Zivilgesellschaft auf dem Prüfstand

Anfang dieser Woche war die tschechische Landeshauptstadt einmal mehr Plattform für eine interdisziplinäre akademische Diskussion. Diesmal luden deutsche und tschechische Politologen zu einem bilateralen Vergleich über Entwicklungen und aktuelle Problematiken der Zivilgesellschaften ein. Mit dabei waren alte Bekannte, aber auch neue Gesichter. Mehr dazu verrät Ihnen nun Sebastian Kraft.

Anette Zimmer  (Foto: csn.uni-muenster.de)
Mit ihrer Teilnahme an der Podiumsdiskussion unter dem Titel "Zivilgesellschaft in der Praxis - Staat gegen Bürger?" fiel Anette Zimmer, Professorin für Politikwissenschaft an der Westfälischen Universität Münster und eine ausgewiesene Expertin in der Erforschung der deutschen Zivilgesellschaft, auf der Veranstaltung die zentrale Rolle zu. Sie referierte für die in erster Linie tschechischen Zuhörer über die Entwicklung der deutschen Zivilgesellschaft, angefangen im neunzehnten Jahrhundert bis zu den Strukturproblemen heute. Für viele Tschechen mag dann ihr Schlussfazit aber etwas überraschend geklungen haben.

"Man kann das deutsche Modell natürlich nicht auf das tschechische übertragen, aber wir können viel voneinander lernen. Nicht alle Erfahrungen in Deutschland sind gut, das aktuelle Modell ist nicht ideal. Tschechien ist gerade dabei, seine Zivilgesellschaft neu zu aktivieren und zu beleben. Dabei gibt es einige ganz gute Ansätze, die wir in Deutschland durchaus auch übernehmen könnten."

Die tschechische Zivilgesellschaft - die sich nach 1989 erst langsam herausbilden musste, wie Professor Jiri Pehe von der New York University Prag im Laufe der Diskussion erläuterte - als Vorbild für die deutsche? Professorin Zimmer erläutert noch einmal, was sie konkret meint:

"Zum Beispiel das tschechische Einprozentgesetz, was bedeutet, dass man von seiner Einkommensteuer ein Prozent gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung stellen kann, oder eine eigenständige Rechtsform für gemeinnützige Organisationen. Tschechien hat es auch zumindest im Kleinen geschafft, für diese Bereiche Dachorganisationen zu bilden, während es in Deutschland immer nur Dachorganisationen für Unterbereiche gibt, wie Sport, Soziales oder Kultur. Ich finde, da ist Tschechien schon auf einem ganz guten Weg und mehr Austausch wäre sicher wünschenswert."

Für mehr Austausch sorgt vor allem die Robert Bosch Stiftung, in Deutschland selbst ein wichtiger Träger der Zivilgesellschaft. Deren Projektleiter für Völkerverständigung in Mittel- und Osteuropa, Carsten Lenk, brachte zum Abschluss noch einmal auf den Punkt, wie es im deutsch-tschechischen Bereich um die Zivilgesellschaft bestellt ist:

"Ich denke, das deutsch-tschechische Verhältnis ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit sehr gut funktionieren kann. Auch wenn es in der Politik mal etwas kontroverser zugehen sollte, kann man doch sehen, dass wir mittlerweile in der Zusammenarbeit unserer beiden Gesellschaften über Vereine, Verbände und Initiativen so viele gemeinsame Projekte und Themen angegangen sind, dass dies dann auch in Krisenzeiten trägt. Die Strömung des Flusses im Untergrund wird immer weitergehen, das ist sozusagen die solide Basis, und wenn es oben mal ein paar Wellen gibt, dann können wir das auch leicht verschmerzen."