückliche Treffen bei ihm stattgefunden hat. Und Schweigen hilft da selbstverständlich gar nicht.“